vierteljahrshefte für zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Die „Technische Nothilfe" 53<br />
mandeur, Hauptmann Waldemar Pabst, die Einrichtung der „Technischen Abteilungen"<br />
zur Streikabwehr betrieben 116 .<br />
Kommunistenhaß inspirierte denn auch die Einzelinitiative des Otto Lummitzsch<br />
117 ; das tiefwurzelnde Mißtrauen der deutschen Offizierskaste gegen die<br />
Welt der Arbeiter aber prägte den Charakter der Technischen Nothilfe als grundsätzlich<br />
proletarierfeindliche Organisation in den ersten Monaten ihres Bestehens<br />
entscheidend mit. Generalstabsoffiziere, die bereits im Kaiserlichen Heer Wilhelms<br />
IL als Leutnante Streikbrechertruppen befehligt haben mochten 118 , gingen<br />
im Spätsommer 1919 noch über den Befehl Reichswehrminister Noskes vom 25.<br />
Juni hinaus, der den Einsatz militärischer Machtmittel bei Streiks in gemeinnützlichen<br />
Betrieben angeordnet hatte, wenn sie, wie der spätere Kapp-Verschwörer<br />
General Freiherr von Lüttwitz, ein „unbedingtes Verbot politischer und<br />
wirtschaftlicher Streiks" ohne Unterscheidung der Streikmotive forderten 119 .<br />
Auf Regionalebene wurden die Nothilfe-Abteilungen nach dem Berliner Muster<br />
oft unter der Leitung der reaktionärsten Militärbefehlshaber im Lande aufgestellt;<br />
in Rheinland-Westfalen von General Freiherr von Watter, der im April<br />
1919 die gewaltsame Niederschlagung eines radikalen Arbeiterstreiks im Ruhrgebiet<br />
vorantrieb, in Bayern von Generalmajor Ritter v. Möhl, nachdem er seine<br />
Truppen Anfang Mai 1919 zum Sieg über die Münchner Räteregierung geführt<br />
hatte 120 .<br />
Selbst nach der formellen Umwandlung der Nothilfe-Organisation in eine<br />
zivile <strong>Institut</strong>ion Ende September und nach ihrer Etatisierung im Reichsinnenministerium<br />
Ende November 1919 121 wurde der Einfluß der Militärs auf die TN<br />
nur unwesentlich abgeschwächt. Zu dem Schritt vom November hatte man sich<br />
118<br />
Zivilschute 27, 1963, S. 33 f.; Otto Lummitzsch, Wie die Technische Nothilfe entstand,<br />
DR 1933, S. 148-49; ders., Nothilfe, S. 10, 18 1; Menschen und Menschenwerte, Bd. 2,<br />
A, Wien 1925, S. 473; Nothilfe-Jahrbuch. S. 35; Teno, S. 5; Waldemar Pabst, Spartakus,<br />
in: Curt Hotzel (Hrsg.), Deutscher Aufstand. Die Revolution des Nachkriegs, Stuttgart<br />
1934, S. 28-44, hier S. 38. Zu Pabst vgl. Gustav Noske, Von Kiel bis Kapp. Zur Geschichte<br />
der deutschen Revolution, Berlin 1920, S. 199. Dazu auch Harold J. Gordon Jr., The<br />
Reichswehr and the German Republic, Princeton (N.J.) 1957, S. 24; Elisabeth Hannover-<br />
Drück u. Heinrich Hannover (Hrsg.), Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.<br />
Dokumentation eines politischen Verbrechens, Frankfurt/M. 1967.<br />
117<br />
Vgl. heute Lummitzsch, Nothilfe, S. 18 f., 35 f.; ferner ders., Wie... entstand, S. 148.<br />
118<br />
Siehe dazu Martin Kitchen, The German Officer Corps 1890-1914, Oxford 1968, S. 162 ff.,<br />
224.<br />
119<br />
Noskes Befehl abgedruckt bei Noske, S. 165. Zitat Lüttwitz: Dok. 39 in Otto Ernst Schüddekopf,<br />
Das Heer und die Republik. Quellen zur Politik der Reichswehrführung 1918-33,<br />
Hannover 1955, S. 101 ff.<br />
120<br />
Könnemann, S. 676; Möhl an Staatsministerium <strong>für</strong> Verkehrsangelegenheiten u. a., München,<br />
9. 9. 19, BH, MWi 5624; Cuno Horkenbach (Hrsg.), Das Deutsche Reich von 1918<br />
bis Heute, Berlin 1930, S. 63, 69; Noske, S. 125 f.; Horst G. W. Nußer, Konservative<br />
Wehrverbände in Bayern, Preußen und Österreich 1918-1933, München 1973, S. 84.<br />
121<br />
Wortlaut der Anordnung in Vermerk Noske <strong>für</strong> Reichskanzler, Berlin, 30. 9. 19, BA, R 43<br />
I/721, 1.