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Mixtape KULTUR JOKER 21

Auf einen Jib mit… Fresh Life Records

Ein Gespräch über Raves, Freiflächen und Raumnot in Freiburg

„Wenn man sich nur mit

einer Bluetooth-Box in eine

Unterführung stellt und das

‚Rave‘ nennt, dann ist das

schade.“ Tim / „Fallen Timez“

schaut in die Runde, die sich

im Innenhof des ArTik versammelt

hat, schiebt dann

nach: „Es ist schade, weil sich

andere den Aufwand machen,

gutes Equipment zu holen und

ein richtiges Line-up mit verschiedenen

DJs zusammenzustellen.“

Michi, Künstlername

„Zulito“, kontert: „Wobei die

Minibox schon die Kernidee

des Raves ist.“ Für Jerry /

„Lunatiq“ bleibt Rave „Underground,

ohne viel Promo“.

Niclas / „Neat“ führt weiter

aus: „Ich finde es schade, wenn

Raves auf einem Privatgelände

laufen und hohe Eintritte verlangt

werden. Ein Rave sollte

öffentlich zugänglich sein und

nicht die Hürden haben, die ein

Clubevent hat – weder für die

Leute, die kommen, noch für

die Veranstalter*innen.“

Das passiert während des

Gesprächs mit der Crew von

Fresh Life Records häufiger:

Das Thema „Rave“ wird politisch.

Niclas, Freiburger und

„seit 17 auf Drum and Bass“,

ist Teil der IG Subkultur und

Mitwirkender beim Projekt

„Freifläche“ oder: „Legal Raves“.

Nach eineinhalb Jahren

Corona scheint die Stadt

Freiburg plötzlich motiviert,

Partyflächen freizustellen. Die

Menschen innerhalb der Szene

sind skeptisch. Den Rave aus

dem Underground herauszuholen

und mit Bauzaun, Toiletten

und Brandschutz zu garnieren,

bedeutet, dem Rave seinen unkommerziellen,

freien Charakter

zu nehmen. Andererseits

sehen die vier Musiker angesichts

des Clubsterbens keine

vergleichbar schnelle Alternative

zu den Legal Raves.

Niclas: „Wir wissen nicht, wohin

sonst mit der Clubkultur.

Selbst die Polizei versteht das.“

Überhaupt sind Polizist*innen

weniger das Problem. Die seien

in Freiburg „super kulant“, bestätigen

die vier. Problem sei

die Raumnot. Neben dem Ar-

Die Crew im Bunker

Tik, mit dem alle vier Musiker

eng verbunden sind, gäbe es

quasi keine Locations für den

harten, schnellen Drum and

Bass und Dubstep der Fresh-

Life-Crew.

Es ist kalt, es hat geregnet,

Spätsommer. Während des

Gesprächs rauscht Wasser von

einer Markise. „Oh, fuck! Da

steht ein Paket.“ Jerry springt

auf, rennt los, kommt aber

gleich wieder zurück, grinsend:

„Nur eine leere Schachtel.“

In diesem Sommer schüttelte

sich Freiburg aus seinem

coronatiefen Dauerschlaf. Bei

der Gaskugel, in der Unterführung

beim Dietenbachpark,

auf dem Schlossberg oder auf

dem Platz der Alten Synagoge

wurde gefeiert – nicht selten

mit Bluetooth-Box. Die Bilder

eines vermüllten Freiburgs

gingen durch die Medien.

Auch soll es Aggressionen gegenüber

Polizist*innen gegeben

haben. Jerry glaubt, dass

die Stadt deshalb und so plötzlich

Freiflächen in Aussicht

stellt – und damit die Möglichkeit

einer kontrollierten Partysituation.

Aber funktioniert

das? Als es endgültig herbstlich

wird und die Fresh-Life-

Crew in den vertrauten Räumen

des ArTik verschwindet,

bleiben Michis Worte in der

Luft: „Rave, für mich ist das

ein Kreis von Menschen, die

einen Spirit teilen.“

Fabian Lutz

Foto: Fresh Life Records

Fresh Life Records ist

ein im August 2021 gegründetes

Drum&Bass und

Dubstep Label mit Sitz in

Freiburg. Über das Label

veröffentlichen unter anderem

die vier Gründer Lunatiq,

Neat, Fallen Timez und

Zulito. Demos sind willkommen:

demo@freshliferecords.de

/ Weitere Infos:

www.freshliferecords.de

Raubt ihr uns die Träume, rauben wir euch den Schlaf

So manch eine*r erinnert

sich vielleicht noch an diese

unmissverständliche Drohung,

die in einer klirrend kalten

Dezembernacht vor gut fünf

Jahren wahr gemacht wurde,

als rund 250 Menschen den

Anwohner*innen der Innenstadt

die Zeit zum Schlafen

(oder träumen) raubten. Es ist

nun kein Geheimnis, dass Freiburg

ein Problem mit seinem

Nachtleben hat und dass dieses

Problem schon länger besteht,

auch nicht. Trotzdem noch einmal

für alle: Was war passiert?

Nach viereinhalb Jahren Betrieb

musste im Dezember 2016 eine Institution

eben dieses Nachtlebens,

die Schmitz Katze, schließen. Ein

Hilferuf der Betreiber*innen an

die Stadt blieb unerhört. Daraufhin

formierte sich Widerstand – eine

Gruppe aus Veranstalter*innen,

Gastronom*innen, Künstler*innen

und DJ*s organisierten eine lautstarke

nächtliche Parade, um ihrem

Frust Ausdruck zu verleihen

und ihren Bedürfnissen Gehör zu

verschaffen.

Seitdem ist viel und zugleich

wenig passiert. Die Zahl der

Clubschließungen überwiegt

noch immer bei weitem die

der Neueröffnungen. Freiburgs

erster und einziger Späti musste

nach einer sehr intensiven,

aber viel zu kurzen Zeit wieder

schließen, die städtische

Bereitstellung von Freiflächen

für legale Raves geht, wenn

überhaupt, nur schleppend voran.

Warum funktioniert in

Freiburg nicht, was in so vielen

Städten funktioniert?

Eine berechtigte, aber auch

einfache Frage an ein komplexes

Thema. Denn es ist ja

nicht so, als gäbe es diese Probleme

(Lautstärkebeschwerden,

Gentrifizierung, träge

Bürokratie) woanders nicht.

Aber ist es doch auffällig, wie

schwer es der Kommunalpolitik

hier fällt, sich für die Subkultur

ihrer Stadt einzusetzen – besonders,

wenn man einmal das

Image, dass Freiburg von sich

selbst gern nach außen trägt,

mit der Wirklichkeit vor Ort

abgleicht. Erfreulicherweise

haben mittlerweile eine Reihe

von Initiativen, wie z.B. die IG

Subkultur oder die JUPI Fraktion,

dafür gesorgt, dass das

Thema Nachtleben im öffentlichen

Diskurs so präsent ist wie

wahrscheinlich noch nie zuvor.

Zudem hat die Pandemie die

Zustände soweit verschärft,

dass es immer schwieriger

wird, sie zu ignorieren.

Um Erfolge zu feiern ist es

trotzdem noch zu früh, und

da hilft auch leider kein Kultur_Los!-Festival

für ein paar

Tage im Jahr. Denn der Situation

liegt weniger eine ortsspezifische,

als eine weit verbreitete

und sehr deutsche Mentalität

zugrunde – nämlich, die Sorgen

junger Menschen pauschal

weniger ernst zu nehmen als die

älterer. Die Bedürfnisse junger

Menschen dürfen politisch gern

mal vernachlässigt werden,

„weil sie ja noch jung sind“, so

die oft gehörte Begründung.

Als wäre das ein Argument.

Was daraus folgt ist eine

deutliche Asymmetrie, wer in

einem solchen Konflikt wie

gehört wird. Anwohner*innen

und Vermieter*innen haben

meistens Polizei und Gerichte

auf ihrer Seite, die sich um ihre

Bedürfnisse kümmern. Außerdem

verfügen sie in der Regel

eher über die notwendigen Ressourcen

ihre Interessen durchzusetzen

(siehe Späti) – womit

der Konflikt ums Nachtleben

schnell auch zur Klassenfrage

wird. Gegen diese Übermacht

können Gastronom*innen,

Künstler*innen, Kollektive

und DJ*s ihre Freiräume oft

nur schwer behaupten, daher

wenden sie sich hilfesuchend an

die Politik. Und wenn die nicht

zuhört, naja, dann gute Nacht.

Danny Schmidt

Trends Digital: ASMR

Soundeffekte wie das Rascheln

von Papier, Klopfen, die Geräusche

von klebrigen Gegenständen, flüsternden

Stimmen oder Essensgeräusche

erreichen bis zu 16 Millionen

Klicks im Internet: Der kuriose

Trend ASMR (Autonomous

Sensory Meridian Response) soll

zur Entspannung, zum Einschlafen

oder Konzentrieren verhelfen.

Das Hörerlebnis löst Reize aus, die

durch akustische Stimulation im

ganzen Körper verbreitet werden,

bspw. durch fühlbares Kribbeln

auf der Haut. Laut einer Studie der

James Cook Universität Singapur

(2017) können sogar Angstzustände

gelindert werden. Bis heute gibt

es in der Wissenschaft weder eine

Erklärung noch einen Namen. Also

Challenge accepted: Kopfhörer auf

und berieseln lassen!

Unterstützer*innen der Seite

ANNA MADÉE

Mode in NAtur

Individuelle Mode • Accessoires

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