flip-Joker_2021-10
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Mixtape KULTUR JOKER 21
Auf einen Jib mit… Fresh Life Records
Ein Gespräch über Raves, Freiflächen und Raumnot in Freiburg
„Wenn man sich nur mit
einer Bluetooth-Box in eine
Unterführung stellt und das
‚Rave‘ nennt, dann ist das
schade.“ Tim / „Fallen Timez“
schaut in die Runde, die sich
im Innenhof des ArTik versammelt
hat, schiebt dann
nach: „Es ist schade, weil sich
andere den Aufwand machen,
gutes Equipment zu holen und
ein richtiges Line-up mit verschiedenen
DJs zusammenzustellen.“
Michi, Künstlername
„Zulito“, kontert: „Wobei die
Minibox schon die Kernidee
des Raves ist.“ Für Jerry /
„Lunatiq“ bleibt Rave „Underground,
ohne viel Promo“.
Niclas / „Neat“ führt weiter
aus: „Ich finde es schade, wenn
Raves auf einem Privatgelände
laufen und hohe Eintritte verlangt
werden. Ein Rave sollte
öffentlich zugänglich sein und
nicht die Hürden haben, die ein
Clubevent hat – weder für die
Leute, die kommen, noch für
die Veranstalter*innen.“
Das passiert während des
Gesprächs mit der Crew von
Fresh Life Records häufiger:
Das Thema „Rave“ wird politisch.
Niclas, Freiburger und
„seit 17 auf Drum and Bass“,
ist Teil der IG Subkultur und
Mitwirkender beim Projekt
„Freifläche“ oder: „Legal Raves“.
Nach eineinhalb Jahren
Corona scheint die Stadt
Freiburg plötzlich motiviert,
Partyflächen freizustellen. Die
Menschen innerhalb der Szene
sind skeptisch. Den Rave aus
dem Underground herauszuholen
und mit Bauzaun, Toiletten
und Brandschutz zu garnieren,
bedeutet, dem Rave seinen unkommerziellen,
freien Charakter
zu nehmen. Andererseits
sehen die vier Musiker angesichts
des Clubsterbens keine
vergleichbar schnelle Alternative
zu den Legal Raves.
Niclas: „Wir wissen nicht, wohin
sonst mit der Clubkultur.
Selbst die Polizei versteht das.“
Überhaupt sind Polizist*innen
weniger das Problem. Die seien
in Freiburg „super kulant“, bestätigen
die vier. Problem sei
die Raumnot. Neben dem Ar-
Die Crew im Bunker
Tik, mit dem alle vier Musiker
eng verbunden sind, gäbe es
quasi keine Locations für den
harten, schnellen Drum and
Bass und Dubstep der Fresh-
Life-Crew.
Es ist kalt, es hat geregnet,
Spätsommer. Während des
Gesprächs rauscht Wasser von
einer Markise. „Oh, fuck! Da
steht ein Paket.“ Jerry springt
auf, rennt los, kommt aber
gleich wieder zurück, grinsend:
„Nur eine leere Schachtel.“
In diesem Sommer schüttelte
sich Freiburg aus seinem
coronatiefen Dauerschlaf. Bei
der Gaskugel, in der Unterführung
beim Dietenbachpark,
auf dem Schlossberg oder auf
dem Platz der Alten Synagoge
wurde gefeiert – nicht selten
mit Bluetooth-Box. Die Bilder
eines vermüllten Freiburgs
gingen durch die Medien.
Auch soll es Aggressionen gegenüber
Polizist*innen gegeben
haben. Jerry glaubt, dass
die Stadt deshalb und so plötzlich
Freiflächen in Aussicht
stellt – und damit die Möglichkeit
einer kontrollierten Partysituation.
Aber funktioniert
das? Als es endgültig herbstlich
wird und die Fresh-Life-
Crew in den vertrauten Räumen
des ArTik verschwindet,
bleiben Michis Worte in der
Luft: „Rave, für mich ist das
ein Kreis von Menschen, die
einen Spirit teilen.“
Fabian Lutz
Foto: Fresh Life Records
Fresh Life Records ist
ein im August 2021 gegründetes
Drum&Bass und
Dubstep Label mit Sitz in
Freiburg. Über das Label
veröffentlichen unter anderem
die vier Gründer Lunatiq,
Neat, Fallen Timez und
Zulito. Demos sind willkommen:
demo@freshliferecords.de
/ Weitere Infos:
www.freshliferecords.de
Raubt ihr uns die Träume, rauben wir euch den Schlaf
So manch eine*r erinnert
sich vielleicht noch an diese
unmissverständliche Drohung,
die in einer klirrend kalten
Dezembernacht vor gut fünf
Jahren wahr gemacht wurde,
als rund 250 Menschen den
Anwohner*innen der Innenstadt
die Zeit zum Schlafen
(oder träumen) raubten. Es ist
nun kein Geheimnis, dass Freiburg
ein Problem mit seinem
Nachtleben hat und dass dieses
Problem schon länger besteht,
auch nicht. Trotzdem noch einmal
für alle: Was war passiert?
Nach viereinhalb Jahren Betrieb
musste im Dezember 2016 eine Institution
eben dieses Nachtlebens,
die Schmitz Katze, schließen. Ein
Hilferuf der Betreiber*innen an
die Stadt blieb unerhört. Daraufhin
formierte sich Widerstand – eine
Gruppe aus Veranstalter*innen,
Gastronom*innen, Künstler*innen
und DJ*s organisierten eine lautstarke
nächtliche Parade, um ihrem
Frust Ausdruck zu verleihen
und ihren Bedürfnissen Gehör zu
verschaffen.
Seitdem ist viel und zugleich
wenig passiert. Die Zahl der
Clubschließungen überwiegt
noch immer bei weitem die
der Neueröffnungen. Freiburgs
erster und einziger Späti musste
nach einer sehr intensiven,
aber viel zu kurzen Zeit wieder
schließen, die städtische
Bereitstellung von Freiflächen
für legale Raves geht, wenn
überhaupt, nur schleppend voran.
Warum funktioniert in
Freiburg nicht, was in so vielen
Städten funktioniert?
Eine berechtigte, aber auch
einfache Frage an ein komplexes
Thema. Denn es ist ja
nicht so, als gäbe es diese Probleme
(Lautstärkebeschwerden,
Gentrifizierung, träge
Bürokratie) woanders nicht.
Aber ist es doch auffällig, wie
schwer es der Kommunalpolitik
hier fällt, sich für die Subkultur
ihrer Stadt einzusetzen – besonders,
wenn man einmal das
Image, dass Freiburg von sich
selbst gern nach außen trägt,
mit der Wirklichkeit vor Ort
abgleicht. Erfreulicherweise
haben mittlerweile eine Reihe
von Initiativen, wie z.B. die IG
Subkultur oder die JUPI Fraktion,
dafür gesorgt, dass das
Thema Nachtleben im öffentlichen
Diskurs so präsent ist wie
wahrscheinlich noch nie zuvor.
Zudem hat die Pandemie die
Zustände soweit verschärft,
dass es immer schwieriger
wird, sie zu ignorieren.
Um Erfolge zu feiern ist es
trotzdem noch zu früh, und
da hilft auch leider kein Kultur_Los!-Festival
für ein paar
Tage im Jahr. Denn der Situation
liegt weniger eine ortsspezifische,
als eine weit verbreitete
und sehr deutsche Mentalität
zugrunde – nämlich, die Sorgen
junger Menschen pauschal
weniger ernst zu nehmen als die
älterer. Die Bedürfnisse junger
Menschen dürfen politisch gern
mal vernachlässigt werden,
„weil sie ja noch jung sind“, so
die oft gehörte Begründung.
Als wäre das ein Argument.
Was daraus folgt ist eine
deutliche Asymmetrie, wer in
einem solchen Konflikt wie
gehört wird. Anwohner*innen
und Vermieter*innen haben
meistens Polizei und Gerichte
auf ihrer Seite, die sich um ihre
Bedürfnisse kümmern. Außerdem
verfügen sie in der Regel
eher über die notwendigen Ressourcen
ihre Interessen durchzusetzen
(siehe Späti) – womit
der Konflikt ums Nachtleben
schnell auch zur Klassenfrage
wird. Gegen diese Übermacht
können Gastronom*innen,
Künstler*innen, Kollektive
und DJ*s ihre Freiräume oft
nur schwer behaupten, daher
wenden sie sich hilfesuchend an
die Politik. Und wenn die nicht
zuhört, naja, dann gute Nacht.
Danny Schmidt
Trends Digital: ASMR
Soundeffekte wie das Rascheln
von Papier, Klopfen, die Geräusche
von klebrigen Gegenständen, flüsternden
Stimmen oder Essensgeräusche
erreichen bis zu 16 Millionen
Klicks im Internet: Der kuriose
Trend ASMR (Autonomous
Sensory Meridian Response) soll
zur Entspannung, zum Einschlafen
oder Konzentrieren verhelfen.
Das Hörerlebnis löst Reize aus, die
durch akustische Stimulation im
ganzen Körper verbreitet werden,
bspw. durch fühlbares Kribbeln
auf der Haut. Laut einer Studie der
James Cook Universität Singapur
(2017) können sogar Angstzustände
gelindert werden. Bis heute gibt
es in der Wissenschaft weder eine
Erklärung noch einen Namen. Also
Challenge accepted: Kopfhörer auf
und berieseln lassen!
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ANNA MADÉE
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