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Die Berliner Philharmonika und Chefdirigent Kirill Petrenko beim Lucerne Sommer-Festival 2021

Foto: Priska Ketterer/Lucerne Festival

THEATER KULTUR JOKER 5

Konzertreisen sind für die Berliner

Philharmoniker unerlässlich.

Hier entwickeln sich Interpretationen

von Konzert zu Konzert

weiter, hier sorgt man für die notwendige

internationale Ausstrahlung.

Auf Tournee tauscht man sich

intensiver aus als im Normalbetrieb

und wächst auch menschlich zusammen.

2021 mussten bisher alle

geplanten Konzertreisen der Berliner

Philharmoniker wegen der

Coronapandemie abgesagt werden.

Nun ist das Spitzenorchester, das

im November und zu den Osterfestspielen

2022 zu Residenzen ins

Festspielhaus Baden-Baden kommt,

erstmals wieder auf Reisen: Salzburg,

Luzern und Paris. „Ein voll

besetzter Saal wie in Salzburg oder

auch bei unserer Eröffnungswoche

motiviert das Orchester nochmals

besonders. Das ist wirklich eine

Erlösung für uns“, sagt Cellist und

Orchestervorstand Knut Weber im

persönlichen Gespräch.

Im Kultur-und Kongresszentrum

Luzern (KKL) ist der Saal jedoch

nur halb gefüllt, was am Hygienekonzept

des Lucerne Festivals liegt.

Es werden keine Impfnachweise

oder negative Coronatests verlangt,

aber insgesamt dürfen für die maximal

80-minütigen Konzerte

inklusive Ausführende nur 1000

Menschen in den Saal – mit Maskenpflicht

im Publikum und rund

80-minütigen, ohne Pause gespielten

Konzerten. Aber wie klingt das

Orchester nach eineinhalb Jahren

Pandemie unter seinem seit September

2019 amtierenden Chefdirigenten

Kirill Petrenko? Carl Maria

von Webers „Oberon“-Ouvertüre

beginnt Solohornist Stefan Dohr

in einem zarten Piano, das wie von

Ferne tönt. Auch der schwebende,

gedämpfte Streicherklang ist kaum

zu orten. Kirill Petrenko steht lächelnd

am Pult. Mit dem ganzen

Körper dreht er sich zur Gruppe

der ersten Violinen und später zu

den Celli, ehe mit dem schnell genommenen

Allegro con fuoco die

Energie im Orchester kulminiert.

Bei aller Virtuosität bleibt aber die

delikate Klanglichkeit und Transparenz

erhalten.

Im Gegensatz zu anderen Orchestern

konnten die Berliner Philharmoniker

die letzte Spielzeit voll

durcharbeiten und ihre Konzerte in

der Digital Concert Hall übertragen.

„Durch die Pandemie haben wir mit

unserem neuen Chefdirigenten Kirill

Petrenko noch mehr Programme

einstudiert als ursprünglich geplant.

Künstlerisch und menschlich

hat uns das gut getan“, sagt Knut

Weber. Der Cellist ist fasziniert

von der akribischen Probenarbeit.

„Obwohl Petrenko sehr an Details

arbeitet, schafft er es, große Spannungsbögen

zu entwickeln. Er verliert

nie den Gesamt überblick über

die Architektur eines Werkes. Als

einzelner muss man sich manchmal

zurücknehmen, damit der von ihm

gesteuerte Gesamtprozess so ablaufen

kann, wie er das möchte.“

In Franz Schuberts großer C-Dur-

Symphonie ist davon schon viel zu

hören. Die „himmlische Länge“, die

Robert Schumann der Symphonie

attestierte, nimmt Petrenko ernst

und verschießt das Pulver nicht

zu früh.Vor allem im Pianobereich

sorgt er für dynamische und klangfarbliche

Abstufungen und baut

Steigerungen behutsam auf. Den

Spannungshöhepunkt im Andante

con moto meißelt er mit den groß

aufspielenden Berliner Philharmonikern

heraus, wenn er den Orchesterklang

im dreifachen Forte zu

einem Schmerzensschrei bündelt,

ehe nach einer langen Generalpause

die exquisite Cellogruppe, die

tags zuvor im KKL bereits einen

gefeierten Auftritt als 12-Cellisten-

Formation hinlegte, die Scherben

mit einer zarten Kantilene zusammenkehrt

und ein Quantum Trost

spendet. Und wie die Streicher die

Ein Quantum Trost

Die Berliner Philharmoniker begeistern mit Chefdirigent Kirill Petrenko beim Lucerne Festival/Residenz im Festspielhaus

Baden-Baden ab 6. November

Triolen im schnell genommenen

Finale an der Bogenspitze zaubern

und dabei in den endlosen Wiederholungen

nicht an Energie verlieren,

ist atemberaubend. Kirill Petrenko

macht bei aller Präsenz kein Gewese

um sich. Seine Gesten sind

weder elegant noch extravagant,

sondern vor allem musikdienlich.

Nach dem Schlussakkord hält er

nicht künstlich die Spannung hoch,

sondern lässt seine Arme wenige

Augenblicke nach dem Verklingen

sacken und bedankt sich mit einem

freundlichen Nicken beim Orchester.

Stehende Ovationen im KKL!

Das zweite Konzert beim Lucerne

Festival hinterlässt einen

gemischteren Eindruck. Sergej

Prokofiews erstes Klavierkonzert,

in die Tasten gehämmert, aber auch

mit lyrischer Wärme ausgestattet

von Anna Vinnitskaya, hält zwar

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die Balance zwischen kühler Virtuosität

und entrückter Klanglichkeit

wie im verträumten Mittelteil,

aber das Zusammenspiel zwischen

Solistin und Tutti klappert hin und

wieder. Gerade, wenn die Russin

das Tempo anzieht, ist das Orchester

meist eine Spur hintendran.

Der tschechische Komponist Josef

Suk ist ein Liebling von Kirill Petrenko

– und man weiß nicht genau

warum. Natürlich entwirft der

Dvořák-Schüler in seiner symphonischen

Dichtung „Pohádka léta“

(Ein Sommermärchen) eine spätromantische,

mit impressionistischen

und expressionistischen Anteilen

angereicherte Farbpalette, die die

Berliner Philharmoniker eindrucksvoll

nachzeichnen. Da werden Flöte

und Bassklarinette oder Trompete

und Tuba von den Solobläsern so

deckungsgleich parallel geführt,

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dass eine ganz neue Orchesterfarbe

entsteht. Die Fratzen des vierten

Satzes haben Schärfe, die vielen

Soli Wärme und Raffinesse. Aber

selbst Kirill Petrenko schafft es

nicht, diesem rhapsodischen, die

Kitschgrenze streifenden Werk aus

den Jahren 1907-09 eine schlüssige

Dramaturgie zu verleihen. „Wir

sind zwar immer noch am Anfang

eines gemeinsamen Weges, aber

wir beschnuppern uns nicht mehr

wie zwei Fremde“, sagt Knut Weber.

„Wir haben den Grundstein gelegt

für eine gemeinsame Sprache.“

Baden-Baden darf gespannt sein.

6./7.11.: Orchesterkonzerte

der Berliner Philharmoniker,

10./12.11.: Mazeppa, jeweils 18 Uhr

im Festspielhaus Baden-Baden,

Leitung: Kirill Petrenko. Tickets:

www.festpielhaus.de; tel. unter

07221/3013101 Georg Rudiger

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