Paul Dräger zu:* Homer, Ilias. Übertragen von Raoul Schrott ...

Paul Dräger zu:
vom (um zunächst traditionell zu übersetzen:) „verderblichen“ 28 (Schadewaldt)
/ „unheilbringenden“ (Hampe) / „ganz unsel’gen“ (Latacz) /
„verfluchten“ (Schrott) Groll des Peleus-Sohnes Achilleus zu singen, d.h.
ihn, den Sänger, zu inspirieren.
Dagegen ist bei Schrotts Schreibweise „von der bitternis sing, göttin -
von achilleús, dem sohn des peleús / seinem verfluchten groll“ der Sinn
für jeden Normalleser unverständlich:
(1) Zunächst versteht man: Eine Göttin soll von „der bitternis“ singen.
Frage: von was für einer Bitternis?
(2) Auf Klärung hoffend liest man weiter: „von achilleús, dem sohn des
peleús“. Frage: In welchem Zusammenhang steht diese Angabe zu der
„bitternis“?
Möglichkeit 1: in gar keinem. In diesem Fall bleibt „von der bitternis“
ungeklärt in der Luft hängen, und es wird statt einer Klärung ein zweiter
Sangesgegenstand angekündigt: „von achilleús, dem sohn des peleús“.
Die Göttin soll also (a) von einer Bitternis singen, (b) von Achilleus.
Möglichkeit 2: „von achilleús, dem sohn des peleús“ ist die Fortsetzung
des „von der bitternis“. Dafür muss man allerdings den Gedankenstrich
ignorieren (bei Schrotts systemloser Interpunktion unproblematisch)
und verbinden: „von der bitternis [...] von achilleús, dem sohn des peleús“
(soll die Göttin singen). Das „von achilleús“ stünde für ‚des achilleús’
(= Kinder- oder ‚Prekariatssprache’, bei Schrott ebenfalls nichts
Ungewöhnliches: ‚der Hut vom Vater’ – statt ‚der Hut des Vaters’’).
(3) Dann aber liest man – aufgrund fehlender Interpunktion am Vers-
Ende fließend in „Zeile“ 2 hinübergeleitet –: „seinem verfluchten groll“.
Frage: wessen verfluchtem Groll? Stünde hinter „peleu/s Komma oder
Doppelpunkt, könnte man „seinem verfluchten groll“ als erklärende Apposition
zu ‚achilleús bitternis’ verstehen. Das würde bedeuten: Die Bitternis
(des Achilleus) soll erklärend nuanciert werden durch ein zweites
Gefühlswort: ‚Groll’.
28 Schrott mokiert sich S. XXXII (und wiederholt dies in Interviews wie z.B. im März
2009 auf 3sat trotz Widerlegung) über Rupés Übersetzung von nouson [...] kaken 1,10
als „verderbliche Seuche“ wegen der seiner Meinung nach passivischen Bedeutung
von „verderblich“ (wie heute etwa in ‚(leicht)verderbliche Lebensmittel’) und fragt: „Eine
Seuche mit Verfallsdatum?“; so schon in Sieben Prämissen (wie Anm. 26) S. 193.
Doch s. zur weit häufigeren aktivischen Bedeutung (~ ‚verderbenbringend’) Latacz: Homer
übersetzen (wie Anm. 26) S. 363-366; den im heutigen Hochdeutsch z.B. ganz geläufigen
aktivischen ‚verderblichen Einfluss’ würde man sich passivisch gemäß
Schrotts eigener These (Replik [wie Anm. 26] S. 467-469: „Das Verfallsdatum von
Übersetzungen“) so schnell wie möglich für die Wirkung seiner ‚Übertragung’ auf unsere
Sprachkultur wünschen ...
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