Paul Dräger zu:* Homer, Ilias. Übertragen von Raoul Schrott ...
Paul Dräger zu:* Homer, Ilias. Übertragen von Raoul Schrott ...
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<strong>Raoul</strong> <strong>Schrott</strong>: <strong>Homer</strong>, <strong>Ilias</strong> und <strong>Homer</strong>s Heimat<br />
gemachten Überset<strong>zu</strong>ng, was die Fachwissenschaft herausfordert und<br />
eine fachwissenschaftliche Antwort in Form einer notwendig vernichtend<br />
ausfallenden Kritik unumgänglich macht. Niemandem ist es verboten,<br />
auf der Grundlage existierender professioneller Überset<strong>zu</strong>ngen<br />
neue, auch ‚poetische’, Produkte <strong>zu</strong> fabrizieren. Er muss das aber sagen!<br />
<strong>Schrott</strong> dagegen verschweigt es, mehr noch: Er will als erster<br />
deutschsprachiger wissenschaftlicher Übersetzer in der Geschichte des<br />
<strong>Homer</strong>-Übersetzens gelten: „Eine kanonische wissenschaftliche Überset<strong>zu</strong>ng,<br />
die den vollständigen semantischen Gehalt <strong>von</strong> <strong>Homer</strong>s <strong>Ilias</strong><br />
auf deutsch präsentiert, liegt bis heute nicht vor; selbst noch die Übertragung<br />
<strong>von</strong> Schadewaldt beschneidet wahre Texttreue [...]“ usw. (S.<br />
XXXI). Mit anderen Worten: ‚Die erste wissenschaftlich wahre Texttreue<br />
– hier liegt sie vor!’ Diese haarsträubende Selbstüberhebung, die angesichts<br />
des tatsächlich Vorgelegten nahe<strong>zu</strong> als Größenwahn im psychiatrischen<br />
Sinne erscheint, verlangt nach einer klaren Antwort. Dementsprechend<br />
nimmt die Wissenschaft den Wahnwitz probehalber ernst<br />
und antwortet als Wissenschaft! An der Vernichtung seines Produkts ist<br />
also niemals die wissenschaftliche Kritik schuld, sondern allein der Verfasser<br />
dieser ‚Übertragung’ selbst! Wer sich als Fachmann ausgibt,<br />
nimmt in Kauf, dass er <strong>von</strong> Fachmännern beurteilt wird. – Im Übrigen<br />
hätte <strong>Schrott</strong>, wie ich bei anderer Gelegenheit aufdecken konnte, mindestens<br />
einen prominenten Möchtegern-Dichter (der aber im Gegensatz<br />
<strong>zu</strong> ihm richtig abgeschrieben hat, obwohl er vermutlich Griechisch<br />
konnte) als Vorläufer. 85<br />
85 Nämlich in Thassilo <strong>von</strong> Scheffer, der für seine ‚Überset<strong>zu</strong>ng’ des Apollonios Rhodios<br />
(Leipzig 1940), vermutlich ohne Einsehen des Originals, lediglich die ältere Überset<strong>zu</strong>ng<br />
Osianders (Stuttgart 1837) ausgeschrieben hat, s. Apollonios <strong>von</strong> Rhodos: Die<br />
Fahrt der Argonauten. Griechisch/Deutsch. Hg., übers. u. komm. <strong>von</strong> <strong>Paul</strong> <strong>Dräger</strong>,<br />
Stuttgart 2002, S. 567; vgl. ‚Frankfurter Allgemeine Zeitung’ vom 27.2.2003, S. 30. Im<br />
Übrigen hat schon Schiller es so gehalten, dessen Griechisch-Kenntnisse gemäß<br />
Selbsteingeständnis ‚ganz ungenügend, eigentlich gleich Null waren’, vgl. J. Latacz:<br />
Schiller und die griechische Tragödie, in: Tragödie. Idee und Transformation. Hg. <strong>von</strong><br />
H. Flashar, Stuttgart (Colloquium Rauricum; 5), 1997, (S. 235-257) S. 236-238. In der<br />
Tat konnten nur wenige unserer Klassiker wirklich Griechisch (<strong>zu</strong> ihrer Zeit war ja<br />
Griechisch noch die Dienerin der Theologie, sprich: des Neuen Testaments); gerade dadurch<br />
haben sie jedoch die gymnasiale (auch heute noch nicht gänzlich abgetötete)<br />
Griechisch-Konjunktur seit den Humboldtschen Bildungsreformen anfangs des 19.<br />
Jahrhunderts evoziert. Sich heute noch, 200 Jahre weiter, als Rettungsring gerade auf<br />
sie <strong>zu</strong> berufen (was <strong>Schrott</strong> <strong>zu</strong><strong>zu</strong>trauen ist) wäre also ein grobes Missverständnis. Die<br />
gegenwärtige Bildungspolitik legt freilich den Verdacht nahe, dass man es nur <strong>zu</strong> gern<br />
sähe, wenn wir wieder auf den Griechisch-Kenntnisstand vor der Begründung der<br />
Klassischen Philologie durch F. A. Wolf 1787 <strong>zu</strong>rückfielen – <strong>zu</strong>m Besten der herrschenden<br />
bildungsfernen Massen‚kultur’.<br />
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