Paul Dräger zu:* Homer, Ilias. Übertragen von Raoul Schrott ...
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<strong>Paul</strong> <strong>Dräger</strong> <strong>zu</strong>:<br />
Werk in der uns vorliegenden Form sich an nordionische 97 Landsleute<br />
richtete, die in friedlicher Zusammenarbeit mit nichtgriechischen,<br />
den Thrakern verwandten Lokalherrschern die Landschaft<br />
zwischen Idagebirge und Hellespont mit ihren reichen Naturschätzen<br />
an Wild, Bauholz und Metallen erschlossen und die da<strong>zu</strong><br />
durch Erinnerung an das Wirken ihrer Vorfahren in derselben<br />
Landschaft ermuntert werden sollten?“<br />
Auf jeden Fall erregte der Dichter, indem er Kenntnis der Pflanzen und<br />
Tiere auch bei diesen Hörern voraussetzt und somit den alten epischen<br />
Stoff durch Einbindung in ihre Welt aktualisierte, das Interesse des<br />
Publikums und zog es in seinen Bann; und die in ihrer Erwartungshaltung<br />
nicht enttäuschten Rezipienten merkten an den (noch heute) verifizierbaren<br />
Hinweisen auf Landmarken, Pflanzen und Tiere (einschließlich<br />
der Avifauna: Vogel Kymindis), dass der Dichter keine ‚Lehnstuhl-<br />
Botanik bzw. -Zoologie’ betreibt, sondern Landeskenner 98 und somit als<br />
῞Οµηρος α�τ�πτης im weitesten Sinne einer der Ihren ist (dessen Wirkungsabsichten<br />
durch topographische Überprüfbarkeit sie qua auktorialer<br />
Hörer-Lenkung unbemerkt erlagen): Wo<strong>zu</strong> hätte er sonst dem Lokalkolorit<br />
so viel Raum gewidmet? Es wäre mehr als ein Wunder, wenn<br />
sich dieses einheitliche Gesamtkonzept eins <strong>zu</strong> eins <strong>von</strong> der Troas auf<br />
Kilikien überstülpen ließe bzw. – so <strong>Schrott</strong>s Hintertür und Ausweichthese<br />
– wenn der in assyrischen Diensten stehende griechische Schreiber<br />
<strong>Homer</strong> ausreichende Ortskenntnisse über die Troas besessen hätte,<br />
99 eine Landschaft, die <strong>zu</strong>dem angeblich Kilikien ähnlich gewesen<br />
sei. 100<br />
97 Viel wichtiger als das immer hier genannte Smyrna (das auch Wachter [wie Anm.<br />
96] S. 318 Anm. 5 Kolophon vorzieht) ist das etwas südlicher der Linie Chios-Smyrna<br />
gelegene, archäologisch kaum erforschte Kolophon (das immerhin mit Mimnermos<br />
und Nikander große Dichter hervorgebracht hat) oder das etwas nördlicher gelegene<br />
Phokaia.<br />
98 Herzhoffs Kritik (Flußkatalog [wie Anm. 65] S. 108 Anm. 26) trifft neben dem BK<br />
somit unausgesprochen auch <strong>Schrott</strong>: „Bis in die neueste Literatur werden homerische<br />
Tier- und Pflanzennamen falsch übersetzt, so daß das Verständnis für die Feinheiten<br />
des Lokalkolorits zerstört und der Blick auf die dichterische Meisterschaft der<br />
Hörerlenkung getrübt wird. So wird etwa in dem neuen Baseler Gesamtkommentar �ηγ�ς<br />
immer noch falsch mit ‚Buche’ übersetzt ([F. Graf in:] Latacz 2000 [Prolegomena],<br />
125 [jetzt richtig „Eiche“ Komm. Bd. 4, 2008, S. 87, <strong>zu</strong> 6,237], vgl. dagegen Herzhoff<br />
1990 [Phegos], 257-272 sowie dens., Art. ‚Eiche’, in: DNP 3, Stuttgart 1997, 904f.).“<br />
Dasselbe gilt u.a. für das Phytonym λωτ�ς (2,776: „Klee“, da<strong>zu</strong> Komm. S. 252, ohne<br />
Kenntnis Herzhoffs: „eine typische Wiesen- und Futterpflanze, wohl eine Art Klee“).<br />
99 Vgl. „<strong>Homer</strong>s Heimat“ S. 55: „Daß <strong>Homer</strong> grundsätzlich über die allgemeine Topographie<br />
der Troas Bescheid gewußt hat, ist unbestreitbar. Die Details seiner Beschreibungen<br />
lassen sich jedoch bloß sehr oberflächlich mit der Landschaft und den Ergebnissen<br />
der Archäologie in Verbindung bringen“; S. 62: „<strong>Homer</strong>s Ortskenntnisse waren<br />
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