Paul Dräger zu:* Homer, Ilias. Übertragen von Raoul Schrott ...
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<strong>Raoul</strong> <strong>Schrott</strong>: <strong>Homer</strong>, <strong>Ilias</strong> und <strong>Homer</strong>s Heimat<br />
Eunuch in einer auf dem heutigen Káratepe gelegenen assyrischen Residenz-Kanzlei<br />
gewesen, der – mit Ortskenntnissen der Troas ausgestattet<br />
– seine Epen unter Verwertung des alten Troia-Sagenstoffes vornehmlich<br />
aus orientalischen Quellen, wie dem Gilgamesch-Epos, aus<br />
diversen orientalischen Erzählungen und Dokumenten sowie aus zeitgeschichtlichen<br />
assyrischen Ereignisabläufen kompiliert habe. 6 Aufgebaut<br />
wird diese Nonsens-These auf der Annahme, die Insel Zypern sei<br />
Namensgeberin der ‚Zypriotischen Geschichten’ (so versteht <strong>Schrott</strong><br />
fälschlich das griechische ‚Kypria’), und mit diesen sei die ganze Troia-<br />
Geschichte in das Zypern gegenüberliegende Kilikien gelangt („<strong>Homer</strong>s<br />
Heimat“ S. 84-93; vgl. schon S. 13, 16f., 18f.).<br />
Diese Spekulation lässt sich mit einem einzigen Satz erledigen: Nach<br />
uralter Vermutung erhielten die Kyprien ihren Titel (der im Griechischen<br />
lediglich ‚Kyprisches’ bedeutet) <strong>von</strong> jemandem, der die Dominanz<br />
der (auf Kypros geborenen) Kypris = Aphrodite (man zähle einmal ihre<br />
Erwähnungen bereits in Proklos’ Kurz-Paraphrase!) im Kausalgefüge<br />
erkannt hat; 7 die Insel Zypern hat also – ebenso wie Kilikien – mit dem<br />
Troia-Stoff gar nichts <strong>zu</strong> tun (die einzige Erwähnung Zyperns in der <strong>Ilias</strong><br />
[11,21] besagt, die Kunde des bevorstehenden Achaier-Heeres<strong>zu</strong>ges<br />
gegen Troia sei [sogar] bis nach Kypros gedrungen [!]; Kilikien kommt in<br />
der <strong>Ilias</strong> überhaupt nicht vor; die ‚Kilikes’ in 6,397. 415 leben im Umkreis<br />
der südlichen Troas, s. die Kommentare). – Gegen diese ganze Kilikien-Phantasterei<br />
ist <strong>von</strong> Fachwissenschaftlern in den deutschsprachigen<br />
Medien <strong>von</strong> Skepsis bis <strong>zu</strong>r Verhöhnung im Jahre 2008 bereits<br />
ausgiebig – aus Platzmangel allerdings nur oberflächlich – protestiert<br />
worden. In der vorliegenden Besprechung der <strong>Ilias</strong>-‚Übertragung’ wird<br />
bar würde (sonst wäre sie ja keine Intention) – doch solche Spuren sind in Wahrheit in<br />
der gesamten <strong>Ilias</strong> nicht <strong>zu</strong> finden, sondern werden <strong>von</strong> <strong>Schrott</strong> hineinphantasiert. Im<br />
Gegenteil: Alles an der uns vorliegenden <strong>Ilias</strong> ist ‚Dardanellen-troianisch’; ein Hineinschmuggeln<br />
anderer Gebiete (welcher auch immer: Kilikien oder Baltikum, s. sogleich)<br />
wäre für keinen Hörer / Leser in Antike oder Neuzeit jemals erkennbar gewesen, so<br />
dass eine ‚Projektion’ eben nicht beabsichtigt gewesen sein kann, die These mithin völlig<br />
aus der Luft gegriffen ist – wie die vorhergehende, erstmals 2002 publizierte ‚Veni,<br />
vidi, vinci-Schwachsinns-These’, Troia habe im Baltikum gelegen (Omero nel Baltico.<br />
Saggio sulla geografia omerica by Felice Vinci, 5th edition, Rome 2008.<br />
6 Vgl. dagegen die „Stellungnahme der Ausstellungsleitung <strong>zu</strong> den Thesen <strong>von</strong> <strong>Raoul</strong><br />
<strong>Schrott</strong>“ (Handzettel der Ausstellung ‚HOMER. Der Mythos <strong>von</strong> Troia in Dichtung und<br />
Kunst’, Antikenmuseum Basel, 16.03. – 17.08.2008) sowie abschließend und <strong>zu</strong>sammenfassend<br />
J. Schlömann, ‚Süddeutsche Zeitung’ vom 8. März 2008.<br />
7 Jac. Perizonius, Cl. Aeliani [...] varia historia, Leiden 1701, <strong>zu</strong> Varia historia 9,15<br />
(<strong>von</strong> Kannicht, der die Erklärung fast 300 Jahre später [1979, engl. 1982] für sich und<br />
Karl Schefold beansprucht, <strong>zu</strong>nächst übergangen; in Richard Kannicht: ‚Paradeigmata’<br />
[Aufsätze <strong>zu</strong>r griechischen Poesie], Heidelberg 1996, S. 58 Anm. 19 jedoch ergänzt),<br />
s. Joachim Latacz: Kypria, Der Neue <strong>Paul</strong>y 6, Stuttgart 1999, Sp. 983f.<br />
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