wd Frühling 2022
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REISEN | SÜDTIROL<br />
Klein aber fein –<br />
seit über 70 Jahren!<br />
Das Spinnradl in St. Leonhard in Passeier<br />
Franz Haller steht in der Werkstatt vor einer surrenden Kardiermaschine.<br />
Das Gerät richtet die Schafwolle, genauer all<br />
ihre einzelnen Haare, in ein und derselben Richtung aus,<br />
was den nächsten Arbeitsschritt erleichtert: Das Spinnen.<br />
Auch das geschieht mithilfe einer alten, historisch anmutenden<br />
Maschine, die gleich nebenan steht. Längst gäbe<br />
es ja neue, viel effizientere Maschinen, aber davon will man<br />
hier im Passeiertal nichts wissen. Warum, erklärt mir Franziska<br />
Haller während einer kleinen Führung durch den Familienbetrieb.<br />
Ihr Großvater war es, der 1948 die Spinnerei eröffnete. Mutig genug<br />
investierte er in Maschinen und Geräte, die bis zum heutigen<br />
Tage nicht nur noch immer die gleichen sind, sondern sogar<br />
noch an derselben Stelle stehen wie damals. Das wenige Licht,<br />
das durch die Fenster in den Innenraum und somit auch auf<br />
Franz Hallers Arbeit strahlt, es ist also das gleiche wie schon vor<br />
siebzig Jahren. Es scheinen tatsächlich die Uhren stehen geblieben<br />
zu sein. Und allein das zeugt schon von der großen Liebe,<br />
welche die Familie Haller in ihre Arbeit steckt. Allein das ist dafür<br />
verantwortlich, dass es das Spinnradl heute überhaupt noch<br />
gibt. Denn hätte Franziska, die jüngste von insgesamt vier Geschwistern,<br />
den Betrieb nicht übernommen, gäbe es ihn heute<br />
nicht mehr. Die junge Südtirolerin aber hat schon mit Mitte zwanzig<br />
die Geschäftsführung übernommen. Weil sie ihrem Vater ohnehin<br />
oft unter die Arme gegriffen hat – und sie es nicht hätte mit<br />
ansehen können, wie sich die Arbeit zweier Generationen einfach<br />
in Luft auflöst.<br />
„Das war die richtige Entscheidung“, lacht sie mir da entgegen<br />
und zeigt stolz, was im Spinnradl entsteht: Maßangefertigte<br />
„Jangger“. Die traditionellen Jacken aus der Wolle der hiesigen<br />
Bergschafe gehören nach Südtirol wie Schlutzkrapfen und<br />
Schüttelbrot. Früher, weil die Kleidungsstücke einfach unheimlich<br />
robust waren und überall ihre Verwendung fanden – ganz egal<br />
ob nun beim Skifahren, oder der Arbeit auf dem Hof. Mit der Zeit<br />
hat sich das geändert, erklärt mir Franziska. Als ihr Großvater die<br />
Spinnerei eröffnete, nach dem Krieg, als der Tourismus langsam<br />
aufkam und die Menschen mehr Geld hatten, gewann die Tradition,<br />
die alte Tracht, wieder an Wert. Heute hat jeder im Passeiertal<br />
einen „Psairer Sarner“, der auch wieder im Alltag, vor allem<br />
aber zu feierlichen Anlässen getragen wird. Daneben entstehen<br />
in der Werkstatt noch jede Menge weiterer Artikel. Mützen, Stirnbänder,<br />
Socken und Accessoires. >>><br />
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