wd Frühling 2022
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REISEN | SÜDTIROL<br />
Woher die Wolle stammt, frage ich Franziska mit Blick<br />
auf das farblich sortierte Naturprodukt, welches den<br />
Raum mit einem ganz eigenartigen Duft einhüllt. „Na,<br />
von hier“, lautet die Antwort. Die Schafzucht hat im<br />
Passeiertal nämlich schon eine ziemlich lange Tradition,<br />
weswegen Franziskas Lieferanten in der gesamten<br />
Region verteilt sind. Meist sind das ebenso kleine<br />
Familienbetriebe wie das Spinnradl, teils sogar mit nur<br />
sechs oder sieben Schafen.<br />
Vor Ort wird die angelieferte Wolle zuerst sortiert,<br />
dann gewaschen, kardiert und gesponnen. Man<br />
kann also im Spinnradl Verkaufsgeschäft, welches<br />
sich nur wenige Straßen von der Werkstatt entfernt<br />
befindet, auch einfach nur ein Knäuel Wolle kaufen –<br />
meist in den üblichen Naturfarben: weiß, graumeliert<br />
und naturschwarz. Natürlich aber wird die selbstproduzierte<br />
Strickwolle auch an der Strickmaschine<br />
verstrickt. Diese Maschine ist genau so alt wie ihre<br />
Nachbarn, merkt Franziska an, leiste aber noch immer<br />
einen guten Dienst. Aus den so gestrickten Teilen, werden<br />
dann Einzelteile geschnitten, die Ränder vernäht<br />
und der Verschnitt für die kleinen Accessoires verwendet.<br />
So findet fast jeder Zentimeter Garn eine Verwendung<br />
in der Werkstatt. Nur was wirklich zu klein für<br />
eine sinnvolle Weiterverarbeitung ist, wird verschenkt.<br />
Beispielsweise an Schulen, die mit der Wolle Puppen<br />
ausstopfen oder andere kreative Ideen realisieren.<br />
Wenn die Tradition und das Handwerk aktuell wieder<br />
vermehrt wertgeschätzt werden, bestehe da<br />
nicht der Drang nach einer Expansion, will ich von<br />
Franziska wissen. Sie aber schüttelt den Kopf. Das<br />
Spinnradl ist das was vor uns steht. So war es schon<br />
immer. Und so soll es auch bleiben. Da spielt natürlich<br />
schon eine gute Portion Nostalgie und Alpenromantik<br />
mit, es gäbe aber auch praktische Gründe,<br />
so Franziska. Neue Maschinen sind zwar effizienter<br />
und können vollautomatisch betrieben werden,<br />
ohne dass ständig eine Arbeitskraft dabei sein<br />
muss. Doch die Geräte haben auch einen entscheidenden<br />
Nachteil: Die Wolle muss davor oft chemisch<br />
gereinigt werden, damit das Lanolin, das natürliche<br />
Fett des Tieres die Geräte nicht verklebt. Möchte<br />
man aber auf aggressive Chemie verzichten, was<br />
übrigens ein qualitativ hochwertigeres Endprodukt<br />
ermöglicht, da das Fett ganz besonders vorteilhafte<br />
Eigenschaften aufweist, müssen die Geräte regelmäßig<br />
aufwändig gereinigt werden.<br />
Mit dem Lanolin haben die alten Maschinen in der<br />
Werkstatt des Spinnradls jedoch kein Problem. Sie arbeiten<br />
wie eh und je. Zwar etwas langsamer und mit<br />
größerem Aufwand, dafür aber mit dem gewünschten,<br />
hochwertigen Ergebnis. So wie es Franziska und<br />
ihren Kunden am liebsten ist. Naturnahe, ohne Chemie,<br />
nachhaltig und mit regionaler Wolle. Außerdem,<br />
so sagt sie noch, seien die Maschinen mit der Wolle,<br />
die im Tal produziert wird, ohnehin schon ausgelastet.<br />
Und um von außerhalb Wolle zuzukaufen, dafür habe<br />
Franziska schließlich nicht den Familienbetrieb ihres<br />
Vaters übernommen.<br />
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