Editorial - Quickborn. Vereinigung für niederdeutsche Sprache und ...
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Rezensionen<br />
Kleidung der Akteure in gewisser Weise<br />
auf Siebziger- oder Achtziger-Jahre<br />
gestimmt waren, wirkte diese Atmosphäre<br />
beklemmend echt. Die beiden<br />
achtzehnjährigen Hauptdarsteller Olav<br />
Grube („Momme“) <strong>und</strong> Sandro de Brito<br />
Soares („Hannes“) spielten beide<br />
konzentriert <strong>und</strong> sehr überzeugend.<br />
Beide waren absolut „In“ der Rolle, sie<br />
schienen die Zuschauer gar nicht wahrzunehmen.<br />
„Momme“ zeigte <strong>für</strong> einen<br />
so jugendlichen Darsteller unglaubliche<br />
Wandlungsfähigkeit vom anerkannten,<br />
geliebten Dorf-Charmeur <strong>und</strong><br />
Muttersöhnchen hin zum an sich selbst<br />
zweifelnden, schwankenden, verliebten<br />
<strong>und</strong> schließlich verzweifelt kämpfenden<br />
jungen Mann. Und „Hannes“<br />
war ein sehr sympathischer, vorsichtiger,<br />
niemals aggressiver, verständnisvoller<br />
<strong>und</strong> immer voll konzentrierter,<br />
durchaus rational denkender <strong>und</strong> handelnder<br />
Partner <strong>für</strong> Momme. Auch die<br />
erwachsenen Rollen waren eindrucksvoll<br />
besetzt. Die hilflose Mutter (Ursel<br />
Blohm) ... der geschockte, engstirnige<br />
Vater (Klaus Decker) ... der eindimensionale<br />
Altbauer (Gerold Bruns), der<br />
eigentlich w<strong>und</strong>erbar in jeden plattdeutschen<br />
Schwank passen würde, hier<br />
aber – dumpf plattdeutsch agierend –<br />
eine schwere, tragische Handlungskette<br />
in Gang setzen musste. Es tat dem<br />
Stück auch sehr gut, dass die Dialoge<br />
<strong>und</strong> Szenen sehr präzise, manchmal nur<br />
kurz <strong>und</strong> in Andeutungen ausgeführt<br />
waren. So traten niemals Längen auf,<br />
die Zuschauer mussten selber weiterdenken<br />
– man war immer gebannt <strong>und</strong><br />
gespannt! Ich habe lange nicht eine so<br />
„spannende“ <strong>niederdeutsche</strong> Aufführung<br />
gesehen. Das „Mitleiden“ des<br />
Publikums – im aristotelischen Sinne –<br />
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in der großen Braker Aula der Berufsschule<br />
war geradezu schmerzlich zu<br />
spüren. Das lag auch sicherlich an der<br />
authentischen Besetzung der Jugendrollen<br />
durch die gut geschulten Mitglieder<br />
der Jugendgruppe der Niederdeutschen<br />
Bühne Brake unter der Anleitung<br />
von Frau Heike Scharf – <strong>und</strong><br />
auch an den gut besetzten erwachsenen<br />
plattdeutschen Dorffiguren. Auch<br />
die Rolle der „Beate“ als einer unglücklich<br />
in „Momme“ verliebten jungen<br />
Frau wurde hervorragend von<br />
Lena Czerny gespielt.<br />
Das Plattdeutsche passte völlig reibungslos<br />
in die Handlung <strong>und</strong> das Personengerüst<br />
dieses sogenannten „Problemstücks“.<br />
Beim Niederdeutschen<br />
störte mich nur ein bisschen, dass die<br />
Anpassung an das Hochdeutsche<br />
manchmal etwas zu nah war. Manche<br />
Wendungen hätte man auch noch besser<br />
<strong>und</strong> genauer plattdeutsch umschreiben<br />
können (z.B. „faken“ <strong>für</strong><br />
„oft“). Aber das lag wohl auch an der<br />
Vorlage.<br />
Insgesamt also: eine sehenswerte,<br />
sorgfältig geplante <strong>und</strong> realisierte<br />
Aufführung der ND-Bühne in Brake –<br />
wobei noch anzumerken ist: eigentlich<br />
war dies ja gar keine „Jugendtheater-<br />
Aufführung“ sondern eine ganz „normale“,<br />
gute Aufführung der NDB Brake<br />
mit zwei talentierten Jugendlichen<br />
in den Hauptrollen <strong>und</strong> mehreren gut<br />
besetzten weiteren Jugendrollen.<br />
Niederdeutsche Bühne Brake: „Düsse<br />
letzte Sommer“, Norddeutsche<br />
Tragödie in 13 Szenen, von Jan van<br />
Straaten, Inszenierung: Heike Scharf<br />
a.G. Premiere am 28.03.2008.<br />
Erhard Brüchert