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Günter Reuel<br />
Wie erwirbt der Schüler Finanzkompetenz und warum?<br />
Wir haben uns daran gewöhnt, dass der Schüler nicht mehr Bruchrechnen lernt, sondern mathematische<br />
Kompetenz erwirbt. Lerntheoretisch blieb das Problem unverändert, aber die<br />
Terminologie ist der Mode gefolgt. Was ist nun unter Finanzkompetenz zu verstehen? Doch<br />
nicht nur ein Synonym für das alte „Geld zählen“.<br />
Der Beitrag von dem Kollegen Wolfgang Weng im Heft 24 des Arbeitslehre-Journals ließ<br />
offen, wie Finanzkompetenz als Lernziel der Arbeitslehre in das Fach integriert werden<br />
könnte. Deshalb seien hier ein paar Gedanken zur Diskussion gestellt.<br />
Der Kompetenzbegriff hat etwas mit Handlungsfähigkeit zu tun. Ob jemand etwas gelernt hat,<br />
erkennt man einzig und allein an seinen Handlungen. Das Reproduzieren von Texten, eine in<br />
Schulen verbreitete Pflichtübung, ist kein zuverlässiger Indikator für Gelerntes. Also muss der<br />
Erwerber von Finanzkompetenz mit Finanzen „handeln“ können. Aber was sind Finanzen?<br />
Früher war der Begriff identisch mit „Geld“. In braven Wirtschaftskundebüchern der Wirtschaftswunder-Zeit<br />
liest man, Geld sei ein universelles Tauschmittel, könne dem Konsum<br />
zugeführt oder gespart werden. Beim Sparen wurde unterschieden zwischen Vorsorgesparen<br />
(falls Notfälle eintreten) und dem Kapitalertragssparen (Geld vermehrt sich über den Zins).<br />
Alle waren damit zufrieden bis die 68er kamen und - marxistisch geschult - verkündeten, das<br />
Kapital „hecke“ den Mehrwert, der eigentlich den Arbeitern zustünde. Die Schüler waren<br />
verhältnismäßig uninteressiert und beließen es bei flapsigen Bemerkungen: „Bevor Sie uns<br />
hier den ganzen Scheiß über Geld erzählen, würde ich gerne welches haben“.<br />
Geld ist also offenbar ein Begriff von vorgestern. Man darf auch nicht vergessen, dass nach<br />
dem zweiten Weltkrieg nur wenige Menschen ein Girokonto hatten. Münzen und Geldscheine<br />
waren vorherrschend. Mit dem Buchgeld kam dann die Versuchung, ein Konto zu „überziehen“,<br />
was heutigen Tages viele Schuldenerberater in Lohn und Brot bringt.<br />
Bevor wir weiterfragen, was denn nun Finanzkompetenz sei, beschäftigen wir uns mit „Finanzdienstleistern“<br />
und „Finanzprodukten“. Traditionell sind Dienstleister keine Produzenten<br />
und umgekehrt. Im Finanzmilieu ist das jedoch kein Widerspruch. Finanzdienstleister produzieren<br />
angeblich etwas. Als der Begriff Finanzdienstleister noch nicht im Duden stand, gab es<br />
schon Banken. Von diesen bemerkte Bert Brecht: „Was ist die Beraubung einer Bank gegen<br />
die Eröffnung einer Bank“.<br />
Fast ein Jahrhundert später sind Banken nicht zu moralischen Lichtgestalten geworden, im<br />
Gegenteil: Bankenskandale häufen sich, die Topmanager raffen in die eigene Tasche und entlassen<br />
Tausende. Vielleicht ist deshalb der Name „Bank“ angeschmuddelt und wurde durch<br />
Finanzdienstleister ersetzt – das hört sich vertrauenswürdig an.<br />
Wir setzen mal Banken und Finanzdienstleister in eins, dass es noch ein paar andere „Finanzdienstleister“<br />
gibt, etwa Versicherungen, Brokerhäuser und Pfandleihen, ist richtig, aber marginal.<br />
Forum Arbeitslehre Heft 1 - November 2008<br />
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