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ne und dem Umweltbewußtsein der ökologischon Krise in prägnanter Weise auf den Punkt<br />
gebracht: „Die Moderne ist der Traum von der Beherrschung der Natur, der in der Umweltkrise<br />
zu einem bösen Erwachen führt, da dieser Begriff nichts anderes formuliert als die limitierende<br />
Herrschaft der Natur über den Menschen.“<br />
Vor dreißig Jahren war das heute jedem geläufige Wort „Umweltschutz“ noch in keinem<br />
deutschen Wörterbuch zu finden. Die Worterfindung scheint ein Werk der deutschen Bürokratie<br />
zu sein. Nach dem erfolgreichen Wahlkampf 1969, in dem die Vision vom „Blauen<br />
Himmel über dem Ruhrgebiet“ eine Rolle spielte, beschloss die sozialliberale Regierung unter<br />
Willy Brandt im Herbst des gleichen Jahres die Gründung einer Abteilung im Innenministerium,<br />
die sich mit Wasserwirtschaft, Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmschutz befassen<br />
sollte. Der neu ernannte Minister Hans Dietrich Genscher bat den Abteilungsleiter um<br />
einen Namensvorschlag. Hierbei setzte sich der Vorschlag eines Beamten durch, den damals<br />
in den Vereinigten Staaten bereits gebräuchlichen Begriff „environmental protection“ als<br />
„Umweltschutz“ zu übersetzen.<br />
Die für alle Menschen sinnlich erfahrbaren Erfolge des Umweltschutzes vor allem auf den<br />
Gebieten der Luft- und Wasserreinhaltung haben die sich seit drei Jahrzehnten vollziehende<br />
Substitution des Begriffs Natur durch den Begriff Umwelt forciert. Trotz dieser vordergründigen<br />
Erfolge des Umweltschutzes wird zunehmend bewusst, dass die Umweltproblematik größer<br />
statt kleiner geworden ist; aus lokalen wurden globale Umweltprobleme, sinnlich nicht<br />
unmittelbar erfahrbare Umweltphänomene wie Treibhauseffekt und Ozonschichtzerstörung<br />
gefährden zunehmend die natürlichen Lebensgrundlagen. Zum Indikator für diese weltweite<br />
Bedrohung wurde der galoppierende Verlust an biologischer Vielfalt.<br />
Obwohl Natur und Umwelt oft noch in einem Atem genannt werden, läuft der Begriff der<br />
Umwelt dem der Natur seit drei Jahrzehnten den Rang ab. Es scheint an dem Symbolgehalt<br />
und der metaphorischen Kraft der Naturvorstellung zu liegen, dass in der öffentlichen Rede<br />
noch nicht völlig auf den Naturbegriff verzichtet wird. Andererseits hat im Verdrängungswettbewerb<br />
der Begriffe derjenige der Natur entscheidend an Aussagekraft verloren.<br />
In den sechziger und siebziger Jahren war das Wort Umwelt zu einem technologie-, gesellschafts-<br />
und zivilisationskritischen Begriff in den westlichen Industrienationen geworden. Der<br />
Begriff stand gegen die Verharmlosung und den Missbrauch gefahrbringender Technik. War<br />
Umwelt anfangs ein negativ belasteter, beunruhigender Begriff, so vollzog sich in den Folgejahren<br />
aufgrund der Erfolge des Umweltschutzes ein Imagewandel. Durch Wortschöpfungen<br />
wie „umweltfreundlich“, „umweltverträglich“ und „umweltbewahrend“ resultierte eine beschwichtigende<br />
und beruhigende Wirkung. Mit „umweltfreundlichen“ Produkten ließ sich<br />
Wirtschaftswachstum forcieren, und durch Umweltschutz entstanden mehr und mehr Arbeitsplätze.<br />
Dieser bewusst durch Politik und Wirtschaft herbeigeführte Imagewandel des Begriffs<br />
Umwelt trug bei zur weiteren Substitution von Natur.<br />
In einer Glosse über „Umweltschutz – Total“ resümierte Karl-Heinz Loske 1979: „Nur wenige<br />
Begriffe sind in der Vergangenheit so falsch interpretiert worden und werden in der Gegenwart<br />
so gezielt missbraucht, dass sie letzten Endes einer völligen Begriffsverwirrung zum<br />
Opfer fallen, wie die Worte Natur- und Umweltschutz. Alles, was das eigene Befinden verbessert<br />
und die persönliche Situation aufpoliert, läuft unter dem Motto Umweltschutz. Ziel ist<br />
dabei fast immer, wirtschaftliche Interessen auch vor einem sich immer stärker formierenden<br />
Umweltbewusstsein zu rechtfertigen. Der Begriff Umweltschutz wird unterlaufen, ausgehöhlt<br />
und schließlich, je nach Bedarf, zum eigenen Vorteil umfunktioniert. Das geht so weit, dass es<br />
schwerfällt, nicht von Vergewaltigung zu sprechen.“<br />
Die Übertragung des aus der Biologie entlehnten Umweltbegriffes auf den Menschen haben<br />
vor allem Kulturwissenschaftler als problematisch beschrieben, weil diese Übertragung als<br />
Forum Arbeitslehre Heft 1 - November 2008<br />
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