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Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

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Subjekte zu setzen <strong>und</strong> zu behaupten. Die Neue Frauenliteratur entstand aus dem Bedürfnis vieler Frauen, an die<br />

Öffentlichkeit zu treten, um ihre subjektiven Erfahrungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>von</strong> Männern gemachten Gesellschaft, die sie<br />

aus dem öffentlichen Leben ausgrenzen will, mitzuteilen <strong>und</strong> ihren Platz <strong>in</strong> der Geschichte <strong>und</strong> Kultur<br />

e<strong>in</strong>zufordern. 23 Öffentlich das Wort zu ergreifen wird zu e<strong>in</strong>em politischen Akt, mit dem Frauen e<strong>in</strong>en<br />

Statusstatus für sich beanspruchen. Die Bedeutung dieser Prise de Parole – so der Titel e<strong>in</strong>es Artikels aus der<br />

radikalfem<strong>in</strong>istischen Zeitschrift Le torchon brûle <strong>von</strong> 1971 24 – zeigt sich schon im Titel zahlreicher Texte aus<br />

dieser Zeit: Parole de Femme 25 , Les mots pour le dire 26 , Les voleuses de langue 27 , Les parleuses 28 , Les mots et<br />

les femmes. 29<br />

Mit e<strong>in</strong>er Auswahl an <strong>Texten</strong> aus der Neuen Frauenliteratur soll im folgenden e<strong>in</strong> Bezugsrahmen für die Analyse<br />

der <strong>weibliche</strong>n Subjektentwürfe bei <strong>Leslie</strong> Kaplan hergestellt werden. Ausgewählt habe ich solche Texte bzw.<br />

Textsorten, die mir repräsentativ für das Schreiben <strong>von</strong> Frauen <strong>in</strong> dieser Zeit ersche<strong>in</strong>en, das s<strong>in</strong>d die<br />

sogenannten ‚Selbstf<strong>in</strong>dungstexte‘ auf der e<strong>in</strong>en <strong>und</strong> die experimentellen Texte auf der anderen Seite. Die<br />

Unterscheidung der beiden Textsorten mache ich an dem Kriterium der Sprachauffassung fest, d.h. der<br />

Vorstellung vom Verhältnis zwischen Sprache <strong>und</strong> Wirklichkeit, das sich <strong>in</strong> den <strong>Texten</strong> manifestiert. Mit dieser<br />

Unterteilung der Neuen Frauenliteratur folge ich den e<strong>in</strong>schlägigen Untersuchungen der Sek<strong>und</strong>ärliteratur. 30<br />

Danach zeichnen sich die wahlweise als „Selbstf<strong>in</strong>dungstexte“, „Selbsterfahrungstexte“, „Erlebnis- <strong>und</strong><br />

Erfahrungsberichte“ 31 benannten Texte, die nach ihrer soziokulturellen Funktion <strong>in</strong>nerhalb der Frauenbewegung<br />

auch als „Verständigungstexte“ 32 bezeichnet werden, 33 durch e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge „Skepsis gegenüber der Sprache als<br />

Mittel der Repräsentation <strong>von</strong> Wirklichkeit“ aus. 34 Für die andere Sorte <strong>von</strong> <strong>Texten</strong> gibt es <strong>in</strong> der genannten<br />

Sek<strong>und</strong>ärliteratur ke<strong>in</strong>en eigenen Begriff. Als Hauptvertreter<strong>in</strong> dieser ‚experimentellen Literatur‘, wie ich sie im<br />

folgenden bezeichne, gilt Hélène Cixous. Sie geht im Unterschied zu den Autor<strong>in</strong>nen der Selbstf<strong>in</strong>dungstexte<br />

23 Vgl. Burmeister (1985), S.1634.<br />

24 Der Artikel ist abgedruckt <strong>in</strong> Maïté Albistur / Daniel Armogathe: Le grief des femmes. Anthologie de textes<br />

fém<strong>in</strong>istes (1978), Bd.2, S.298.<br />

25 E<strong>in</strong> literarischer Text <strong>von</strong> Annie Leclerc (1975), der <strong>weibliche</strong> Körpererfahrungen wie Menstruation,<br />

Schwangerschaft, Gebären <strong>und</strong> Stillen thematisiert.<br />

26 Marie Card<strong>in</strong>al (1975) erzählt dar<strong>in</strong> ihre Krankheit <strong>und</strong> ihre Ges<strong>und</strong>ung mit Hilfe e<strong>in</strong>er psychoanalytischen<br />

Therapie.<br />

27 Claud<strong>in</strong>e Herrmann zeigt <strong>in</strong> dieser Studie, wie literarische, historische <strong>und</strong> juristische Texte versuchen,<br />

Frauen den Zugang zum öffentlichen Sprechen zu verstellen (1976).<br />

28 E<strong>in</strong> Gespräch zwischen Marguerite Duras <strong>und</strong> Xavière Gauthier (1974).<br />

29 E<strong>in</strong>e l<strong>in</strong>guistische Studie <strong>von</strong> Mar<strong>in</strong>a Yaguello, die sich mit der Darstellung <strong>von</strong> Frauen <strong>in</strong> der Sprache befaßt<br />

(1978). Zur Bedeutung dieser Titel vgl. auch Burmeister (1985), S.1647, Fn.18 <strong>und</strong> Françoise Rossum: „Sur<br />

quelques aspects de l’écriture fém<strong>in</strong><strong>in</strong>e en France aujourd’hui“ (1979), S.217.<br />

30 Hierzu zähle ich die Studien <strong>von</strong> Burmeister (1985), Heymann (1991), Evelyne Keitel: „Frauen, Texte,<br />

Theorie. Aspekte e<strong>in</strong>es problematischen Verhältnisses“ (1983) <strong>und</strong> Kar<strong>in</strong> Richter-Schröder: Frauenliteratur<br />

<strong>und</strong> <strong>weibliche</strong> Identität: theoretische Ansätze zu e<strong>in</strong>er <strong>weibliche</strong>n Ästhetik <strong>und</strong> zur Entwicklung der neuen<br />

deutschen Frauenliteratur (1986).<br />

31 Diese Begriffe klassifizieren die Texte nach ihrem Inhalt; sie f<strong>in</strong>den sich bei Burmeister (1985), Richter-<br />

Schröder (1986) <strong>und</strong> bei Elvira Mueller: Frauen zwischen ‘Nicht-mehr’ <strong>und</strong> ‘Noch-nicht’. Weibliche<br />

Entwicklungsprozesse <strong>in</strong> der Literatur <strong>von</strong> Autor<strong>in</strong>nen zwischen 1975 <strong>und</strong> 1990 (1994).<br />

32 Diesen Begriff prägte Evelyne Keitel, vgl. „Frauen, Texte, Theorie. Aspekte e<strong>in</strong>es problematischen<br />

Verhältnisses“ (1983) <strong>und</strong> dies.: Psychopathographien. Die Vermittlung psychotischer Phänomene durch<br />

Literatur (1986).<br />

33 Diesem Sektor können zugeordnet werden: Marie Card<strong>in</strong>al: Les mots pour le dire (1975), Emma Santos: j’ai<br />

tué emma s., (1976), Victoria Thérame: Hosto Blues, (1974) <strong>und</strong> La dame au bidule (1976), Annie Ernaux:<br />

Les armoires vides, (1972); vgl. Heymann (1991), S.31-34. Weitere Autor<strong>in</strong>nen nennt Graziella Auburt<strong>in</strong>:<br />

Tendenzen der zeitgenössischen Frauenliteratur <strong>in</strong> Frankreich (1979). Als Prototyp des Selbstf<strong>in</strong>dungstextes<br />

<strong>in</strong> der deutschen Frauenliteratur gilt Verena Stefans Roman Häutungen <strong>von</strong> 1975.<br />

34 Heymann (1991) S.38.<br />

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