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Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

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Herrschaftsanspruchs. Um nicht selbst <strong>in</strong> diese Art <strong>von</strong> Machtausübung verwickelt zu werden, verzichten sie auf<br />

e<strong>in</strong>e formale Ausarbeitung ihrer Texte <strong>und</strong> wählen e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Sprache. Clédat beschreibt diese aus der für<br />

große Teile der Frauenbewegung charakteristischen Haltung <strong>in</strong> ihrer Auswirkung auf die Selbsterfahrungs-<br />

literatur:<br />

La volonté de laisser couler la langue comme coulent le sang, le lait, af<strong>in</strong> de se dégager d’un rapport de<br />

maîtrise ressenti comme mascul<strong>in</strong> <strong>in</strong>duit l’abandon de formes travaillées au profit d’une simplicité<br />

mimant le flot du parler des conversations quotidiennes, <strong>in</strong>times, par où, de tous temps, quelque chose de<br />

la vie des femmes a échappé à la Loi. 174<br />

Clédat kritisiert, daß die Autor<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>fache, sche<strong>in</strong>bar natürlicher Formen wählen, die die alltäglichen <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong>timen Gespräche <strong>von</strong> Frauen nachahmen sollen. Damit würden sie die kulturellen Zuordnungen wiederholen,<br />

die Frauen mit Natürlichkeit <strong>und</strong> E<strong>in</strong>fachheit <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung br<strong>in</strong>gen. Die sche<strong>in</strong>bar spontane, natürliche<br />

Schreibweise reproduziert <strong>in</strong> der Perspektive <strong>von</strong> Clédats berechtigter Kritik also genau jene Zuschreibungen der<br />

patriarchalen Gesellschaft, die Frauen mit Natur assoziieren <strong>und</strong> sie damit gleichzeitig auf kulturell als<br />

m<strong>in</strong>derwertig e<strong>in</strong>gestuften Tätigkeiten verweist, während die hochbewerteten geistigen Arbeiten den Männern<br />

vorbehalten s<strong>in</strong>d. Die Autor<strong>in</strong>nen besetzen somit freiwillig die marg<strong>in</strong>ale Position, die ihnen <strong>in</strong> der Kultur schon<br />

lange zugewiesen ist, <strong>und</strong> sie stützen unbeabsichtigt jene Machtverhältnisse, deren Abschaffung sie sich<br />

vorgenommen haben.<br />

Bei Hélène Cixous, e<strong>in</strong>er Vertreter<strong>in</strong> der experimentellen Literatur, s<strong>in</strong>d die Begriffe Macht <strong>und</strong> Machtausübung<br />

ebenfalls zugleich männlich <strong>und</strong> negativ konnotiert. Maîtrise ist das Schlüsselwort, das e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Theorien <strong>und</strong><br />

Diskursen be<strong>in</strong>haltete <strong>und</strong> traditionell <strong>von</strong> Männern monopolisierte Machtposition bezeichnet. Cixous verwendet<br />

die Begriffe ‚Theorie‘ <strong>und</strong> ‚Diskurs‘ weitgehend gleichbedeutend, 175 me<strong>in</strong>t mit Diskurs aber speziell auch noch<br />

die Rede e<strong>in</strong>es (männlichen) Subjekts aus e<strong>in</strong>er Machtposition heraus. 176 ‚Diskurs‘ ließe sich also aus der<br />

Perspektive <strong>von</strong> Cixous <strong>und</strong> der fem<strong>in</strong>istischen Kritik <strong>in</strong>sgesamt def<strong>in</strong>ieren als e<strong>in</strong>e Rede mit systemtragender<br />

Funktion, die das männliche Herrschaftssystem repräsentiert <strong>und</strong> reproduziert.<br />

Das <strong>in</strong> Theorien <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> der Philosophie 177 hergestellte Wissen ist nach Cixous e<strong>in</strong> „Komplize der<br />

Macht“. In der folgenden Argumentation, die als exemplarisch für die fem<strong>in</strong>istische Kritik gelten kann, stellt<br />

Cixous e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung her zwischen Wissen (savoir), Macht (pouvoir) <strong>und</strong> Herrschaft (maîtrise):<br />

Il faut [...] expliquer [...] ce que tout travail de savoir entraîne comme charge de pouvoir: faire apparaître<br />

à quel po<strong>in</strong>t, dans la culture, le savoir est toujours complice du pouvoir; que celui qui est à la place du<br />

savoir est toujours en tra<strong>in</strong> de faire un bénéfice de pouvoir [...] Prenez les philosophes, prenez leur<br />

position de maîtrise... 178<br />

Cixous argumentiert, daß Theorien, <strong>in</strong>dem sie e<strong>in</strong> Wissen produzieren, symbolische Macht ausüben. Das Wissen<br />

wird hergestellt, <strong>in</strong>dem e<strong>in</strong> Gegenstand vere<strong>in</strong>nahmt <strong>und</strong> def<strong>in</strong>itorisch festgelegt wird:<br />

The master’s discourse (discours de maîtrise), the philosophical discourse, is a way of speak<strong>in</strong>g and<br />

th<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g which tends to appropriate an external reality (un dehors), to circumscribe it, to label and<br />

174<br />

Clédat (1982), S.20; „La Loi“ ist zu verstehen als Anspielung auf die symbolische Gesellschaftsordnung, die<br />

vom „Gesetz des Vaters“ wie es <strong>in</strong> Lacans psychoanalytischem Diskurs heißt, bestimmt ist.<br />

175<br />

So im folgenden Beispiel, wo die „Theorie der Kultur“ <strong>und</strong> der „kulturelle Diskurs“ bedeutungsgleich<br />

ersche<strong>in</strong>en: „En fait toute la théorie de la Culture, toute la théorie de la société, tout l’ensemble des systèmes<br />

symboliques [...] tout est organisé à partir d’oppositions hiérarchisées qui renvoient à l’opposition<br />

homme/femme, laquelle ne se soutient que d’une différence posée comme ‘naturelle’ par le discours<br />

culturel...” (Cixous: „le sexe ou la tête?“, 1976, S.7).<br />

176<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne spricht sie dann <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em „discours du maître“ (<strong>in</strong>: Françoise Coll<strong>in</strong>: „quelques questions à<br />

hélène cixous“ (1976), S.19.<br />

177<br />

Der Philosophie kommt bei Cixous e<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung zu, weil sie alles Denken strukturiere. Vgl.<br />

„Schreiben, Fem<strong>in</strong>ität, Veränderung“ (1976), S.135.<br />

178<br />

Cixous: „le sexe ou la tête“ (1976), S.12.<br />

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