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Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

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In ihrem Bestreben, <strong>weibliche</strong> <strong>Subjektivität</strong> nicht als Rückbezug auf sich selbst zu bestimmen, sondern als<br />

Fähigkeit aus sich herauszutreten <strong>und</strong> sich auf andere e<strong>in</strong>zulassen, entwirft Cixous e<strong>in</strong> <strong>weibliche</strong>s Subjekt, das<br />

sich <strong>in</strong> lustvoller Selbstauflösung <strong>in</strong> alle möglichen Anderen versetzen kann:<br />

Hétérogène, oui, à son bénéfice joyeux elle est érogène, elle est l’érogénéité de l’hétérogène; ce n’est pas<br />

à elle-même qu’elle tient, la nageuse aérienne, la voleuse. Dispersable, prodique, étourdissante, désireuse<br />

et capable d’autre, de l’autre femme qu’elle sera, de l’autre femme qu’elle n’est pas, de lui, de toi. 129<br />

E<strong>in</strong> Wortspiel mit den ähnlich kl<strong>in</strong>genden Signifikanten hétérogène <strong>und</strong> érogène assoziiert deren Signifikate <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Weise, die Heterogenität positiv konnotiert. Die Une<strong>in</strong>heitlichkeit des Subjekts wird als Eigenschaft<br />

entworfen, die Genuß verspricht – im Unterschied zu der nach E<strong>in</strong>heit strebenden <strong>Subjektivität</strong>, die <strong>von</strong><br />

ständiger Verlustangst geplagt wird. 130<br />

Das <strong>weibliche</strong> Ich <strong>in</strong> Cixous’ <strong>Texten</strong> identifiziert sich mit Vorliebe mit mythischen, biblischen <strong>und</strong> historischen<br />

Frauenfiguren. 131 Toril Moi beschreibt Cixous’ Strategie folgendermaßen: „Indem es alle möglichen<br />

Subjektpositionen beansprucht, kann sich das sprechende Subjekt tatsächlich stolz zum ‘<strong>weibliche</strong>n Plural’ 132<br />

erklären...“ 133 Die Durchlässigkeit se<strong>in</strong>er Grenzen ermöglicht es dem <strong>weibliche</strong>n Ich, sich als kosmisches<br />

Subjekt zu phantasieren:<br />

Mondial mon <strong>in</strong>conscient, mondial mon corps. Ce qui se passe à l’extérieur se passe à l’<strong>in</strong>térieur. Je suis<br />

moi-même la terre, tout ce qui s’y passe, les vies qui m’y vivent sous mes formes différentes... 134<br />

Cixous’ Neigung, e<strong>in</strong> allumfassendes, universales <strong>weibliche</strong>s Subjekt zu setzen, läßt sich als Gegenmodell zu der<br />

Theorie Lacans versteht, <strong>in</strong> der die Position des universalen Subjekt nur vom Mann e<strong>in</strong>genommen werden kann,<br />

wie L<strong>in</strong>dhoff feststellt: „Denn das männliche Subjekt ist das Subjekt des Diskurses überhaupt; der<br />

abendländische Diskurs ist e<strong>in</strong> männlicher Diskurs, aus dem die Frau ausgeschlossen ist. Die Frau ist daher <strong>in</strong><br />

ihrem Wesen ‘nicht-universal’.“ 135<br />

Lustvolle Selbstauflösung <strong>und</strong> grenzenlose Identifikationsfähigkeit zu Qualitäten e<strong>in</strong>es <strong>weibliche</strong>n Subjekts zu<br />

erklären ist jedoch nicht unproblematisch, denn e<strong>in</strong> solcher Entwurf führt abermals zu jenem Zustand <strong>weibliche</strong>r<br />

Subjektlosigkeit, den Cixous eigentlich überw<strong>in</strong>den möchte. Auf diesen Aspekt komme ich im Zusammenhang<br />

mit Cixous’ fiktionalen <strong>Texten</strong> zurück, deren Subjektentwurf nun vorgestellt werden soll.<br />

2.2. Das <strong>weibliche</strong> Subjekt <strong>in</strong> Cixous’ fiktionalen <strong>Texten</strong><br />

Am Auffälligsten an Cixous’ fiktionalen <strong>Texten</strong> ist ihre Form, die Heymann wie folgt beschreibt:<br />

Traditionelle Elemente des Romans s<strong>in</strong>d be<strong>in</strong>ahe gänzlich verschw<strong>und</strong>en; <strong>und</strong> gerade die Abwesenheit<br />

<strong>von</strong> Fabel, Ort, Zeit, Figuren, erzählerischer Instanz etc. ist es, die e<strong>in</strong>e neue diskursive E<strong>in</strong>heit der Texte<br />

ermöglicht. Nicht der episodische, narrative Zusammenhang, sondern Bilder, Morphologie, Syntax,<br />

Rhythmus, Komposition – Effekte also, die eng mit der Materialität der Sprache verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d, bilden<br />

den, wenn auch häufig schwer nachvollziehbaren, textuellen Zusammenhalt. 136<br />

Diese Ausführungen machen deutlich, daß Cixous – im Unterschied zu den Autor<strong>in</strong>nen der Selbstf<strong>in</strong>dungstexte –<br />

ke<strong>in</strong>e traditionellen literarischen Gattungen benutzt. Vielmehr versucht Cixous, neue literarische <strong>und</strong> sprachliche<br />

129<br />

Cixous: „Le rire de la Méduse“ (1975), S.51.<br />

130<br />

Vgl. Moi (1989), S.132.<br />

131<br />

Vgl. Moi (1989), S.137f. Cixous imag<strong>in</strong>iert sich beispielsweise als Dora, e<strong>in</strong>er Hysterie-Patient<strong>in</strong> Freuds:<br />

„Die Hysteriker<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d me<strong>in</strong>e Schwestern. Als Dora war ich all diejenigen, die sie verkörpert.“<br />

(„Schreiben, Fem<strong>in</strong>ität, Veränderung“, 1976, S.147; ohne Angaben zum Orig<strong>in</strong>altext).<br />

132<br />

In „La venue à l’écriture“ (1979) ist die Rede <strong>von</strong> „un fém<strong>in</strong><strong>in</strong> pluriel comme moi“, S.53.<br />

133<br />

Moi (1989), S.137.<br />

134<br />

Cixous: „La venue à l’écriture“ (1977), S.52f.<br />

135<br />

L<strong>in</strong>dhoff (1995), S.85.<br />

136<br />

Heymann (1991), S.37.<br />

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