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Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

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hors temps, sous le ciel de l’us<strong>in</strong>e“ (106) suggeriert, daß jeder Lebensbereich – auch die arbeitsfreie Zeit – <strong>von</strong><br />

‚der Fabrik‘ e<strong>in</strong>geholt werden, daß es nirgendwo e<strong>in</strong> Entkommen aus dem Fabrikuniversum gibt.<br />

Der Inhalt der Kreise ergibt ke<strong>in</strong>e Chronologie. Die <strong>von</strong> der Arbeit <strong>in</strong> der Fabrik bestimmten Wahrnehmungs-<br />

<strong>und</strong> Erfahrungsmuster werden an unterschiedlichen Orten <strong>und</strong> zu verschiedenen Tages- <strong>und</strong> Jahreszeiten, die<br />

nicht chronologisch aufe<strong>in</strong>ander folgen, vorgeführt. Abgesehen vom ersten Kreis, der die Fabrikwelt vorstellt,<br />

<strong>und</strong> dem letzten Kreis, der abschließend noch e<strong>in</strong>mal vorführt, daß ‚die Fabrik‘ das ganze Leben beherrscht,<br />

sche<strong>in</strong>en die Teile des Textes relativ austauschbar, gerade weil sie weder <strong>in</strong>haltliche Veränderungen noch<br />

Veränderungen <strong>in</strong> der Zeit bezeichnen. Metaphorisch gesprochen ließe sich höchstens sagen, daß die Abschnitte<br />

immer größere Kreise ziehen, d.h. e<strong>in</strong> größeres topographisches Umfeld e<strong>in</strong>beziehen, ohne <strong>in</strong>haltlich Neues<br />

anzubieten. Das Aufgreifen der immer gleichen Wahrnehmungsfragmente an unterschiedlichen Orten <strong>und</strong> Zeiten<br />

dehnt den Erlebniszustand ‚Fabrik‘ <strong>in</strong>s Unendliche aus, bzw. suggeriert die potentielle Grenzenlosigkeit dieser<br />

Erfahrung.<br />

Die Struktur des Textes bee<strong>in</strong>flußt auch die emotionale Lektürehaltung der LeserIn. Die Kreisstruktur legt e<strong>in</strong>e<br />

Rezeption nahe, die der <strong>von</strong> musikalischen Werken ähnelt, so die <strong>von</strong> Renate Kroll entwickelte These, die kurz<br />

referiert werden soll. 349 Kroll erkennt <strong>in</strong> der formalen <strong>und</strong> <strong>in</strong>haltlichen Kreisstruktur <strong>von</strong> L’excès-l’us<strong>in</strong>e<br />

Ähnlichkeiten zu Werken der Musik. Das Fortschreiten <strong>in</strong> Kreisen sei vergleichbar mit der für musikalische<br />

Kompositionen typischen zirkulären Struktur, die sich <strong>von</strong> der <strong>in</strong> der Literatur vorherrschenden l<strong>in</strong>earen Struktur<br />

unterscheide: „Das ‘Zirkulieren’, das E<strong>in</strong>-Kreisen des Themas verweist auf e<strong>in</strong>e gerade <strong>in</strong> der Musik<br />

eigentümliche (variable) Dynamik.“ 350 Die ästhetische Wirkung dieser Darstellungsform <strong>in</strong> Kreisstruktur sei die<br />

e<strong>in</strong>es „Mit-Erlebens“ 351 .<br />

Was der Text die LeserIn miterleben läßt, ist vor allem das Gefühl der sich endlos ziehenden Zeit. Dies soll an<br />

der folgenden Passage verdeutlicht werden, die sich über drei Seiten erstreckt, wo<strong>von</strong> jede nur etwa zur Hälfte<br />

bedruckt ist. Die vielen Leerzeilen ziehen den Text <strong>in</strong> die Länge, was schon optisch e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck <strong>von</strong><br />

Endlosigkeit vermittelt; dieser E<strong>in</strong>druck wird <strong>in</strong>tensiviert durch zahlreiche Wiederholungen, die den Text<br />

<strong>in</strong>haltlich nicht voranbr<strong>in</strong>gen, sondern ihn sozusagen auf der Stelle treten lassen.<br />

On entre dans la cour.<br />

Dans un co<strong>in</strong>, les escaliers. Les escaliers sont en fer, fragiles.<br />

Là-haut, la chaîne est suspendue.<br />

On monte.<br />

Les escaliers sont fragiles. Le fer, quelle misère.<br />

Le pied est sur la marche, ple<strong>in</strong> ciel. Le fer est si m<strong>in</strong>ce.<br />

On monte. Celle devant a une gabard<strong>in</strong>e.<br />

On monte. Les sexes sont séparés.<br />

café à une table, sous les arcades. Les lignes de la façade sont si simples, si harmonieuses, et une nostalgie<br />

très ancienne serre le cœur et l’air. / On est assise, on boit. Autour, les pierres roses. L’air est léger,<br />

transparent, presque liquide. Au-dessus le ciel, rigide et bleu, comme un carton.“ (105).<br />

349 Kroll: „‘Schreiben bis zum Nicht-mehr-Sprechen des Autors’. Zur ‘Musikähnlichkeit’ <strong>von</strong> ‘L’excès-l’us<strong>in</strong>e’<br />

der <strong>Leslie</strong> Kaplan“ (1995).<br />

350 Kroll (1995), S.328f.<br />

351 Kroll (1995), S.328.<br />

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