14.01.2013 Aufrufe

Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>er Produktions- <strong>und</strong> Arbeitsstätte, obwohl sich alles <strong>in</strong>nerhalb der Fabrik <strong>in</strong> ständiger Bewegung<br />

bef<strong>in</strong>det: „De la chaîne on voit tout. / Tout rentre, tout rentre sans cesse.“ (23); „On circule...“ (11; 14); „On va,<br />

on vient.“ (13). Arbeitsvorgänge s<strong>in</strong>d so ungenau skizziert, daß die Arbeit als unspezifisches Tun, nicht als<br />

produktive Tätigkeit ersche<strong>in</strong>t.<br />

Die Arbeiten werden weder ausführlich beschrieben, noch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gesamtzusammenhang dargestellt, sondern<br />

nur stichwortartig benannt, oft mit e<strong>in</strong>em so allgeme<strong>in</strong> gehaltenen Vokabular, daß die Art der Arbeit nicht<br />

identifiziert werden kann. Exemplarisch hierfür ist das häufig verwendete Verb faire: „On fait des câbles près de<br />

la fenêtre. Les câbles ont beaucoup de couleurs, on les enroule en circuits.“ (13) Ohne die Angabe, daß die Kabel<br />

aufgerollt werden, bliebe die mit faire bezeichnete Tätigkeit völlig unbestimmt. E<strong>in</strong>erseits konkretisiert die<br />

zusätzliche Information zwar die Art der Arbeit, andererseits verh<strong>in</strong>dert sie auch die Vorstellung, es könne sich<br />

bei der mit faire bezeichneten Tätigkeit um e<strong>in</strong>e produktive <strong>und</strong> zielgerichtete Arbeit handeln. Da die Funktion<br />

des Kabel-Aufrollens <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Produktionsprozesses nicht genannt wird, erhält die Tätigkeit ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n.<br />

Dieser E<strong>in</strong>druck wird zusätzlich evoziert dadurch, daß Zweck <strong>und</strong> Nutzen der Tätigkeit nicht genannt s<strong>in</strong>d, wohl<br />

aber das Aussehen der Kabel. Diese <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em ersichtlichen funktionalen Zusammenhang mit der Arbeit<br />

stehende Information erhält grammatikalisch denselben Stellenwert wie die Skizzierung der Arbeit. In dem Satz<br />

„Les câbles ont beaucoup de couleurs, on les enroule en circuits“ haben also alle Angaben denselben Status; e<strong>in</strong>e<br />

Unterscheidung <strong>in</strong> Wichtiges <strong>und</strong> Nebensächliches, wie sie <strong>in</strong> Satzstrukturen mit Haupt- <strong>und</strong> Nebensätzen<br />

vorhanden ist, wird hier nicht getroffen. Wenn die ‚Beschreibung‘ des Arbeitsvorgangs <strong>und</strong> die willkürlich <strong>und</strong><br />

unmotiviert ersche<strong>in</strong>ende ‚Beschreibung‘ des Aussehens des Arbeitsmaterials dieselbe Wichtigkeit oder<br />

Unwichtigkeit haben, wirkt dies befremdlich, weil die Arbeit damit nicht als zweckgerichtete, produktive<br />

Tätigkeit, sondern als s<strong>in</strong>nfreies, zufälliges Tun ersche<strong>in</strong>t.<br />

Gänzlich abstrakt bleibt die Tätigkeit, wenn sie nur mit dem Verb faire benannt wird, „A l’<strong>in</strong>térieur de l’us<strong>in</strong>e,<br />

on fait sans arrêt.“ (11) 380 In dieser Zeile vom Anfang des Textes deutet sich schon der Entwurf der Arbeit als<br />

e<strong>in</strong> endloses, unspezifisches Tun an. Unspezifisch ersche<strong>in</strong>t die Arbeit, weil sie mit semantisch sehr allgeme<strong>in</strong><br />

gehaltenen Verben bezeichnet wird <strong>und</strong> weil diese Verben zudem häufig ohne Objekt stehen, so daß sich die im<br />

Verb ausgesagte Tätigkeit nicht auf e<strong>in</strong>en Gegenstand richtet. Mit Hilfe des Verbs faire werden somit<br />

unterschiedliche Arbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Allgeme<strong>in</strong>heit evoziert, die sie e<strong>in</strong>er konkreten Vorstellung entzieht.<br />

Zu den Stilmitteln, die die Arbeit entwirklichen, gehört neben den unspezifischen, absolut gebrauchten Verben,<br />

sowie der fehlenden Angabe des Zwecks, auch der weitgehende Verzicht auf die Nennung <strong>von</strong> Werkzeugen, mit<br />

denen gearbeitet wird. S<strong>in</strong>d sie ausnahmsweise doch e<strong>in</strong>mal genannt, dann mit e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>en Vokabular<br />

<strong>und</strong> ohne Angaben zu ihrer Anwendung:<br />

Petite table, violente et dure. Il y a des <strong>in</strong>struments.<br />

On fait. Les <strong>in</strong>struments sont tout petits. (96)<br />

Jedes Element steht isoliert für sich, so daß hier überhaupt ke<strong>in</strong> Arbeitsvorgang mehr skizziert ist. Arbeit erhält<br />

somit den Ansche<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es abstrakten, unwirklichen Tuns.<br />

Diese <strong>und</strong> ähnliche Sätze – „Elle ne s’arrête pas, elle cogne“ (30) – s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>haltlich so allgeme<strong>in</strong> <strong>und</strong> vage, daß sie<br />

für sich genommen nicht mehr als Arbeits‘beschreibung’ verstehbar s<strong>in</strong>d. Erst aus dem Kontext heraus wird<br />

deutlich, daß sie Arbeiten <strong>in</strong> der Fabrik bezeichnen.<br />

Gelegentlich ist die Art der Tätigkeit mit e<strong>in</strong>em Oberbegriff etwas genauer angegeben, so bspw. „On monte une<br />

380 Weitere Beispiele S.95, 96.<br />

66

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!