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Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

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nicht als Individuen identifizierbar, <strong>und</strong> es gibt weder Handlung noch Ereignisse <strong>und</strong> vor allem auch ke<strong>in</strong>e<br />

Erzähl<strong>in</strong>stanz, die das Fabrikuniversum aus irgende<strong>in</strong>er Perspektive verstehbar macht.<br />

L<strong>in</strong>harts Text hatte offensichtlich ke<strong>in</strong>e formal ästhetische Vorbildfunktion für L’excès-l’us<strong>in</strong>e. Se<strong>in</strong>e Bedeutung<br />

ist wohl eher dar<strong>in</strong> zu sehen, daß er Kaplan an ihr eigenes Scheitern er<strong>in</strong>nert, ihr vielleicht noch e<strong>in</strong>mal zu<br />

Bewußtse<strong>in</strong> br<strong>in</strong>gt, daß die Machtstrukturen der Fabrik stärker waren als die Diskurse der politisch Engagierten.<br />

Kaplan schreibt ihren Text zum Thema Fabrik ohne die Verwendung <strong>von</strong> Erklärungsmodellen, was me<strong>in</strong>er<br />

Ansicht nach dafür spricht, daß sie damit auch ihre Erfahrung der Unwirksamkeit <strong>von</strong> Diskursen <strong>in</strong> den<br />

Fabrikhallen verarbeitet hat.<br />

Ihr Text soll jedoch nicht verstanden werden als direkter Ausdruck dieser Erfahrung. Vielmehr gehe ich mit<br />

Bourdieu da<strong>von</strong> aus, daß diese Erfahrungen e<strong>in</strong> Teil der <strong>in</strong>dividuellen Disposition der Autor<strong>in</strong> bilden. Diese<br />

gehen zwar <strong>in</strong> die literaturästhetische Position e<strong>in</strong>, determ<strong>in</strong>ieren diese aber nicht direkt, sondern vermittelt<br />

durch die Mechanismen des literarischen Feldes. Dies zeigt sich im Vergleich mit L<strong>in</strong>hart, der mit ähnlichen<br />

persönlichen Voraussetzungen e<strong>in</strong>e ganz andere Form der Literarisierung se<strong>in</strong>er Erfahrungen gewählt hat. Die<br />

Möglichkeiten <strong>und</strong> Zwänge des literarischen Feldes legten <strong>in</strong> den 70er Jahren offenbar eher e<strong>in</strong>e realistisch-<br />

dokumentarische Form nahe, während Anfang der 80er Jahre e<strong>in</strong>e experimentelle Form, wie sie Kaplan<br />

verwendet, angemessener ersche<strong>in</strong>t. Aus der Perspektive <strong>von</strong> Bourdieus Ansatz heißt dies, daß Kaplans<br />

ästhetische Wahl mehr Aussicht auf literarische Anerkennung verspricht. Kaplan selbst argumentiert <strong>in</strong> ihren<br />

literarischen Selbsterklärungen entsprechend den ungeschriebenen Spielregeln des Feldes nicht mit dem Streben<br />

nach Anerkennung, sondern mit e<strong>in</strong>em Willen zur Innovation literarischer Formen. 325<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n der 80er Jahre hat es e<strong>in</strong> dokumentarischer Selbsterfahrungstext offenbar schwer, veröffentlicht zu<br />

werden. Kaplan reagiert mit ihrer experimentellen Form also auch auf die veränderten Bed<strong>in</strong>gungen im<br />

literarischen Feld, <strong>in</strong>dem sie versucht, neue Möglichkeiten auszuloten. Sie def<strong>in</strong>iert ihr Schreiben, ihre écriture,<br />

womit <strong>in</strong> Frankreich e<strong>in</strong> speziell literarisches, d.h. formal anspruchsvolles Schreiben bezeichnet ist, als<br />

Gegensatz zu discours. In diese Ablehnung <strong>von</strong> Diskursen geht nicht nur ihre persönliche Erfahrung als <strong>in</strong> der<br />

Fabrik gescheiterte Intellektuelle e<strong>in</strong>; zugleich plaziert sie sich damit <strong>in</strong> dem prestigereichen, autonomen Bereich<br />

des literarischen Feldes. Der fiktionale Text L’excès-l’us<strong>in</strong>e <strong>und</strong> die literaturtheoretischen Aussagen <strong>von</strong> Kaplan<br />

können somit verstanden werden als Versuch der Autor<strong>in</strong>, sich im literarischen Feld zu positionieren.<br />

Wer <strong>in</strong>s literarische Feld e<strong>in</strong>tritt, kann bzw. muß sich laut Bourdieu an den dom<strong>in</strong>anten Positionen orientieren,<br />

um sich <strong>in</strong> Anlehnung <strong>und</strong>/oder Abgrenzung <strong>von</strong> diesen e<strong>in</strong>e eigene Position zu schaffen. 326 An der<br />

literaturästhetischen Position <strong>von</strong> Kaplan, die sie sich mit ihren <strong>Texten</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihren Selbstaussagen konstruiert,<br />

<strong>in</strong>teressiert mich vor allem der Bezug zur fem<strong>in</strong>istischen Literatur <strong>und</strong> Kritik. Auf die Probleme der<br />

Selbsterfahrungsliteratur, die sich aus dem Vorrang des Inhalts gegenüber der Form ergeben, reagiert Kaplan, so<br />

me<strong>in</strong>e Argumentation, <strong>in</strong>dem sie die Schreibverfahren <strong>in</strong> den Vordergr<strong>und</strong> ihres literarischen Projektes rückt.<br />

Nachfolgend sollen nun diese Schreibverfahren <strong>in</strong> Kaplans erstem Text, L’excès-l’us<strong>in</strong>e, genauer betrachtet<br />

werden. Daran anschließend werde ich anhand des Diskursbegriffes <strong>von</strong> Kaplan ihr écriture-Konzept erläutern,<br />

das diese Schreibverfahren erklärt.<br />

geängstigten Familien, vor allem durch die geschickt <strong>in</strong>szenierten Kampfstrategien der Arbeitgeber, die mit<br />

Abwerbung, Arbeitsplatzwechsel <strong>und</strong> Bestechung die Rebellen zu Fall br<strong>in</strong>gen.“ (Eichelberg, 1987, S.79f.).<br />

325 Vgl. bspw. Kaplans metaliterarische Erklärungen <strong>in</strong>: „Formen, die zu erf<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d“ (1989).<br />

326 Vgl. Pierre Bourdieu: „Le champ littéraire“ (1991), S.24ff.<br />

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