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Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

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Der folgende Abschnitt geht der Frage nach, wie Kaplan e<strong>in</strong> nichtdiskursives Schreiben bestimmt <strong>und</strong> welche<br />

Konsequenzen dies für ihren Selbstentwurf als Autor<strong>in</strong> <strong>und</strong> darüber h<strong>in</strong>aus für den Entwurf e<strong>in</strong>es schreibenden<br />

Subjekts ganz allgeme<strong>in</strong> be<strong>in</strong>haltet.<br />

2. Schreibprozesse<br />

Wie funktioniert nun Kaplan zufolge e<strong>in</strong>e Schreiben, das nicht mit Diskursen arbeitet, das nicht s<strong>in</strong>nstiftend <strong>und</strong><br />

aneignend se<strong>in</strong> will? Wie stellt Kaplan die Schreibprozesse dar, die auf e<strong>in</strong>e écriture abzielen? Welche Haltung<br />

erfordert e<strong>in</strong> Schreiben jenseits <strong>von</strong> Diskursen, d.h. welche Ansprüche stellt Kaplan an das schreibende Subjekt?<br />

Kaplan lehnt es ab, D<strong>in</strong>ge aus e<strong>in</strong>er Perspektive vorgegebener Bedeutungen darzustellen, d.h. <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er<br />

übergeordneten Position des Wissens aus. Der Verzicht auf e<strong>in</strong>e Haltung, die ihren Gegenstand dom<strong>in</strong>iert, zeigt<br />

sich <strong>in</strong> der Formulierung, mit der Kaplan ihr erstes Projekt beschreibt: „écrire l’us<strong>in</strong>e“ 477 , also „Fabrik<br />

schreiben“, nicht etwa ‚über‘ Fabrik schreiben. Die Verwendung des Verbs écrire ohne Präposition, d.h. gefolgt<br />

vom direkten Objekt, ist im Französischen zwar geläufiger als im Deutschen 478 , ohne deshalb jedoch<br />

bedeutungslos zu se<strong>in</strong>. Insbesondere die fem<strong>in</strong>istische Theorie <strong>und</strong> Kritik der 70er Jahre benutzt die Präposition<br />

sur oder de <strong>in</strong> Zusammenhang mit Verben des Sagens <strong>und</strong> Schreibens, um damit e<strong>in</strong>e dom<strong>in</strong>ante Position des<br />

sprechenden Subjekts <strong>in</strong> Bezug auf den Gegenstand zu bezeichnen. E<strong>in</strong>e solche Position der Dom<strong>in</strong>anz wurde<br />

vor allem deshalb kritisiert, weil sie als Ausdruck e<strong>in</strong>er geschlechtsspezifischen Konstellation <strong>in</strong>nerhalb der<br />

symbolischen Ordnung gesehen wurde, bei der das sprachmächtige Subjekt männlich, das besprochene Objekt<br />

weiblich markiert s<strong>in</strong>d. 479 In den führenden philosophischen Diskursen <strong>von</strong> Platon bis Hegel <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihrer<br />

Fortsetzung, der Psychoanalyse, deckt Irigaray e<strong>in</strong> gr<strong>und</strong>legendes Muster auf: E<strong>in</strong> männliches Subjekt entwirft<br />

sich durch Ausgrenzung <strong>und</strong> Unterdrückung e<strong>in</strong>es weiblich gedachten Anderen. Die Frau im metaphorischen<br />

S<strong>in</strong>n erhält nicht den Status e<strong>in</strong>es Subjekts, sondern dient dem Subjekt als Spiegel für dessen Selbstentwurf. Die<br />

geschlechtsspezifische Markierung der Subjekt- <strong>und</strong> Objektposition ist strukturell, d.h. sie besteht unabhängig<br />

vom Geschlecht der SprecherIn. Deshalb warnt Irigaray die Frauen davor, nun ebenfalls die Machtposition des<br />

sprechenden Subjekts e<strong>in</strong>nehmen <strong>und</strong> endlich selbst e<strong>in</strong>e Theorie des Weiblichen entwickeln zu wollen: das<br />

ändere an der Unterdrückung des Weiblichen im <strong>und</strong> durch den Diskurs nichts.<br />

Il ne s’agit pas, en effet, d’<strong>in</strong>terpréter le fonctionnement du discours en restant dans le même type<br />

d’énoncé que celui qui garantit la cohérence discursive. C’est d’ailleurs le risque de tout propos, de tout<br />

entretien, sur Speculum. Et plus généralement, sur la question de la femme. Car parler de ou sur la femme<br />

peut toujours revenir ou être entendu comme une reprise du fém<strong>in</strong><strong>in</strong> à l’<strong>in</strong>térieur d’une logique qui le<br />

ma<strong>in</strong>tient dans le refoulement, la censure, au mieux la méconnaissance. Autrement dit, l’enjeu n’est pas<br />

d’élaborer une nouvelle théorie dont la femme serait le sujet ou l’objet, mais d’enrayer la mach<strong>in</strong>erie<br />

théorique elle-même, de suspendre sa prétention à la production d’une vérité et d’un sens par trop<br />

univoques. Ce qui suppose que les femmes ne se veuillent pas simplement les égales des hommes dans le<br />

savoir. 480<br />

Irigaray bezeichnet also mit der Präposition sur e<strong>in</strong> hierarchisches Geschlechterverhältnis <strong>in</strong> den<br />

abendländischen Diskursen, <strong>in</strong> denen ‚die Frau‘ die Position des Objekts, ‚der Mann‘ die des Subjekts <strong>in</strong>nehat.<br />

In Reaktion auf die <strong>in</strong> der symbolischen Ordnung konstatierten Machtverhältnisse <strong>und</strong> deren Aufrechterhaltung,<br />

bei der die Philosophie e<strong>in</strong>e führende Rolle hat – „c’est bien le discours philosophique qu’il faut questionner, et<br />

477 Kaplan / Duras (1987), S.111.<br />

478 Schon Gustave Flaubert nannte se<strong>in</strong> literarisches Projekt „bien écrire le médiocre“; zitiert nach Pierre<br />

Bourdieu Les règles de l’art (1992), S.140.<br />

479 Vgl. Luce Irigaray: Speculum (1974).<br />

480 Irigaray: „pouvoir du discours / subord<strong>in</strong>ation du fém<strong>in</strong><strong>in</strong>. Entretien“ (1975), S.36; Hervorhebungen <strong>von</strong><br />

Irigaray.<br />

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