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Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

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des abendländischen Denkens ist, wie Luce Irigaray gezeigt hat, männlich markiert <strong>und</strong> konstituiert sich als<br />

Subjekt, <strong>in</strong>dem es e<strong>in</strong> als weiblich gedachtes Anderes ausschließt <strong>und</strong> unterdrückt. 84 Die <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Diskursen (Philosophie, Wissenschaft, Literatur) zur Verfügung stehende Subjektposition ist immer die e<strong>in</strong>es<br />

implizit männlichen Subjekts. Für Frauen gibt es <strong>in</strong> der symbolischen Ordnung ke<strong>in</strong>en Ort als sprechendes<br />

Subjekt. Das Streben nach e<strong>in</strong>er <strong>weibliche</strong>r <strong>Subjektivität</strong>, die sich an diesem männlichen Subjektmodell<br />

orientiert, muß scheitern, denn:<br />

Vollzog sich historisch die Subjektkonstitution über die Ausgrenzung des ‘Anderen’, u.a. der<br />

Weiblichkeit, so kann sich die Frau nicht <strong>in</strong> den vom männlichen Subjekt entwickelten Äußerungsformen<br />

bewegen, ohne selbst an dieser Ausgrenzung des Weiblichen teilzuhaben. 85<br />

Wenn die Autor<strong>in</strong>nen die Prämissen, des <strong>in</strong> den übernommenen autobiographischer Gattungen transportierten<br />

Subjektmodells nicht reflektieren, führt dies dazu, daß sie sich <strong>in</strong> ihrem Schreiben selbst zum Objekt machen:<br />

Dabei konstituiert die Darstellung der realen Frauen-Opfer zumeist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schreibenden Wiederholung<br />

die Frauen als Objekte der Literatur. 86<br />

Auf die Probleme der <strong>weibliche</strong>n Subjektkonstruktion <strong>in</strong> den Selbstf<strong>in</strong>dungstexten übertragen, heißt dies, daß,<br />

solange die Ich-Erzählung den ideologischen Anforderungen (Darstellung e<strong>in</strong>er <strong>weibliche</strong>n Emanzipation <strong>und</strong><br />

Selbstf<strong>in</strong>dung) <strong>und</strong> strukturellen Erfordernissen autobiographischen Schreibens (Darstellung e<strong>in</strong>er l<strong>in</strong>earen <strong>und</strong><br />

kohärenten Entwicklung, die rückblickend vom geglückten Abschluß ausgehend erzählt wird) unterworfen ist,<br />

der Subjekt-Status der Ich-Erzähler<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Illusion bleibt.<br />

Der ungewollt problematische Entwurf e<strong>in</strong>es <strong>weibliche</strong>n Subjekts <strong>in</strong> Selbstf<strong>in</strong>dungstexten ist me<strong>in</strong>er Ansicht<br />

nach auch im Zusammenhang mit der den <strong>Texten</strong> zugr<strong>und</strong>eliegenden Auffassung vom Verhältnis zwischen<br />

Sprache <strong>und</strong> Wirklichkeit. Zwar s<strong>in</strong>d die Autor<strong>in</strong>nen sehr sensibel gegenüber dem Sexismus der französischen<br />

Sprache. 87 „Dabei wird aber vor allem kritisiert, daß sich <strong>in</strong> der Sprache nahezu ausschließlich e<strong>in</strong>e männliche<br />

Perspektive präsentiert; die Repräsentationsfähigkeit <strong>von</strong> Sprache wird <strong>in</strong> diesen <strong>Texten</strong> kaum <strong>in</strong> Frage gestellt“<br />

stellt Keitel fest. 88 Die Bemühungen der Autor<strong>in</strong>nen zur Reformierung der Sprache beschränken sich auf<br />

Vokabular <strong>und</strong> Zeichensetzung, <strong>in</strong>sbesondere auf die Vermeidung e<strong>in</strong>es frauenfe<strong>in</strong>dlichen Sprachgebrauchs <strong>und</strong><br />

die Kreation e<strong>in</strong>er als adäquat empf<strong>und</strong>enen Metaphorik zur Darstellung <strong>weibliche</strong>r (Körper-)Erfahrung. 89 Die<br />

bestehenden Diskurse werden nicht <strong>von</strong> ihren Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Strukturen her beanstandet, sondern sollen „<strong>von</strong><br />

ihren Entfremdungen gere<strong>in</strong>igt werden <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en <strong>weibliche</strong>n Stempel aufgedrückt bekommen“, so der Vorschlag<br />

<strong>von</strong> Madele<strong>in</strong>e Gagnon. 90 Diese Strategie zeugt – mit Becker formuliert – <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em „naiven Sprachvertrauen,<br />

das die Sprache selbst als Träger <strong>und</strong> Vermittler <strong>von</strong> Denkstrukturen nicht mitreflektiert“. 91<br />

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Sprache <strong>in</strong> den Selbstf<strong>in</strong>dungstexten als unproblematisches Medium<br />

zur Repräsentation <strong>von</strong> Wirklichkeit ersche<strong>in</strong>t, weil diesen <strong>Texten</strong> „e<strong>in</strong> Wirklichkeitsbegriff zugr<strong>und</strong>e liegt, der<br />

84 Vgl. Luce Irigaray: Speculum. Spiegel des anderen Geschlechts (1980). Irigaray untersucht den<br />

Subjektentwurf der philosophischen <strong>und</strong> psychoanalytischen Theorien <strong>von</strong> Platon bis Freud.<br />

85 Weigel (1987), S.95.<br />

86 Weigel (1987), S.145.<br />

87 Vgl. Patzl-Madlo (1991), S.101ff. <strong>und</strong> Auburt<strong>in</strong> (1979), S.15ff.<br />

88 Keitel (1983), S.831.<br />

89 Vgl. Richter-Schröder (1986), S.158. Als Beispiel hierfür kann der Roman Parole de femme <strong>von</strong> Annie<br />

Leclerc gelten, zu dem Françoise Clédat bedauernd anmerkt, daß er zwar den Wortschatz erweitere, die<br />

grammatikalischen Strukturen jedoch unangetastet lasse; vgl. Clédat: „l’écriture du corps“ (1980), S.20.<br />

90 In: Hélène Cixous / Madele<strong>in</strong>e Gagnon / Annie Leclerc: La venue à l’écriture (1977), S.82; zitiert <strong>in</strong><br />

Laurence Enjolras: Femmes écrites. Bilan de deux décennies (1990), S.22; die s<strong>in</strong>ngemäße Übersetzung<br />

stammt <strong>von</strong> mir.<br />

91 Becker (1992), S.71.<br />

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