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Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

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estätigen <strong>in</strong>direkt auch die im Verlagswesen verantwortlichen Frauen, wenn sie sagen, daß sie die<br />

Publikationsstrategie neu ausrichten wollen, bzw. dies schon getan haben, um e<strong>in</strong> „breites Publikum“<br />

anzusprechen:<br />

Je tiens à ce que ma collection résiste à la ‘crise’. [...] Nous publions des ouvrages qui, je l’espère, <strong>von</strong>t<br />

toucher le grand public.<br />

erklärt Danièle Rosadoni. 270 Das gleiche nimmt sich auch Monique Cahen vor: „Je vais publier des ouvrages<br />

plus grand public.“ 271<br />

Wie erklärt sich dieses Des<strong>in</strong>teresse bei den Leser<strong>in</strong>nen? Hatten die zahlreichen Selbsterfahrungstexte, die aus<br />

e<strong>in</strong>em Bedürfnis an „öffentlicher <strong>und</strong> literarischer Repräsentanz <strong>von</strong> Frauen“ <strong>und</strong> ihrem „Wunsch nach<br />

Selbstthematisierung“ 272 entstanden waren, dieses Bedürfnis <strong>in</strong>zwischen gestillt? Besteht <strong>in</strong> der Neuen<br />

Frauenbewegung ke<strong>in</strong> Bedarf mehr an (Selbst-) Verständigungstexten? Wenn deren Leistung dar<strong>in</strong> besteht, daß<br />

sie „den Mangel e<strong>in</strong>er umfassenden, die Frauenbewegung f<strong>und</strong>ierenden Theorie dadurch auszugleichen<br />

[vermögen], daß sie jene konkreten, s<strong>in</strong>nlichen <strong>und</strong> <strong>in</strong>dividuellen Erfahrungen exemplarisch darstellen, über die<br />

sich die Frauenbewegung als politische Kraft konstituiert“ 273 , dann läßt sich fragen, ob die Texte mit der<br />

zunehmenden Institutionalisierung der Frauenbewegung Anfang der 80er Jahre 274 <strong>und</strong> ihrer Mitte der 70er<br />

Jahren beg<strong>in</strong>nenden theoretischen F<strong>und</strong>ierung ihre Funktion als verb<strong>in</strong>dendes, identitätsstiftendes Moment der<br />

Frauenbewegung verloren haben.<br />

Das Bedürfnis nach Mitteilung subjektiver Erfahrungen seitens der Frauen ist wohl noch vorhanden, wie die<br />

oben zitierten Aussagen belegen („Nous rece<strong>von</strong>s toujours beaucoup de manuscrits“), die Sättigungs- <strong>und</strong><br />

Ermüdungsersche<strong>in</strong>ungen treten also bei den Leser<strong>in</strong>nen auf. Offenbar machen sich jetzt die Mängel der<br />

Verständigungstexte bemerkbar.<br />

Der E<strong>in</strong>druck, daß sich die Texte wiederholen, entsteht aufgr<strong>und</strong> ihrer Festlegung auf bestimmte Inhalte bei<br />

gleichzeitigem Fehlen ästhetischer Innovation. Wenn die Neuerung sich auf den Inhalt beschränke, reduziere<br />

sich der Text auf se<strong>in</strong>e Aussage <strong>und</strong> diese könne dann nur noch wiederholt werden, stellt Françoise Clédat<br />

bezüglich der <strong>in</strong> Parole de femme <strong>von</strong> Annie Leclerc beschriebenen <strong>weibliche</strong>n Körpererfahrungen fest:<br />

...la seule orig<strong>in</strong>alité de l’écriture en vient à se réduire à ce qu’elle énonce. L’élan <strong>in</strong>itialement créateur<br />

débouche alors sur une impasse: ce qui du corps ne fait que s’énoncer, une fois énoncé, ne peut qu’être<br />

répété. 275<br />

Auch die für die Neue Frauenliteratur typischen spontan verfaßten Erfahrungsberichte entsprechen Anfang der<br />

80er Jahre nicht mehr den Ansprüchen e<strong>in</strong>er fem<strong>in</strong>istischen Leserschaft. Rosadoni hält daher e<strong>in</strong>en Wandel der<br />

fem<strong>in</strong>istischen Literatur für unbed<strong>in</strong>gt notwendig:<br />

Je reçois près de quarante manuscrits par mois, mais j’avoue être profondément déçu. Trop de textes<br />

écrits sur le vif, peu de réfléxion. Nous sommes ma<strong>in</strong>tenant au temps de l’analyse. Et puis, disons-le, cette<br />

période est une réelle période de ‘transition’ pour les livres fém<strong>in</strong>istes. 276<br />

Wohlgemerkt, Rosadoni spricht sich nicht gegen den Fem<strong>in</strong>ismus aus, sondern gegen die ihrer Ansicht nach<br />

überholten Formen fem<strong>in</strong>istischer Literatur. Auf die Forderung Rosadonis nach e<strong>in</strong>em reflektierteren Schreiben<br />

sche<strong>in</strong>en die Texte <strong>von</strong> <strong>Leslie</strong> Kaplan zu antworten. Oder anders gesagt: <strong>Leslie</strong> Kaplans Texte situieren sich<br />

270<br />

Zitiert <strong>von</strong> Neumann (1984), S.84.<br />

271<br />

Zitiert <strong>von</strong> Neumann (1984), S.84.<br />

272<br />

Sigrid Weigel: Die Stimme der Medusa (1987), S.94.<br />

273<br />

Evelyne Keitel: „Frauen, Texte, Theorie. Aspekte e<strong>in</strong>es problematischen Verhältnisses“ (1983), S.833.<br />

274<br />

Vgl. Christadler (1991), S.127f.<br />

275<br />

Clédat: „l’écriture du corps“ (1982), S.20f.<br />

276<br />

Zitiert <strong>von</strong> Neumann (1984), S.83.<br />

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