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Textstrukturen und weibliche Subjektivität in Texten von Leslie ...

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Deutschlands. Hier hat me<strong>in</strong>er Ansicht nach die im Gefolge der Neuen Frauenbewegung entstandene<br />

fem<strong>in</strong>istische Forschung <strong>und</strong> Kritik zu e<strong>in</strong>er sensibilisierten Wahrnehmung geschlechtsspezifischer Aspekte im<br />

künstlerischen Schaffen geführt – auch wenn ‚Geschlecht‘ fast ausschließlich bei Frauen wahrgenommen wird.<br />

Wie dem auch sei, deutsche Romanisten leiden offensichtlich weniger unter Antifem<strong>in</strong>ismus als ihre<br />

französischen Kollegen, zum<strong>in</strong>dest wenn es um ausländische Autor<strong>in</strong>nen geht, die also im eigenen Feld ke<strong>in</strong>e<br />

Konkurrenz darstellen. Ihr Umgang mit der fem<strong>in</strong>istischen Literatur <strong>und</strong> Kritik Frankreichs ist entspannter <strong>und</strong><br />

sie s<strong>in</strong>d aufgeschlossener gegenüber den Neuersche<strong>in</strong>ungen der 80er Jahre. Dies zeigt sich me<strong>in</strong>er Ansicht nach<br />

auch daran, daß selbst <strong>in</strong> relativ kurzen Übersichten zur französischen Gegenwartsliteratur Hélène Cixous immer<br />

wieder als wichtige Autor<strong>in</strong> genannt wird, wobei auch ihre H<strong>in</strong>wendung zum Theater <strong>in</strong> den 80er Jahren große<br />

Beachtung f<strong>in</strong>det. 251 Die Monographien <strong>von</strong> Asholt <strong>und</strong> Flügge zum französischen Roman der 80er Jahre<br />

besprechen die Texte <strong>von</strong> Autor<strong>in</strong>nen unter verschiedenen Rubriken <strong>und</strong> weisen zusätzlich jeweils e<strong>in</strong> eigenes<br />

Kapitel nur zu Autor<strong>in</strong>nen auf. 252 In dem <strong>von</strong> Asholt herausgegebenen Sammelband 253 zur zeitgenössischen<br />

französischen Literatur beschäftigen sich „Zur Generation der 80er Jahre“ ebensoviele Beiträge mit Autor<strong>in</strong>nen<br />

wie mit Autoren. In den drei Studien zusammengenommen ergibt die Anzahl der vorgestellten Autor<strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />

Autoren e<strong>in</strong> Verhältnis <strong>von</strong> zirka 1:2. Das zeigt, daß <strong>in</strong> deutschen Arbeiten zur französischen<br />

Gegenwartsliteratur Autor<strong>in</strong>nen sehr viel stärker präsent s<strong>in</strong>d als <strong>in</strong> vergleichbaren französischen Publikationen.<br />

E<strong>in</strong> gewisses Unbehagen an dem Klassifikationsmerkmal Geschlecht läßt sich jedoch bei Flügge erkennen, wenn<br />

er betont, daß die <strong>von</strong> ihm unter der Überschrift „Frauenschriften – weder blaß noch blau“ zusammengestellten<br />

Texte sich nicht auf den geme<strong>in</strong>samen Nenner e<strong>in</strong>er „<strong>weibliche</strong> Schreibweise“ br<strong>in</strong>gen lassen:<br />

Autor<strong>in</strong>nen aller Stilrichtungen haben <strong>in</strong> den letzten zwanzig Jahren sämtliche literarische Genres<br />

mitgeprägt, so <strong>in</strong>dividuell unterschiedlich, daß es unmöglich ersche<strong>in</strong>t, e<strong>in</strong> spezifisch <strong>weibliche</strong>s<br />

Schreiben zu def<strong>in</strong>ieren. So sollen die hier porträtierten Autor<strong>in</strong>nen auch je für sich stehen. 254<br />

Der Gefahr e<strong>in</strong>er Reduktion dieser unter e<strong>in</strong>er Rubrik <strong>weibliche</strong>s Schreiben im weitesten S<strong>in</strong>n<br />

zusammengefaßten Texte auf die Geschlechtszugehörigkeit der Autor<strong>in</strong> wirkt Flügge dadurch entgegen, daß er<br />

ihre literarischen Qualitäten <strong>und</strong> Innovationskraft betont. Die französischen Schriftsteller<strong>in</strong>nen werden mit dieser<br />

Vorgehensweise <strong>in</strong>s Rampenlicht gerückt, ihre Geschlechtszugehörigkeit dient jedoch nicht als Ausgangspunkt<br />

für e<strong>in</strong>e Marg<strong>in</strong>alisierung <strong>und</strong> Trivialisierung wie dies <strong>in</strong> Frankreich der Fall ist.<br />

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß <strong>in</strong> Frankreich ‚<strong>weibliche</strong>s Geschlecht‘ auch <strong>in</strong> den 80er Jahren im<br />

literarischen Feld noch mit e<strong>in</strong>em negativen symbolischen Kapital behaftet ist. Die Ausgangssituation <strong>von</strong><br />

Autor<strong>in</strong>nen ist also schlechter als die ihrer männlichen Kollegen. Bei dem hohen Maß an Misogynie im<br />

französischen Literaturbetrieb – aber nicht nur dort 255 – die auch Männer zu spüren bekommen, wenn sie sich<br />

250<br />

Vgl. Br<strong>in</strong>k (1998), die auf Michelle Perrots Artikel: „Le XIXème siècle était-il misogyne?“ verweist, der<br />

publiziert ist <strong>in</strong>: L’histoire 160, (1992), S.32-37.<br />

251<br />

Vgl. Manfred Flügge: „Literarischer Generationswechsel. E<strong>in</strong> Blick auf den Büchermarkt Frankreichs“<br />

(1989), S.379; Re<strong>in</strong>hard Krüger <strong>und</strong> Peter Stolz: „Auch e<strong>in</strong>e Bestandsaufnahme zur französischen<br />

Gegenwartsliteratur <strong>und</strong> zum dialogue <strong>in</strong>terrompu“ (1989), S.21f.; Wolfgang Asholt: „Die Subversion der<br />

Beliebigkeit“ (1991), S.196.<br />

252<br />

Vgl. Asholt: Der französische Roman der achtziger Jahre (1994) mit dem Kapitel: „Experimentelles<br />

<strong>weibliche</strong>s Schreiben“ <strong>und</strong> Flügge: Die Wiederkehr der Spieler. Tendenzen des französischen Romans nach<br />

Sartre (1992), mit dem Kapitel: „Frauenschriften – weder blaß noch blau“.<br />

253<br />

Asholt (Hg.): Intertextualität <strong>und</strong> Subversivität. Studien zur Romanliteratur der achtziger Jahre <strong>in</strong><br />

Frankreich (1994).<br />

254<br />

Flügge (1992), S.113.<br />

255<br />

Die Soziolog<strong>in</strong> Nicole-Claude Mathieu berichtet <strong>von</strong> frauenfe<strong>in</strong>dlichen Ausfällen seitens der Kollegen <strong>und</strong><br />

<strong>von</strong> deren Widerstand gegen fem<strong>in</strong>istische Forschung <strong>und</strong> kommt zu dem Schluß: „Il est à remarquer que le<br />

milieu ‘scientifique’ français est l’un des plus misogynes et antifém<strong>in</strong>istes des pays occidentaux.“ Mathieu:<br />

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