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Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

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Neigung zum Wiederholen, sensorische<br />

Abneigungen, mangelndes Sozial- und<br />

Spielverhalten oder eine rückläufi ge Entwicklung),<br />

woraus sie schließen, dass Autismus<br />

die Hauptdiagnose ist. Dies muss jedoch<br />

nicht unbedingt der Fall sein.<br />

Wenn Autismus nicht die Hauptdiagnose<br />

ist, verkomplizieren solche Verhaltensweisen<br />

die Diagnosestellung und die Behandlung<br />

des störenden Verhaltens.<br />

Zudem gibt es psychiatrische Erkrankungen,<br />

die als Komorbidität zu dem störenden<br />

Verhalten auft reten. Störendes Verhalten<br />

wird leicht erkannt und ist immer<br />

ein Grund zur Besorgnis. Auch physiologische<br />

Eigenschaft en, die durchaus leicht<br />

übersehen werden können, können in komplexen<br />

Fällen einen Hinweis auf eine „psychiatrische<br />

Komponente“ geben.<br />

Ein rigider und infl exibler kognitiver Verhaltensstil<br />

und das Bedürfnis nach Gleichheit<br />

zeigen sich bereits in der Kindheit und<br />

können ein früher Hinweis auf Zwangsstörungen<br />

sein, die sich erst zu einem späteren<br />

Zeitpunkt zeigen werden.<br />

Auch wenn es eher ungewöhnlich ist,<br />

kommt es dennoch vor, dass Reizbarkeit<br />

und schnelle Stimmungsschwankungen<br />

sowie ein geringeres Schlafb edürfnis bei<br />

Schulkindern ein früher Hinweis auf eine<br />

zyklische Störung wie eine bipolare aff ektive<br />

Störung sein können.<br />

Welche medizinischen Faktoren sollten<br />

in Betracht gezogen werden?<br />

Wenn Kinder mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> und<br />

ADHS oder <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> und einer oppositionellen<br />

Verhaltensstörung oder einer<br />

Störung des Sozialverhaltens untersucht<br />

werden, müssen auch mögliche gesundheitliche<br />

Faktoren untersucht und ausgeschlossen<br />

werden. Dazu gehören körperliche<br />

Schmerzen (Magen-Darm-Trakt,<br />

Schmerzen in Hals, Nase oder Ohren, Kopfschmerzen,<br />

muskuloskelettale Schmerzen<br />

sowie Menstruationsbeschwerden),<br />

die Schilddrüsenüberfunktion, Schlafstörungen<br />

oder eine Schlafapnoe und Nebenwirkungen<br />

von Medikamenten (Stimulantien,<br />

Erkältungs- oder Asthmamedikamente<br />

oder auch Koff ein).<br />

Welche Probleme sind aufgrund von<br />

Verhaltensstörungen langfristig zu<br />

erwarten?<br />

Verhaltensstörungen können zur Folge haben,<br />

dass das Kind keine ausreichenden<br />

schulischen Leistungen erbringen kann,<br />

dass es soziale Ablehnung erfährt und in<br />

manchen Fällen in einer restriktiveren<br />

schulischen Umgebung untergebracht werden<br />

muss.<br />

� Es besteht das Risiko, sich selbst oder<br />

andere zu verletzen.<br />

� Andere psychische Störungen wie<br />

Angststörungen, Zwangsstörungen<br />

oder eine bipolare aff ektive Störung<br />

können sich entwickeln.<br />

� Schwierigkeiten können bei körperlichen<br />

Untersuchungen und zahnmedizinischen<br />

Maßnahmen auft reten.<br />

� Chronische, erlernte Verhaltensprobleme<br />

können sich zeigen.<br />

� Kein Ansprechen auf Medikamente<br />

oder Maßnahmen zur Verbesserung des<br />

Verhaltens und der Kommunikation.<br />

� Betreuer werden zunehmend frustriert,<br />

ängstlich und depressiv. Ehe- und Familienprobleme<br />

können die Folge sein.<br />

Wer sollte die Diagnose stellen?<br />

Eltern, Th erapeuten oder Lehrer sind zunächst<br />

aufgrund einer off ensichtlichen Verhaltensstörung<br />

besorgt. Ein Kinderarzt, der<br />

sowohl die Grundversorgung übernimmt<br />

als auch entwicklungs- und verhaltensspezifi<br />

sche Untersuchungen vornimmt, kann<br />

häufi g eine gesicherte Diagnose stellen.<br />

Wenn die ersten Versuche, das Verhalten<br />

zu ändern oder die psychische Störung medizinisch<br />

zu behandeln, nicht erfolgreich<br />

sind, sollte ein Kinderpsychologe hinzugezogen<br />

werden, besonders, wenn deutliche<br />

komplexe physiologische Symptome zu erkennen<br />

sind. Bei der Auswahl eines geeigneten<br />

Kinderpsychologen sollte man vor<br />

allem darauf achten, dass derjenige Erfahrung<br />

mit Untersuchungen von Kindern mit<br />

Entwicklungsverzögerungen und geistigen<br />

Beeinträchtigungen hat.<br />

Was sollten die Eltern tun, wenn eine<br />

Verhaltensstörung vermutet wird?<br />

Sprechen Sie zuerst mit dem Kinderarzt<br />

und bitten Sie ihn um eine Überweisung<br />

zu einem entsprechenden Facharzt, der<br />

Ihr Kind weiter betreuen kann. Das kann<br />

ein Kinderarzt sein, der sich auf entwicklungs-<br />

und verhaltensspezifi sche Bereiche<br />

spezialisiert hat und sich zudem mit den<br />

Besonderheiten beim <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> und<br />

Doppeldiagnosen auskennt, oder ein Kinderpsychiater<br />

oder Verhaltenspsychologe<br />

in einem medizinischen Versorgungszentrum.<br />

Seien Sie darauf gefasst, dass es durchaus<br />

möglich ist, dass verschiedene Ärzte unterschiedliche<br />

Meinungen oder Sichtweisen<br />

� � PSYCHOLOGIE<br />

vertreten und unterschiedliche Vorschläge<br />

machen können, aus denen Sie sich die für<br />

Sie passenden und umsetzbaren Lösungen<br />

heraussuchen müssen. Dies kann während<br />

einer familiären Krise besonders schwierig<br />

sein. Idealerweise arbeiten Sie mit Fachleuten<br />

zusammen, die Ihnen dabei helfen können,<br />

Ihre verschiedenen Möglichkeiten zu<br />

verstehen, zu beurteilen und entsprechende<br />

Prioritäten zu setzen, und die Ihre Bemühungen,<br />

die angebotenen Lösungen so zu<br />

gestalten, dass sie für Ihr Kind am besten<br />

umsetzbar sind, nicht zu kritisch sehen und<br />

auch ihre Kompetenz dadurch nicht in Frage<br />

gestellt sehen.<br />

Was kann man von einer Untersuchung<br />

erwarten?<br />

Bei einer umfassenden Untersuchung sollte<br />

zunächst eine medizinische und entwicklungsspezifi<br />

sche Anamnese des Kindes erstellt<br />

werden. Das Kind sollte in strukturierten<br />

und unstrukturierten sozialen und<br />

Spielsituationen in der Schule und zu Hause<br />

beobachtet werden. Die verschiedenen<br />

Verhaltensweisen sollten anhand einer gängigen<br />

Bewertungsskala systematisch beurteilt<br />

werden.<br />

Auch sind Untersuchungen der kognitiven<br />

Fähigkeiten und der Sprachfähigkeit<br />

sinnvoll, um das funktionelle Niveau des<br />

Kindes zu bestimmen, falls dies noch nicht<br />

bekannt ist.<br />

Ist es überhaupt sinnvoll, die Doppeldiagnose<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> und ADHS<br />

oder <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> und oppositionelle<br />

Verhaltensstörung oder Störung<br />

des Sozialverhaltens zu stellen?<br />

In vielen Fällen bedeutet die Doppeldiagnose,<br />

dass das Kind in der Schule einen Anspruch<br />

auf einen spezialisierteren Umgang<br />

im Unterricht und verhaltenstherapeutische<br />

Maßnahmen hat. Viele Eltern und<br />

Lehrer berichten, dass sie sich erleichtert<br />

fühlen, wenn sie erfahren, dass ein Kind,<br />

das solche Schwierigkeiten hat, eine zweite<br />

Diagnose hat, die seine auff älligen Verhaltensweisen<br />

erklärt.<br />

Was muss anders gemacht werden,<br />

wenn eine Doppeldiagnose gestellt<br />

wird?<br />

Kontaktieren Sie die Schule oder die Frühförderungsstelle<br />

Ihres Kinders und besprechen<br />

Sie einen eventuellen Wechsel in eine<br />

andere Einrichtung oder einen Schulwechsel.<br />

Solche Schritte sind wesentlich und<br />

können positiv zu einer Behandlung der<br />

Verhaltensauff älligkeiten bei Kindern im<br />

Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>58</strong> I <strong>Mai</strong> 2008 13

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