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Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

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� � SPRACHE<br />

Brotstreichen-Marmelade. So erzählt er<br />

von seine Spitalaufenthalten, immer wieder,<br />

und lacht am Schluss, weil die Marmeladenbrote<br />

so fein waren. Oder: Buch-anschauen-Schneeball-werfen-aua<br />

(Das Buch<br />

von Lena mit dem Schneemann anschauen,<br />

da machen die Kinder eine Schneeballschlacht).<br />

Gebärden öff nen neue Welten<br />

Für Roman öff neten sich durch die Gebärden<br />

ganz neue Welten, sonst hätte er bis vor<br />

wenigen Monaten kaum Möglichkeiten gehabt,<br />

sich auszudrücken.<br />

Das schnelle Lernen der Gebärden wurde<br />

vielleicht auch durch seine grobmotorische<br />

Behinderung begünstigt: Er musste<br />

sich einfach irgendwie verständlich<br />

machen, da er erst mit viereinhalb Jahren<br />

gehen gelernt hat. Das bedeutete, dass er<br />

beispielsweise nie in die Küche gehen konnte,<br />

um hochzuklettern und sich selbst etwas<br />

zum Essen zu holen.<br />

So haben wir angefangen ...<br />

Ich habe, als Roman zirka 21 Monate alt<br />

war, angefangen, sprachunterstützende Gebärden<br />

einzuführen. Müde hat er damals<br />

46 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>58</strong> I <strong>Mai</strong> 2008<br />

schon selbst gebärdet. Essen und trinken<br />

waren die ersten Sachen, die ich ihm beigebracht<br />

habe. Aber es hat sicher drei bis<br />

vier Monate gedauert, bis er sie übernommen<br />

hatte.<br />

Anfangs habe ich nur eine oder zwei<br />

wichtige Gebärden gewählt. Mit Tätigkeitswörtern<br />

kann man mehr bewirken als mit<br />

dem Benennen von Gegenständen. Es muss<br />

das Kind interessieren. Weitere erste Gebärden<br />

waren: telefonieren (selbst erfunden),<br />

winken, Kerze ausblasen, nein, pürieren,<br />

inhalieren, Zähne putzen, hören, Musik<br />

machen, föhnen und baden.<br />

Ich habe immer die Gebärde für essen<br />

und trinken gemacht, wenn wir diese Tätigkeiten<br />

machten oder machen wollten. Immer<br />

Blickkontakt vor dem Sprechen hergestellt.<br />

Ihm irgendwann auch die Hand<br />

geführt zum Gebärden, bis er sie übernommen<br />

hat. Zudem musste anfangs die Gebärde<br />

einfach sein, d.h. nur mit einer Hand.<br />

Und die folgenden Gebärden müssen sich<br />

klar unterscheiden von denen, die das Kind<br />

schon kann.<br />

Und dann erlebten wir eine Sensation:<br />

Roman hat, als er zwei Jahre alt war, nachts<br />

immer geweint, wir waren verzweifelt, wussten<br />

nicht wieso, probierten alles (außer ihm<br />

zu trinken zu geben) aus, um ihn zu beruhigen,<br />

nichts klappte, bis er eines Nachts gebärdete:<br />

Trinken!<br />

Da er tagsüber nie trank und nie Durst<br />

zeigte, kamen wir einfach nicht auf die Idee,<br />

er könnte Durst haben. Wie blöd wir waren.<br />

Und seit er trinken gebärden konnte, weinte<br />

er nachts nicht mehr, sondern trank Wasser<br />

und schlief gleich wieder ein. So ist das bis<br />

heute geblieben.<br />

Gebärden hemmen nicht, sie fördern<br />

die Sprachentwicklung<br />

Für alle, die unsicher sind, ob man mit<br />

dem Gebärden die aktive Sprachentwicklung<br />

bremst: Lasst euch nicht beirren, vielen<br />

Fachleuten, so auch unserer Früherzieherin<br />

und einer Logopädin (die Roman für<br />

eine Zweitmeinung beurteilt hat), musste<br />

ich deutlich sagen, wie viel Kraft mich das<br />

immer kostet, mich zu rechtfertigen, wieso<br />

ich sprachunterstützende Gebärden anwende.<br />

Und ich habe allen Skeptikern/-innen<br />

einen Artikel aus Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

kopiert (Dank an das Deutsche <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

<strong>InfoCenter</strong> für die immer wieder<br />

wichtigen und spannenden Informationen<br />

aus dem Heft !), in dem zu lesen war, dass<br />

es wissenschaft lich erwiesen ist, dass Gebärden<br />

die Sprachentwicklung fördern und<br />

nicht hemmen. Beim Gebärden sind die<br />

selben Hirnareale aktiv wie beim Sprechen!<br />

Zudem spricht man ja immer zu den Gebärden<br />

und benennt die Gebärden, die das<br />

Kind macht. Das ist nicht vergleichbar mit<br />

der Gebärdensprache der gehörlosen Menschen.<br />

Gebärden vereinfachen vieles<br />

Gebärden anwenden muss man nicht, aber<br />

es macht das Leben einfacher mit einem<br />

Kind, das noch nicht spricht, z.B. habe ich<br />

Roman die Gebärde für helfen gezeigt, als<br />

es mir zu blöd wurde, wenn er bei Spielen<br />

immer schrie, wenn etwas nicht ging. Einmal<br />

gezeigt und sofort nachgeahmt. Das<br />

dauert nur am Anfang lange, bis das Kind<br />

eine Gebärde übernimmt.<br />

In letzter Zeit beobachte ich auch zunehmend,<br />

dass Roman nun Gebärden anwendet,<br />

die ich ihm lange Zeit vorgemacht<br />

habe, die er aber nie nachgeahmt hat, wie<br />

z.B. Kran. Das habe ich ihm gezeigt, als vor<br />

einem Jahr neben uns gebaut wurde und er<br />

so fasziniert zuschaute, er ahmte die Gebärde<br />

aber nie nach. Vor wenigen Wochen gebärdete<br />

er plötzlich Kran und sagte: „Ach“<br />

= Kran, als er einen auf einer Baustelle sah<br />

(die Gebärde hatten wir in der Zwischenzeit<br />

kaum gebraucht). Also hat er die Gebärde<br />

schon vor einem Jahr abgespeichert, nicht<br />

aber angewendet.<br />

Konsequenter Einsatz ist wichtig<br />

Es gab auch Phasen, wo ich als Mutter Gebärden,<br />

die Roman schon lange beherrschte,<br />

weniger benutzte. Da bemerkte ich, dass er<br />

zunehmend Vereinfachungen machte und<br />

bereits gekonnte Gebärden immer mehr<br />

zerfi elen und undeutlicher wurden. So begann<br />

ich nach Absprache mit der Logopädin,<br />

die Gebärden wieder konsequenter<br />

einzusetzen, wenn ich mit Roman sprach.<br />

Seitdem sind seine Gebärden wieder (nach<br />

einigen Malen Handführung) eindeutiger<br />

geworden. Einfachheitshalber hatte ich oft<br />

nur noch die neu zu erlernenden Gebärden<br />

gebärdet.<br />

Hat das Kind einmal begriff en, dass es<br />

sich so verständigen kann, dann fällt ihm<br />

das Sprechen mit Gebärden mit zunehmendem<br />

feinmotorischem Geschick immer<br />

leichter.<br />

Neue Gebärde nach Bedarf<br />

Mittlerweile ist es so, dass Roman praktisch<br />

sofort neue Gebärden übernimmt, wenn<br />

ich sie ihm zeige. Natürlich ist es auch so,<br />

dass ich ihm weiterhin Gebärden anbiete,<br />

von denen ich ahne oder weiß, dass er sie<br />

für das Erzählen seiner Erlebnisse braucht.<br />

Und manchmal lernt er lange keine neue,

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