Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
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� � SPRACHE<br />
Fiona<br />
AUTORIN: GUNDULA MEYER-EPPLER<br />
Dass ich meine Tochter zweisprachig erziehe,<br />
trotz ihres <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>s,<br />
stößt bei vielen Menschen auf sehr viel Unverständnis<br />
und Ablehnung.<br />
Ich habe schon einige taktlose Reaktionen<br />
im Zusammenhang mit meiner Tochter<br />
mir anhören müssen.<br />
„Was, du willst noch ein Kind? Du hast<br />
doch schon drei!“<br />
„Was, in deinem Alter lässt du keine<br />
Fruchtwasseruntersuchung machen? Du<br />
riskierst es, eine Last für die Gesellschaft in<br />
die Welt zu setzen?“<br />
„Was, du möchtest deine behinderte<br />
Tochter behalten? Das wird die Familie/die<br />
Ehe belasten!“<br />
„Was, du möchtest deine behinderte Tochter<br />
in die normale Schule schicken? Das ist<br />
doch für alle eine Belastung/das schafft sie<br />
nicht/das ist doch Unsinn ...“<br />
Und den Knüller setz ich oben drauf<br />
weil ich sie zweisprachig erziehe. Mit ihren<br />
Sprachschwierigkeiten! Mit ihren kognitiven<br />
Einschränkungen! Wie absurd!<br />
Ich glaube, viele Menschen in meinem<br />
Umkreis haben mich als hoff nungslosen<br />
„Fall“ abgeschrieben, „die Frau spinnt sowieso,<br />
der ist nicht zu helfen! Die sieht die<br />
Realität nicht, sie überfordert ihr Kind.“<br />
40 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>58</strong> I <strong>Mai</strong> 2008<br />
Fiona ist elf Jahre alt, sie<br />
wächst im Münsterland<br />
in einer englisch-deutschsprachigen<br />
Familie auf<br />
und hat sowohl die kanadische<br />
wie die deutsche<br />
Staatsangehörigkeit<br />
In der Tat hat Fiona eine Menge gesundheitlicher<br />
Probleme zusätzlich zum <strong>Down</strong>-<br />
<strong>Syndrom</strong>. Diese haben zum Teil auch ihre<br />
Sprachentwicklung nachhaltig beeinfl usst.<br />
Sie hat auch eine Sprechapraxie zu den üblichen<br />
Sprachschwierigkeiten, die beim<br />
<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> auft reten. Das macht das<br />
Sprechen und das Verstandenwerden natürlich<br />
um einiges schwerer.<br />
Trotzdem bringe ich meiner Tochter<br />
beide Sprachen bei, Englisch und Deutsch.<br />
Einfach weil unser Alltag zweisprachig ist.<br />
Ich habe zwei Staatsangehörigkeiten, ich<br />
pendele zwischen Kanada und Deutschland,<br />
meine Kinder haben alle ihre doppelte<br />
Staatsangehörigkeit, sie sind häufi g hier<br />
und häufi g dort.<br />
Wie viel würde ihr verloren gehen, wenn<br />
sie nicht beide Sprachen sprechen und verstehen<br />
würde! Wie viele Möglichkeiten, wie<br />
viele Kontakte! Nur weil sie das <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />
und viele gesundheitliche Probleme<br />
hat, soll sie auf so vieles verzichten? Warum?<br />
Ich beobachte bei Fiona immer wieder<br />
große Entwicklungsschübe, wenn wir „drüben“<br />
gewesen sind. Das kann natürlich viele<br />
Ursachen haben. Familie und Verwandte<br />
besuchen, viele neue Anregungen, Klima-<br />
wechsel, es gibt eine Menge von Einfl üssen<br />
auf unseren Reisen, die ihr sicherlich gut-<br />
tun und für ihre gesamten Entwicklung förderlich<br />
sind.<br />
Eine große Rolle spielt aber glaube ich<br />
die zusätzliche Sprache. Ein ganz anderes<br />
Gehirnareal wird angesprochen, es werden<br />
immer wieder neue Verbindungen<br />
geknüpft , der gesamte Lernprozess wird<br />
intensiv gefördert. Es macht ihr Spaß, es erweitert<br />
ihre Denkmuster und es ermöglicht<br />
ihr viel an Kontakten und Kommunikation<br />
und Selbstständigkeit.<br />
Ich habe kein einziges Mal bei ihr irgendwelche<br />
Anzeichen von Überforderung<br />
oder Stress feststellen können, keine Unlust,<br />
die Sprache zu sprechen, keine Sprachverwechslungen<br />
und überhaupt keine von<br />
den üblicherweise zitierten Problemen.<br />
Im Gegenteil. Die Reisen nach Kanada<br />
machen ihr immer riesigen Spaß und tun<br />
ihr gut.<br />
Warum also auf die zweite Sprache verzichten?<br />
Für Fiona ist die Zweisprachigkeit<br />
eindeutig ein Gewinn.�