Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
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Menschen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>:<br />
Spiegel unserer eigenen<br />
Befi ndlichkeit<br />
Helena ist elf Jahre alt und geht in die fünfte<br />
Klasse einer Regelschule. Ich würde gerne<br />
einige unserer Beobachtungen aus diesen<br />
Jahren schildern und freue mich darauf,<br />
von Ihren Erfahrungen zu hören. Ich denke,<br />
sie ist kein Einzelfall!<br />
Wir waren von Anfang an erstaunt, wie<br />
sicher Helena bei der Auswahl der Menschen<br />
war, auf die sie zugeht und die sie<br />
mit off enen Armen empfangen haben –<br />
sie hat sich bis jetzt nie geirrt! Ein Beispiel<br />
aus einem All-in-Hotel in der Türkei: Menschen<br />
sind auf sie zugekommen in dem gespielten<br />
Bemühen, freundlich zu sein – sie<br />
ernteten lediglich ein „Arrête“ – so viel wie<br />
„Lass mich in Ruhe“ (wir wohnen in Brüssel<br />
und Helena spricht Französisch und<br />
Deutsch). Andere Menschen gingen mit ihren<br />
gefüllten Tellern an ihrem Rücken vorbei<br />
– sie drehte sich um und sagte ihnen:<br />
Ich liebe dich!<br />
Andere Szene: Ich bereite das Essen zu<br />
– uns trennen sechs Meter und eine dicke<br />
Mauer. Helena sieht fern. Ich denke und<br />
fühle: Ich liebe dich, mein Kind! Da ertönt<br />
der Kommentar aus dem Wohnzimmer:<br />
Mama, ich liebe dich! Gedankenübertragung?<br />
Uns ist im Umgang mit ihr aufgefallen,<br />
dass alles wunderbar geht, solange wir, d.h.<br />
der Rest der Familie, ausgeglichen sind. Uns<br />
ist aufgefallen, dass Helena „blockt“, wenn<br />
bei uns der Adrenalinspiegel steigt. Sie ist<br />
damit ein Spiegel unserer eigenen Befi ndlichkeit.<br />
Eine wertvolle Erfahrung auch im<br />
Umgang mit anderen Mitmenschen! Die<br />
Lehrer an der Schule teilen diese Meinung<br />
– auch sie haben viel gelernt, von dem sie<br />
im Umgang mit den anderen Kindern profi<br />
tieren – und die Kinder erst!<br />
Eine weitere Beobachtung war jedoch<br />
die, dass Menschen im Umgang mit ihr<br />
meistens ihr Bestes geben wollen – als stünden<br />
sie vor der Eingangspforte zum Paradies.<br />
Helena nimmt dieses Bemühen als<br />
selbstverständlich und gelassen hin.<br />
Auf der Basis dieser und anderer Erfahrungen<br />
habe ich angefangen, mich mit<br />
Kommunikation zu beschäft igen – mit dem<br />
Raum „dazwischen“ und in diesem Zuge<br />
auch mit Energiearbeit/Bioresonanz (Reiki)<br />
angefangen. Damit kann ich Helena helfen,<br />
ihre Fröhlichkeit und Gelassenheit wieder<br />
zu fi nden, wenn sie in der Schule oder bei<br />
anderen Begegnungen mit einen Übermaß<br />
an „Du bist behindert“ konfrontiert wird.<br />
Immer mehr Menschen versuchen mit-<br />
tels Reiki, Yoga, Meditation, Tai-Chi oder<br />
anderen Techniken, den Zustand des „Hier<br />
und Jetzt“ zu erreichen. In dem Moment,<br />
wo ich einfach bin und nicht an gestern und<br />
morgen denke, bin ich entspannt, die Welt<br />
ist in Ordnung und alles scheint möglich<br />
(siehe zum Beispiel Eckhart Tolle: „Die Kraft<br />
der Gegenwart“). Menschen fühlen sich in<br />
meiner Gegenwart wohl und bemühen sich,<br />
ihr Bestes zu geben … Wenn sie ihr Bestes<br />
geben, möchte ich auch mein Bestes geben<br />
… Wenn ich mein Bestes gebe …<br />
Wir versuchen somit mit verschiedenen<br />
Mitteln, einen Zustand zu erreichen, der<br />
eines der wesentlichen Merkmale von Menschen<br />
mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> ist – hier und<br />
jetzt zu leben und sich nicht den Kopf darüber<br />
zu zerbrechen, was morgen sein könnte<br />
(vor diesem Hintergrund ist aber auch verständlich,<br />
warum es ihnen und anderen<br />
� � LESERBRIEFE<br />
Menschen mit einer geistigen Behinderung<br />
häufi g schwerfällt, abstrakt zu denken: Zeit<br />
(= gestern und morgen), Zahlen, Räume<br />
…)<br />
Ich habe den Eindruck, dass wir innerhalb<br />
unserer Gesellschaft ein wertvolles Reservoir<br />
haben. Wie sähe unsere Gesellschaft<br />
aus, wenn jeder einfach immer nur sein<br />
Bestes geben würde? Wie können wir diese<br />
Gabe in größerem Umfang bekannt machen?<br />
Ich würde mich freuen, von Ihnen und<br />
Ihren Überlegungen zu hören!<br />
Kontakt:<br />
Claudia v. Leoprechting<br />
rue Fétis 15, 1040 Brüssel<br />
E-<strong>Mai</strong>l: claudialeoprechting@gmail.com.<br />
Liebe Frau Halder,<br />
das Buch ist einfach wundervoll, sowohl<br />
was den Inhalt als auch die (vornehmlich<br />
Ihre!) deutsche Bearbeitung angeht. Endlich<br />
ein Standardwerk zu diesem Thema,<br />
das dank verbesserter Lebenserwartung<br />
Gott sei Dank immer wichtiger wird. Danke<br />
und Kompliment!!!<br />
Prof. Dr. Wolfram Henn<br />
Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>58</strong> I <strong>Mai</strong> 2008 73