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Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

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� � LESERBRIEFE<br />

Unter dieser Rubrik veröff entlichen wir Zuschriften unserer Leser zu<br />

Berichten aus Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> oder anderen Themen.<br />

Die Redaktion behält sich das Recht vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />

Früher mobil nach Laufbandtraining (LmDS 57):<br />

Liebe Cora Halder,<br />

viele herzliche Glückwünsche zum 20.<br />

Geburtstag Ihrer Selbsthilfegruppe für<br />

Menschen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> und ihre<br />

Freunde e.V.! Und selbstverständlich auch<br />

Glückwünsche und Komplimente für 20<br />

Jahre Zeitschrift Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

– ein schön anzufassendes und inhaltlich<br />

wichtiges Printmedium!<br />

Ein Wermutstropfen mischt sich allerdings<br />

ins Lesen der Ausgabe vom Januar 2008.<br />

Dort bringen Sie auf Seite 9 unter der Rubrik<br />

„Aus der Wissenschaft “ den Beitrag<br />

„Früher mobil nach Laufb andtraining“.<br />

Dieser Beitrag, angelehnt an den News<br />

Service der University of Michigan, hat<br />

spontan bei mir und anderen kritische Fragen<br />

ausgelöst, sodass ich Ihnen diese Leserzuschrift<br />

schreibe.<br />

Fragwürdig erscheint der im Beitrag<br />

skizzierte Ansatz, kleine Kinder mit <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong> – gegebenenfalls entgegen ihrem<br />

individuellen Entwicklungstempo – in<br />

Richtung Laufen zu trimmen bzw. zu stimulieren.<br />

Wir wissen aus seriösen Studien<br />

neuropädiatrischer Entwicklungsforschung,<br />

dass Kinder mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

im Altersspektrum von zwölf bis zu 45 Monaten<br />

laufen lernen, ohne dass diese Varianz<br />

der kindlichen Entwicklung eine prognostische<br />

Aussage für die spätere Mobilität<br />

hat.<br />

Abenteuerlich wird die Konzeption der<br />

(vermeintlichen) Kontrollgruppen wahrgenommen:<br />

eine, in der die Kinder ein allgemeines<br />

Laufb andtraining hatten; eine, in<br />

der die Kinder intensiver und länger trainiert<br />

wurden (Zitate aus dem Beitrag auf<br />

Seite 9). Wie wäre es mit einer Kontrollgruppe,<br />

die kein Laufb andtraining „genossen“<br />

hat, dafür aber anderweitig förderliche<br />

Rahmenbedingungen für die Entwicklung<br />

72 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>58</strong> I <strong>Mai</strong> 2008<br />

vorfi ndet? Die Evidenzbasis dieses „Forschungsdesigns“<br />

jedenfalls erschließt sich<br />

nicht. In welchem zeitlichen Rahmen sind<br />

(vermeintliche) Entwicklungsfortschritte<br />

sichtbar, stabil und konstant? Rechtfertigen<br />

die (vermeintlichen) Bewegungsfortschritte<br />

den Einsatz der Mittel?<br />

Gewichte an den Fußgelenken zur Provokation<br />

von Laufb ewegungen sind ein<br />

weiteres fragwürdiges Unterfangen und<br />

lassen das Th erapiekonzept bedenklich erscheinen,<br />

weil es Assoziationen weckt, Kinder<br />

zu Objekten zu degradieren. Das Kind<br />

als Akteur seiner Entwicklung und als Subjekt<br />

im Th erapieprozess – diese Grundsätze<br />

sollten uns zusammenführen.<br />

Insgesamt darf bezweifelt werden, ob<br />

das skurril anmutende Programm der Universität<br />

Michigan aktuellen neurophysiologischen<br />

Erkenntnissen und Fakten standhält.<br />

Insbesondere aber ist zu hinterfragen,<br />

inwieweit es den Anspruch erfüllt, Kinder<br />

als Subjekte (und nicht als zu manipulierende<br />

Th erapieobjekte!) zu sehen, zu respektieren<br />

und zu würdigen.<br />

Wenn zum Schluss des Beitrags ein<br />

Laufb and von ca. 1200 US-Dollar zum Kauf<br />

angeboten wird, dann drängt sich die Frage<br />

auf, ob es hier nicht primär um eine Werbeanzeige<br />

anstelle eines ernst zu nehmenden<br />

wissenschaft lichen Beitrags geht.<br />

Ich wünsche mir sehr, liebe Cora Halder,<br />

bei Ihnen kommt dieses Statement als konstruktiver<br />

Beitrag und als Plädoyer an, immer<br />

wieder gemeinsam kritisch und sensibel<br />

auf kursierende Th erapie- und Förderansätze<br />

auf dem Markt der Möglichkeiten einzugehen.<br />

Ihr<br />

Wilfried Wagner-Stolp,<br />

Bundesvereinigung der Lebenshilfe,<br />

Marburg<br />

Laufbandtraining in Portugal:<br />

Vera und das Laufband<br />

Oh Gott, wie lange soll ich dieses Kind denn<br />

doch tragen! Wie oft ist uns dieser Gedanke<br />

durch den Kopf geschwirrt.<br />

Vera hat <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> und war bereits<br />

drei Jahre und laufen konnte sie immer<br />

noch nicht. Trotz Übungen und Physiotherapie<br />

ging es nicht. Vera war von Anfang an<br />

an den Beinen sehr hypoton. Es hat lange<br />

gebraucht, bis sie gestanden ist. Als sie es geschafft<br />

hatte, blieb es dabei, vom Laufen keine<br />

Spur. Damit sie nicht immer auf ihrem<br />

Po robbte, durft e sie im Kindergarten auf<br />

dem Bobby-Car fahren, genauso beim Einkaufen<br />

oder Spazierengehen. Hier bewegte<br />

sie ihre Beine schnell und mit Kraft , sie war<br />

und ist ein richtiger Bobby-Car-Profi .<br />

Patricia, ihre Physiotherapeutin, probierte<br />

alles aus, aber es war nichts zu machen.<br />

Bis sie eines Tages mit dieser Laufband-Geschichte<br />

kam. Sie hatte in einer<br />

amerikanischen Fachzeitschrift über die<br />

Lauferfolge bei Kindern mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

gelesen und fragte uns, ob wir einverstanden<br />

seien, dies bei Vera auszuprobieren.<br />

Zweimal die Woche stieg Vera nun aufs<br />

Laufb and. Zunächst zehn Minuten, dann<br />

immer etwas länger. Es war für beide anstrengend:<br />

für Vera, weil sie plötzlich gezwungen<br />

wurde, ihre Beine zu koordinieren,<br />

aber es funktionierte! Sie begriff<br />

plötzlich, wozu die Beine da waren. Für Patricia,<br />

weil zu der Zeit noch kein spezielles<br />

Laufb and zur Verfügung stand, sie musste<br />

ein großes benutzen und Vera darauf halten.<br />

Dementsprechend schmerzte auch der<br />

Rücken von Patricia nach jeder Sitzung.<br />

Ich kann nicht mehr genau sagen, wie<br />

lange es dauerte, bis Vera dann lief, aber es<br />

war bald nachdem wir mit dem Training<br />

begonnen hatten. An einem Sonntag ging<br />

Vera plötzlich durch das Wohnzimmer.<br />

Einfach so! Unser Glücksgefühl kann man<br />

nachvollziehen.<br />

Ob es tatsächlich am Laufb and lag, können<br />

wir nicht mit 100-prozentiger Sicherheit<br />

sagen, aber wir glauben, dass seine<br />

Nutzung irgendeinen Prozess in Gang gesetzt<br />

hat, der ohne Laufb and noch länger<br />

gebraucht hätte. Es war den Versuch wert.<br />

Jetzt nach drei Jahren gibt es auch das<br />

richtige Laufb and und alle Kinder mit<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> haben die Möglichkeit, es<br />

zu probieren, und wie wir gehört haben mit<br />

Erfolg!<br />

Marcelina Souschek, Portugal

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