Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
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� � SPRACHE<br />
Deutschland ausdrückt, „ergibt sich einfach<br />
so“. Familien, in denen der ausländische<br />
Elternteil die Umgebungs- und Landesprache<br />
beherrscht, entscheiden sich<br />
dennoch für eine zweisprachige Erziehung,<br />
da ihre Familiensituation bis dahin zweisprachig<br />
verlaufen ist. Ein immer wiederkehrendes<br />
Argument ist auch, dass sich das<br />
Kind in beiden Kulturen zu Hause fühlen<br />
soll und dass es mit anderen Familienmitgliedern<br />
sprechen können soll. Dem Kind<br />
diese Möglichkeit vorzuenthalten, fi nden<br />
eine Slowakin in Deutschland und viele mit<br />
ihr „unvorstellbar“.<br />
Die Zweisprachigkeit ist ein „Extra-Bonus“<br />
für das Kind. Ein Kind mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />
wird im Leben immer wieder erfahren,<br />
dass es das, was seine gleichaltrigen<br />
Freunde machen, nicht schaff en wird, wie<br />
z.B. Fahrrad fahren. Mit der Zweisprachigkeit<br />
haben die Eltern die Möglichkeit, ihrem<br />
Kind eine zusätzliche Kompetenz<br />
zu geben, was wiederum Selbstbewusstsein<br />
schafft . Ein Deutscher, dessen Sohn in<br />
Deutschland spanisch-deutsch aufwächst,<br />
nennt die Zweisprachigkeit ein Geschenk<br />
für das Kind.<br />
Viele Eltern haben die Entscheidung für<br />
eine zweisprachige Erziehung nicht erst in<br />
Bezug auf das Kind mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> getroff<br />
en, sondern schon bei älteren Geschwistern.<br />
Wenn dann das Kind mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />
geboren wird, wird die Situation<br />
mit diesem Kind „nicht anders“ gehandhabt,<br />
wie eine Norwegerin in Deutschland<br />
schreibt. Für die zweisprachige Erziehung<br />
ist es wichtig, so früh wie möglich diese<br />
Entscheidung zu treff en. Mahlstedt erklärt<br />
diese Behauptung: „Das Kind baut in seinen<br />
ersten Lebensjahren durch ganzheitliches<br />
Lernen eine emotionale Bindung zu<br />
beiden Sprachen auf. Wird eine Sprache jedoch<br />
erst später eingeführt, besteht noch<br />
keine emotionale Bindung. Die Gefahr,<br />
dass die Sprache aus negativer Einstellung<br />
heraus abgelehnt werden könnte, ist in diesem<br />
Fall größer. Es stellt sich für einen Elternteil<br />
das Problem, die eigene Gewohnheit<br />
zu durchbrechen und ungeachtet der<br />
emotionalen Bindung, die sich bereits vermittels<br />
der Sprache etabliert hat, eine dem<br />
Kind völlig unbekannte Sprache einzuführen.“<br />
Was bei dieser Umfrage weiter auff ällt,<br />
ist, dass einige der Eltern selbst zweisprachig<br />
sind. Zwei Mütter sind zweisprachig<br />
englisch-deutsch aufgewachsen. Ein Vater<br />
ist ungarisch-deutsch aufgewachsen. Die<br />
Tatsache, dass ein Elternteil erfolgreich mit<br />
zwei Sprachen aufgewachsen ist, beeinfl usst<br />
34 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>58</strong> I <strong>Mai</strong> 2008<br />
Lena, die jetzt knapp dreieinhalb<br />
ist, wächst in Brüssel mit Deutsch<br />
(in der Familie) und Französisch<br />
(im gesamten restlichen Leben)<br />
auf. Sie geht, seit sie eineinviertel<br />
ist, halbtags in die französischsprachige<br />
Krippe – bewogen hat<br />
uns dazu die Notwendigkeit,<br />
möglichst früh mit Französisch<br />
zu beginnen, da wir davon ausgehen,<br />
länger hier zu leben, und<br />
wir haben diesen Schritt nie bereut,<br />
Lena ist gut integriert und<br />
profi tiert enorm.<br />
Sie bekommt Logopädie auf<br />
Französisch, zweimal die Woche<br />
durch eine unglaublich nette<br />
und engagierte hiesige Logopädin,<br />
ansonsten wird sie von<br />
mir „beschallt“ – ich bin selber<br />
(deutschsprachige) Logopädin<br />
wahrscheinlich die Entscheidung für oder<br />
gegen eine zweisprachige Erziehung (vgl.<br />
Mahlstedt). Diese Annahme wird von einer<br />
Mutter bestätigt. Auf die Frage, warum<br />
sie sich für eine zweisprachige Erziehung<br />
entschieden haben, schreibt sie als ersten<br />
Punkt: „Weil mein Mann auch zweisprachig<br />
aufgewachsen ist.“<br />
Welche Ratschläge erhalten<br />
zweisprachige Familien, die ihr Kind<br />
mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> zweisprachig<br />
erziehen wollen?<br />
Die Antworten auf diese Frage zeigen einen<br />
deutlichen Unterschied zwischen den Ratschlägen<br />
von Fachleuten und denen von<br />
Freunden und Bekannten.<br />
Fachleute haben „teilweise Unterstützung“<br />
(so eine Slowakin in Deutschland)<br />
geäußert bis hin zu einer starken Ablehnung<br />
der Zweisprachigkeit (eine Tschechin<br />
in Deutschland). Ungeteilte positive Unterstützung<br />
hat keine Familie erhalten und<br />
Kommentare wie: „Nur nicht mit zwei Sprachen<br />
belasten“, wie eine Mutter schreibt,<br />
scheinen häufi g vorzukommen.<br />
Diese Antworten stimmen mit Ergebnissen<br />
anderer Untersuchungen überein. Für<br />
ihre Untersuchung zu Mehrsprachigkeit<br />
bei Kindern mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> hat Lindbom<br />
einen Fragebogen verschickt, u.a. um<br />
die Einstellung der Lehrer zu diesem Th e-<br />
und versuche, in unseren Alltag so<br />
viel Sprachförderung einzubauen,<br />
wie sinnvoll und möglich. Ein weiterer<br />
großer „Stimulator“ ist Lenas<br />
knapp zweijähriger Bruder Elias.<br />
(Annette Teutsch, Lenas Mutter)<br />
ma zu ermitteln. Dabei hat sie ähnlich negative<br />
Antworten erhalten.<br />
Auch Eltern von normal entwickelten<br />
Kindern, die zweisprachig aufwachsen, treffen<br />
auf derartige Vorurteile.<br />
Bei dieser Frage fällt auf, dass die Eltern<br />
trotz der negativen Einstellung der Fachleute<br />
sich für eine zweisprachige Erziehung entschieden<br />
haben. Es zeugt von großer Überzeugung<br />
und Selbstbewusstsein, wenn die<br />
Eltern sich über die Ratschläge der Fachleute<br />
hinwegsetzen. Eine Slowakin in Deutschland<br />
hat aufgrund der negativen Einstellung<br />
einer Logopädin die Th erapie ihres Kindes<br />
bei ihr abgebrochen. Und eine Kanadierin<br />
in Deutschland schreibt mit einem Lächeln:<br />
„Ich habe keinen um Ratschläge gefragt.“<br />
Die Überzeugung der Familien, die hier<br />
deutlich wird, ist für die zweisprachige Erziehung<br />
nur von Vorteil. In der Mehrsprachigkeitsforschung<br />
wird immer wieder die<br />
Wichtigkeit der konsequenten Erziehung<br />
betont, d.h. dass die Eltern nicht aufgeben<br />
sollen, wenn das Kind sich weigert, eine der<br />
Sprachen zu sprechen, oder wenn es langsam<br />
vorangeht. Eine starke Überzeugung in<br />
Bezug auf die zweisprachige Erziehung vereinfacht<br />
ihre konsequente Handhabung.<br />
Im Gegensatz zu den Fachleuten haben<br />
die Familie und Freunde meist ein positives<br />
Feedback gegeben. Das stimmt mit den Ergebnissen<br />
von Mahlstedt überein.