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Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

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� � ERFAHRUNGSBERICHT<br />

nur für mich. So laufe ich jetzt schon seit<br />

zwei Jahren fast täglich eine Stunde und ich<br />

merke, wie es mir hilft , die ganzen Ereignisse<br />

der letzten Zeit zu verarbeiten.<br />

Nun stand noch die Herzoperation bevor.<br />

Im Alter von drei Monaten stellten wir<br />

Jolina in München vor und es wurde ein<br />

Termin einen Monat später ausgemacht.<br />

Fast eine Woche vor dem Termin rief<br />

die Klinik an und bat uns, schon am nächsten<br />

Tag mit Jolina zu kommen, weil sie einen<br />

Patienten verschieben mussten. Jolina<br />

konnte schon vorher operiert werden.<br />

Wir aktivierten die Omas und machten<br />

uns am nächsten Tag mit der Kleinen auf<br />

nach München. Ich wollte eine Nacht bei<br />

ihr im Krankenhaus bleiben und dann täglich<br />

zwei Stunden hin und her fahren, weil<br />

mich Angelina und Leo auch brauchten. Ich<br />

dachte, die brauchen mich mehr als Jolina,<br />

die eher wenig mitbekommt und dort super<br />

versorgt ist.<br />

Die erste Nacht schlief ich dann doch<br />

nicht im Krankenhaus. Ich rief eine Freundin<br />

in München an und übernachtete dort.<br />

Um sechs am Morgen war ich wieder in der<br />

Klinik und schmuste mit meiner Kleinen.<br />

Nun war wieder ein Notfall dazwischengekommen<br />

und die Ärzte waren sich nicht<br />

sicher, ob man Jolina noch operieren könne.<br />

Danach würde drei Tage lang nicht operiert,<br />

weil ein langes Wochenende bevorstand.<br />

Kurzzeitig war wieder meine Angst<br />

da. Ich hatte mich darauf eingestellt, heute<br />

Abend nach Hause zu fahren und zu wissen,<br />

dass mein Kind eine geglückte Operation<br />

hinter sich hatte.<br />

Zum Glück, wir hatten viel Glück in letzter<br />

Zeit, wurde die Operation durchgeführt<br />

und verlief problemlos. Es dauerte nur ein<br />

wenig länger, weil die Ärzte ein Löchlein<br />

übersehen hatten und noch einmal anfangen<br />

mussten. Dadurch wurden die Lungen<br />

ein bisschen in Mitleidenschaft gezogen. Jolina<br />

musste als Folge einen Tag länger als gewöhnlich<br />

beatmet werden. Sonst verlief die<br />

Heilung super! Ich kam jeden Tag und fuhr<br />

hin und her vier Stunden mit dem Zug, was<br />

auch mal ganz angenehm war. Nach zehn<br />

Tagen durft en wir unsere Kleine mit nach<br />

Hause nehmen und hatten nun alle großen<br />

Aktionen überstanden. Jetzt hatten wir Zeit,<br />

uns als Familie zu fi nden und die Zeit, die<br />

anfangs verloren gegangen war, aufzuholen.<br />

Mit dem dritten Chromosom versöhnt<br />

Das machten wir mit einem Urlaub in Italien<br />

und es war sehr schön. Ich liebte meine<br />

Kinder und hatte mich jetzt voll und ganz<br />

mit dem dritten Chromosom von Jolina arrangiert!<br />

62 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>58</strong> I <strong>Mai</strong> 2008<br />

Ich hatte mein glückliches Leben wieder.<br />

Vielleicht bin ich oder wir alle ein bisschen<br />

aufmerksamer geworden und vor allem<br />

dankbarer für das Glück, das wir haben.<br />

Es ist ein Glück, zwei gesunde Kinder und<br />

ein Kind mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> zu haben. Es<br />

ist schön, eine Familie zu sein, die auch in<br />

schwierigen Situationen zusammenhält.<br />

Förderung von Anfang an<br />

Krankengymnastik bekamen wir von Anfang<br />

an und konnten auch nach dem ersten<br />

Krankenhausaufenthalt bis jetzt bei derselben<br />

Krankengymnastin bleiben. Wir hatten<br />

mit Voita begonnen, aber ich fand das<br />

zu anstrengend für Jolina und dann machten<br />

wir mit Bobath weiter. Anfangs hatte<br />

Jolina Probleme mit der Zunge, dagegen<br />

kann man mit der Methode nach Castillo<br />

Morales gut etwas machen. Sie hatte wenig<br />

Körperspannung, die Muskulatur war<br />

relativ schlaff . Kopfk ontrolle war zunächst<br />

schwierig. Jolina war ein faules Baby. Sie lag<br />

auf dem Rücken und freute sich. Nur keine<br />

Anstrengungen. Aber nach der Herzoperation<br />

wurde sie aktiv und holte rasch auf.<br />

Sie konnte sich drehen und rollte fröhlich<br />

in der Wohnung rum.<br />

Mit einem Jahr konnte sie sitzen und mit<br />

eineinhalb Jahren krabbeln. Das konnte sie<br />

perfekt. Als wir dann mit 20 Monaten mit<br />

Ergotherapie anfi ngen, hat sie einen großen<br />

Schritt gemacht. Sie steht überall auf, läuft<br />

an der Hand und an Kanten entlang, klettert<br />

überall hoch und zieht alles runter.<br />

Was mir bei Jolina aufgefallen ist, jedes<br />

Mal wenn sie krank war, konnte sie danach<br />

wieder etwas. Sie nahm sich die Auszeit, um<br />

Energie zu holen für den nächsten Entwicklungsschritt.<br />

So lernt sie auch alles, wie ihre Geschwis-<br />

ter, nur in ihrem eigenen Tempo. Sie gibt<br />

sich viel Mühe, ihre Bewegungen genau<br />

auszuführen. Bevor sie etwas nicht perfekt<br />

kann, kommt nichts Neues hinzu.<br />

Elterngruppe tut gut!<br />

Durch meine Krankengymnastin lernte ich<br />

eine andere Mama kennen, die einen Sohn<br />

mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> hat. Ohne sie wäre ich<br />

nicht so schnell zu den Treff en im Bunten<br />

Kreis in Kempten gegangen. Ich brauchte jemanden,<br />

der mich mitnimmt. Ich war sehr<br />

unsicher am Anfang, was mich dort wohl<br />

erwarten würde. Jetzt kann ich sagen, dass<br />

es zu 99 Prozent nur positive Erfahrungen<br />

waren, die ich beim <strong>Down</strong>-Treff gemacht<br />

habe. Ich lernte viele nette Eltern und natürlich<br />

andere Kinder mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

kennen. Vorher kannte ich gar keine Men-<br />

schen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>. Darum war es<br />

anfangs sehr gut für mich, die anderen Kinder<br />

kennenzulernen. Dort hat es zum ersten<br />

Mal Klick gemacht und ich dachte, Mensch<br />

bin ich froh, so ein tolles Kind zu haben.<br />

Wir schaff en das schon!<br />

Nun mit 25 Monaten ist Jolina Lilly unsere<br />

Kleine und wir haben sie alle sehr lieb. Ihre<br />

Geschwister sind manchmal eifersüchtig,<br />

weil die Mama mit Jolina viel zu Th erapien<br />

und Ärzten gehen muss. Ich versuche, die<br />

Großen mitzunehmen, aber es ist nicht immer<br />

so einfach, mit drei Kindern alle Termine<br />

zu erledigen. Darum muss manchmal<br />

doch die Oma aufpassen. Auch versuchen<br />

mein Mann und ich, uns Zeit für uns zu<br />

nehmen, um nicht ganz im Chaos der Kinder<br />

zu versinken. Wir sind auch noch Mann<br />

und Frau und nicht nur Mama und Papa.<br />

Das gibt mir Kraft , den Alltag zu schaff en.<br />

Ich möchte nie wieder eines meiner Kinder<br />

missen. Sie sind alle richtig und gehören<br />

zu uns. Ein Kind sucht sich seine Eltern aus<br />

und ich bin froh, dass sich Jolina uns als Eltern<br />

ausgesucht hat. Ich gebe zu, es ist nicht<br />

immer einfach, mit der Situation fertig zu<br />

werden. Ich sitze auch jetzt noch manchmal<br />

da und weine, weil ich alles ungerecht fi nde.<br />

Aber dann bin ich wieder stolz auf das, was<br />

wir geschafft haben und was wir hoff entlich<br />

noch schaff en werden.<br />

Zeitschrift Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

macht Mut!<br />

Mir macht die Zeitschrift Leben mit <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong> immer wieder Mut, weil ich sehe,<br />

wie viel Kinder und Erwachsene mit <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong> erreichen können. Ich hole mir<br />

sehr viele Informationen aus dieser Zeitschrift<br />

.<br />

Auch gibt es so viele schöne Bücher, die<br />

das <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> als Geschenk bezeichnen,<br />

was es auch ist, und ich hoff e, dass alle<br />

Eltern ihr „Geschenk“ annehmen können<br />

und genauso glücklich und zufrieden sind<br />

wie ihre Kinder!�

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