Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter
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Frühförderung konkret<br />
260 lebenspraktische Übungen für entwicklungsverzögerte<br />
und behinderte Kinder<br />
Seit über 20 Jahren gibt es das inhaltlich unverändert nunmehr in 6.<br />
Aufl age vorliegende Buch. Das Ziel ist es, mithilfe von Übungsprogrammen<br />
Eltern, die ein entwicklungsverzögertes Kind haben, oder Fachkräft<br />
en, die ein solches Kind betreuen, Anregungen zu geben bei der<br />
„Beantwortung der Frage, in welchen Bereichen das Kind altersentsprechende<br />
Leistungen erbringt, auf welche Weise Ansätze für eine gezielte<br />
Förderung zu fi nden sind und wie diese Entwicklungsanregung aussehen<br />
kann“ (S. 9).<br />
Ausgehend von einem „Entwicklungstest“ sollen beim Kind „Ausfälle<br />
in einzelnen Fähigkeitsbereichen aufgezeigt und Leistungsspitzen“<br />
ermittelt werden (ebd.). Dabei werden fünf Entwicklungsbereiche erfasst:<br />
Selbstversorgung und Sozialentwicklung, Feinmotorik, Grobmotorik,<br />
Sprache sowie Denken und Wahrnehmung. Aus den in den verschiedenen<br />
Bereichen ermittelten Werten wird ein Profi lbild (S. 12)<br />
erstellt, das die relativen Leistungsstärken und Entwicklungsrückstände<br />
verdeutlicht. Es ist die Grundlage für die Erstellung des individuellen<br />
Förderplans. „Die Aufgaben, die der Entwicklungstest prüft , sind aber<br />
auch als Ziele zu sehen, die angestrebt werden können, wenn das Kind<br />
die Fertigkeiten noch nicht beherrscht“ (S. 9). Der wesentliche Inhalt<br />
des Buches ist die Zusammenstellung dieser „Fördervorschläge“ für die<br />
verschiedenen Entwicklungsbereiche (S. 19-286).<br />
Viele der beschriebenen Übungen können Anregungen bieten, aber<br />
das Vorgehen insgesamt ist nicht unproblematisch und eher einem in<br />
der Frühförderung der 70er und 80er Jahre herrschenden Verständnis<br />
zuzuordnen. So wird es heute bei einem behinderten oder entwicklungsverzögerten<br />
Kind für die Förderung nicht für wichtig erachtet, zu<br />
wissen, wie ausgeprägt die Abweichungen von der durchschnittlichen<br />
Entwicklung sind, sondern welche Fähigkeiten das Kind hat und was<br />
die nächsten anzustrebenden Entwicklungsschritte sein könnten.<br />
Aber vor allem die Ableitung der Förderung aus Testaufgaben ist kritisch<br />
zu sehen. Eine Testaufgabe möchte lediglich erfassen, ob ein Kind<br />
bereits ein bestimmtes Verhalten zeigt – gelernt wird die zu Grunde liegende<br />
Fähigkeit jedoch oft in anderen und sehr unterschiedlichen Kontexten.<br />
Deshalb wirken viele Übungsvorschläge konstruiert und manchmal<br />
recht merkwürdig.<br />
Im dritten Lebensjahr fi ndet sich z.B. zur Selbstversorgung – Sozialentwicklung<br />
die Aufgabe „Auf Verlangen teilen“. Dazu wird vorgeschlagen:<br />
„Geben Sie ihm zwei Stück Gebäck und sagen Sie: ,Gib eines mir,<br />
das andere ist für dich.‘ Loben Sie es für das Teilen. Wiederholen Sie den<br />
Vorgang, bis das Kind auf Verlangen teilen kann“ (S. 50). Aus der Testaufgabe<br />
für das zweite Lebensjahr, „Wickelt Zuckerstück aus“, wird als<br />
feinmotorische Übung „Auspacken“ von verpackten Artikeln wie Bonbons,<br />
Zuckerstücke, kleine Päckchen empfohlen (S. 96). Aber zum Auspacken<br />
gehört nicht nur feinmotorisches Geschick, sondern auch eine<br />
Vorstellung über Dinge, die eingepackt sein können.<br />
Besonders im Bereich „Sprache“ fehlen bei den vorgeschlagenen<br />
Übungen die wesentlichen Hilfen zur Förderung der basalen kognitiven<br />
Lernprozesse. So wird z.B. zur Übung von Zweiwortsätzen vorgeschlagen,<br />
das Kind zu fragen: „Was machst du?“ Wenn es dann antwortet:<br />
,Spielen‘, fragen Sie: ,Wer spielt?‘ Wiederholen Sie die Antwort für<br />
das Kind: ,Th omas spielt‘ …“ Es folgen weitere entsprechende Beispiele.<br />
Das Endziel ist „Verwendet Zwei-Wort-Satz“ (S. 188).<br />
Für ein Kind, das z.B. noch keine Drei-Wort-Sätze spricht, werden<br />
Übungen mit vertrauten Spielsachen in vertrauter Umgebung vorgeschlagen.<br />
„Vorgehen: Wenn Sie mit dem Kind reden, so tun Sie dies<br />
70 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>58</strong> I <strong>Mai</strong> 2008<br />
Frühförderung konkret<br />
Walter Straßmeier<br />
112 Seiten<br />
Reinhardt-Verlag, 2007<br />
ISBN: 978-3-497-01942-7<br />
26,90 Euro<br />
Autoreninformation:<br />
Prof. Dr. Walter Straßmeier, Schulpraxis als Volksschullehrer<br />
und Sonderschullehrer; Leiter einer<br />
Schule für Schüler mit schweren Mehrfachbehinderungen;<br />
langjähriger Dozent für Geistigbehindertenpädagogik<br />
an der Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München.<br />
möglichst nur in kurzen, vollständigen Sätzen. Fragen Sie<br />
das Kind etwa: ,Was möchtest du?‘ Wenn es mit bloß einem<br />
oder zwei Wörtern antwortet, dann beantworten Sie selbst<br />
die Frage, indem Sie einen vollständigen Satz bilden. Bitten<br />
Sie das Kind, Ihnen auf dieselbe Weise zu antworten: ,Ich<br />
will spielen!‘, oder Ähnliches“ (S. 194).<br />
Obwohl Satzerweiterungen in natürlichen Interaktionen<br />
eine wesentliche Anregung für die Sprachförderung bieten,<br />
haben sie sich in Übungssituation als nicht eff ektiv erwiesen.<br />
Es ist eben ein großer Unterschied, ob das Kind auf ein<br />
Auto zeigt und „kaputt“ sagt und die Bezugsperson antwortet:<br />
„O, das Auto ist kaputt!“, und damit das, was das Kind<br />
bereits denkt, versprachlicht, oder ob nur formale Übungen<br />
stattfi nden.<br />
Wenn die vielen vorgeschlagenen Übungen lediglich als<br />
Anregungen verstanden werden, um bestimmte Fähigkeiten<br />
des Kindes zu fördern und dann kreativ im Lebensalltag umzusetzen,<br />
vermag das Buch durchaus Hilfen zu bieten, während<br />
eine direkte Umsetzung der einzelnen Aufgaben problematisch<br />
sein kann. ��������� � � �<br />
������� � �����������������Prof. Dr. Etta Wilken