01.02.2013 Aufrufe

Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

� � SPRACHE<br />

doppelten Erstspracherwerb, und die, die<br />

bei einem Zweitspracherwerb vorhanden<br />

sind, sind unterschiedlich und dürfen in einer<br />

Untersuchung zum Spracherwerb nicht<br />

gleichgesetzt werden.<br />

In der Untersuchung von Kay-Raining<br />

Bird wurden Gesten u.a. bei der Auswertung<br />

der MLU als Wörter mitgezählt. Diese<br />

Vorgehensweise ist bei Kindern mit <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong>, die viel mit Gesten kommunizieren,<br />

nachvollziehbar. Sie muss aber dann in<br />

ihren beiden Sprachen erfolgen, nicht nur<br />

in der einen.<br />

Trotz dieser Schwächen sind beide Untersuchungen<br />

für die vorliegende Arbeit<br />

wichtig, da sie die Fähigkeit der Menschen<br />

mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>, zwei Sprachen zu beherrschen,<br />

nicht absprechen. Lindboms Arbeit<br />

weist zudem auf die Problematik der<br />

niedrigen Erwartungshaltung hin.<br />

Der von Lindbom betonte Kontrast zwischen<br />

Unwissen und Skepsis der Fachleute<br />

auf der einen Seite und dem Erfolg einer<br />

zweisprachigen Erziehung auf der anderen<br />

wird in einer deutschen Arbeit bestätigt.<br />

Wilken (2000a) hat Erfahrungsberichte<br />

von Eltern gesammelt und in ihrem Buch<br />

„Sprachförderung bei Kindern mit <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong>“ wiedergegeben.<br />

Aus den Berichten geht hervor, dass vielen<br />

Eltern nahegelegt wurde, nur in Deutsch<br />

mit ihrem behinderten Kind zu sprechen.<br />

Auf die möglichen negativen Auswirkungen<br />

dieses Vorgehens wurde schon eingegangen.<br />

Aus diesem Grund befürwortet auch<br />

Wilken eine zweisprachige Erziehung. Anders<br />

als Lindbom empfi ehlt sie, dass Kinder<br />

von nicht-deutschsprachigen Eltern zuerst<br />

die Familiensprache lernen sollen, danach<br />

Deutsch. „So lernen Kinder türkischer Eltern<br />

als erste Sprache Türkisch; [...]“ (Wilken).<br />

In mehrsprachigen Familien fi ndet sie<br />

es dagegen wichtig, dass „Mutter und Vater<br />

ermutigt werden, mit ihrem Baby in ihrer<br />

Sprache zu sprechen. Gerade die frühe<br />

Kommunikation hat eine ganz wesentliche<br />

emotionale Bedeutung, und Zärtlichkeit<br />

und Zuwendung gelingen in der eigenen<br />

Muttersprache viel leichter“ (Wilken).<br />

Aus den von Wilken gesammelten Berichten<br />

wird deutlich, dass Kinder mit <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong> die Fähigkeit besitzen, mehr als<br />

eine Sprache zu beherrschen, wobei das erreichte<br />

Niveau sehr unterschiedlich ist. Einige<br />

Kinder konnten ihre beiden Sprachen<br />

nur verstehen, ohne sich in diesen ausdrücken<br />

zu können. Wiederum gab es Kinder,<br />

die „[...] beide Sprachen besser sprechen als<br />

andere Kinder, die nur eine Sprache beherrschen“<br />

(Wilken).<br />

32 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>58</strong> I <strong>Mai</strong> 2008<br />

Neben diesen und weiteren Arbeiten und<br />

Berichten über Zweisprachigkeit und<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> gibt es verschiedene Arbeiten<br />

zu Zweisprachigkeit und Behinderungen,<br />

in denen das <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> erwähnt<br />

wird.<br />

Die Arbeiten stammen hauptsächlich<br />

aus dem erziehungswissenschaft lichen bzw.<br />

sonderpädagogischen Fachbereich. Es handelt<br />

sich dabei überwiegend um Erfahrungsberichte;<br />

empirisch fundierte Untersuchungen<br />

bilden die Ausnahme. Für die<br />

vorliegende Arbeit fungieren die Erfahrungsberichte<br />

als wichtige Grundlage, da,<br />

entgegen erwähnter Bedenken bezüglich<br />

der zweisprachigen Erziehung bei Kindern<br />

mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>, keiner der Texte einen<br />

negativen Einfl uss der Mehrsprachigkeit auf<br />

die Sprachentwicklung dokumentiert.<br />

Wissenschaft lich fundierte linguistische<br />

Untersuchungen fehlen jedoch auf diesem<br />

Gebiet. Aus diesem Grund füllt die vorliegende<br />

Arbeit eine entscheidende Forschungslücke.<br />

Zur Anlage der Untersuchung<br />

Der empirische Teil der Arbeit besteht aus<br />

zwei Abschnitten: einer Langzeitfallstudie<br />

mit zwei Kindern und einer Umfrage.<br />

Der Hauptteil der Arbeit ist die Fallstudie.<br />

Dieser ist jedoch zu umfangreich, um<br />

ihn hier im Rahmen eines Artikels zu veröff<br />

entlichen.<br />

Die Ergebnisse des Fragebogens, die als<br />

Vergleichsgrundlage/Hintergrundinformation<br />

der Fallstudie dienen und die Fallstudie<br />

in einen größeren Kontext stellen (vgl.<br />

Mayring), möchten wir den Lesern nicht<br />

vorenthalten.<br />

Die Befragung<br />

Der Fragebogen wurde entwickelt, um einen<br />

Eindruck davon zu gewinnen, ob die<br />

Erfahrungen der Familien in der Fallstudie<br />

zur mehrsprachigen Erziehung als repräsentativ<br />

gelten können. Bei Analysen von<br />

Fallstudien soll, wie schon von Mayring<br />

eingefordert, nach zusätzlichen Daten außerhalb<br />

der Fallstudie gesucht werden, um<br />

die Gültigkeit der Ergebnisse abzusichern.<br />

Es ist zu unterstreichen, dass es sich bei der<br />

Fragebogenuntersuchung um eine subjektive<br />

Einschätzung der Eltern eines Kindes<br />

mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> handelt.<br />

Die Ergebnisse der Fallstudie und der<br />

Umfrage befi nden sich daher auf verschiedenen<br />

Ebenen, was bei der Auswertung berücksichtigt<br />

wird. Der Vergleich ist dennoch<br />

statthaft , da er die Fallstudien in einen<br />

größeren Kontext setzt.<br />

Zur Methodik der Befragung<br />

Der Fragebogen wurde in Anlehnung an<br />

früher durchgeführte Befragungen zu<br />

Mehrsprachigkeit, <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> und zu<br />

Mehrsprachigkeit mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> erstellt.<br />

Vor der Erstellung eines Fragebogens<br />

sollte nach Albert/Koster eine off ene Befragung<br />

von Betroff enengruppen und Experten<br />

durchgeführt werden, um abzuklären,<br />

„welche Th emenbereiche angesprochen<br />

werden könnten und welche Arten von<br />

Antworten gegeben werden“. Für die vorliegende<br />

Arbeit wurden derartige Gespräche<br />

mit zweisprachigen Familien durchgeführt,<br />

in denen ein Kind mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

aufwächst, sowie mit Fachleuten wie Kinderärzten,<br />

Erziehungswissenschaft lern und<br />

Logopäden. Aus diesen Gesprächen haben<br />

sich einige Hinweise ergeben, die für den<br />

Fragebogen sowie für die ganze Arbeit eine<br />

wichtige Rolle spielen.<br />

So gibt es anscheinend eine große Diskrepanz<br />

zwischen dem, was Fachleute<br />

einem Kind mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> zutrauen,<br />

und dem subjektiven Leistungsvermögen<br />

der Kinder nach Einschätzung der Eltern.<br />

Ohne diese Vorgespräche bzw. off enen Befragungen<br />

wäre dieser sehr wichtige Aspekt<br />

nicht so deutlich in Erscheinung getreten.<br />

Mit den Ergebnissen aus diesen Befragungen<br />

sowie mit den Fachkenntnissen<br />

zum Th ema als Hintergrund werden Leitfragen<br />

formuliert. Die Antworten auf diese<br />

Leitfragen bilden das Haupterkenntnisinteresse.<br />

Die Leitfragen beschäft igen sich allgemein<br />

mit der Situation der Familien, die<br />

ihr Kind mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> zweisprachig<br />

erziehen wollen.<br />

Leitfragen:<br />

1. Warum entscheiden sich die Familien<br />

für eine zweisprachige Erziehung ihres<br />

Kindes?<br />

2. Welche Ratschläge erhalten zweisprachige<br />

Familien, die ihr Kind mit <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong> zweisprachig erziehen wollen?<br />

3. Welche Probleme und welche Vorteile<br />

bringt die zweisprachige Erziehung mit<br />

sich?<br />

4. Welchen Einfl uss, wenn überhaupt, haben<br />

die äußeren Lebensumstände des<br />

Kindes?<br />

Nach Festlegung des Erkenntnisziels werden<br />

die relevanten Fragen in Form eines<br />

Fragebogens erstellt.<br />

Der Fragebogen wurde an 32 Adressen<br />

im skandinavischen und deutschsprachigen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!