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Nr. 58 I Mai - Deutsches Down-Syndrom InfoCenter

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� � ERFAHRUNGSBERICHT<br />

Erfahrungen in einer jungen Familie<br />

Jolina-Lilly<br />

Ich möchte nie wieder eines meiner Kinder missen. Sie sind alle richtig und gehören zu uns. Ein Kind<br />

sucht sich seine Eltern aus und ich bin froh, dass sich Jolina uns als Eltern ausgesucht hat. Ich gebe zu,<br />

es ist nicht immer einfach, mit der Situation fertig zu werden. Ich sitze auch jetzt noch manchmal da<br />

und weine, weil ich alles ungerecht fi nde. Aber dann bin ich wieder stolz auf das, was wir geschaff t<br />

haben, und bin zuversichtlich, dass wir noch vieles schaff en werden.<br />

TEXT: JULIA LIPP-GEIGER<br />

Christkind Jolina-Lilly<br />

Als ich mit meinem dritten Kind schwanger<br />

wurde, war ich gerade 22 Jahre alt. Leo war<br />

erst sechs Monate alt und Angelina fast drei<br />

Jahre. Trotzdem freute ich mich, noch einmal<br />

ein Baby zu bekommen. Ich wünschte<br />

mir noch einmal ein Mädchen, weil dann<br />

Leo der einzige Junge wäre und dadurch<br />

als mittleres Kind nicht ganz zwischen der<br />

Großen und dem Baby untergehen würde.<br />

Die Schwangerschaft verlief aus medizinischer<br />

Sicht normal. Das Baby war zeitgerecht<br />

entwickelt und es sollte laut Ultraschallaufnahme<br />

ein Mädchen werden! Ich<br />

war beruhigt, weil ich meinem Frauenarzt<br />

vertraute. Trotzdem hatte ich irgendwie ein<br />

merkwürdiges Gefühl, das kann ich schlecht<br />

beschreiben. Ich merkte einfach, dass etwas<br />

anders war als bei den anderen beiden<br />

Schwangerschaft en. Ich fragte bei jeder Vorsorgeuntersuchung,<br />

ob wirklich alles mit<br />

dem Baby in Ordnung sei. Der Arzt sagte jedes<br />

Mal, dass alles passt, nur hätte sich die<br />

kleine Maus noch nicht gedreht, aber das<br />

könne sich bis zur Geburt noch ändern!<br />

Es sollte sich nicht mehr ändern. Die<br />

Kleine blieb in reiner Fußlage und hatte es<br />

in der 36. Schwangerschaft swoche, genau<br />

vier Wochen vor dem errechneten Geburtstermin,<br />

sehr eilig, auf die Welt zu kommen.<br />

Es musste wegen der Lage ein Notkaiserschnitt<br />

gemacht werden und ich bekam von<br />

der Geburt leider nichts mit. Als ich aus der<br />

Vollnarkose wieder aufwachte, war mein<br />

Mann mit unserem kleinen Christkind Jolina-Lilly<br />

da. Es war der 26. Dezember 2005.<br />

Als ich meine Tochter zum ersten Mal<br />

sah, merkte ich gleich, dass sie irgendwie<br />

anders aussah als meine anderen beiden<br />

Kinder nach der Geburt. Ich konnte nicht<br />

sagen, was anders war. Nachdem ich mich<br />

vergewissert hatte, dass sie äußerlich alles<br />

hat, was ein Baby haben muss, dachte ich<br />

nicht mehr an ihr Aussehen, sondern fand<br />

sie einfach nur süß!<br />

60 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>58</strong> I <strong>Mai</strong> 2008<br />

Der Kaiserschnitt hat mich ziemlich<br />

mitgenommen. Ich habe den ganzen Geburtstag<br />

verschlafen. Die Kleine wollte auch<br />

noch nicht so richtig trinken, das war mir<br />

in diesem Moment nur recht!<br />

Am zweiten Tag wollte ich Jolina bei mir<br />

im Zimmer haben, um sie endlich bewundern<br />

zu können. Sie konnte immer noch<br />

nicht richtig trinken und wollte auch nicht.<br />

Die Schwester meinte, das kommt schon<br />

noch. Als ich ihr so zusah, fi el mir ihre relativ<br />

lange und sehr aktive Zunge auf, mit der<br />

Jolina die ganze Zeit spielte. Gedanken darüber<br />

habe ich mir aber keine gemacht.<br />

Als ich am Abend die Nachtschwester<br />

fragte, ob sie denn schon Stuhlgang hatte,<br />

sagte sie nein, aber sie würde sich mal darum<br />

kümmern. Wenig später kam sie wieder<br />

und war etwas unsicher. Sie sagte, als sie<br />

mit dem Fieberthermometer die Darmtätigkeit<br />

etwas reizen wollte, fand sie leider<br />

keinen Darmausgang. Es war mittlerweile<br />

fast Mitternacht.<br />

Wenig später erklärte mir die Schwester,<br />

dass der Kinderarzt Jolina gerade untersucht<br />

hatte und sie jetzt sofort in die Kinderklinik<br />

verlegt werden müsse. Aber der<br />

Arzt würde mir gleich noch genauer Auskunft<br />

geben können.<br />

Der Kinderarzt versuchte, mir in Kurzform<br />

zu erklären, dass bei Jolina zwar ein<br />

Darmausgang angelegt sei, eine Rosette<br />

hätte sich gebildet, aber das entscheidende<br />

Löchlein fehlt eben. Diese Fehlbildung<br />

musste so schnell wie möglich durch<br />

einen operativen Eingriff behoben werden.<br />

Es kann bei solchen bestimmten Fehlbildungen<br />

auch noch sein, dass die Kleine eine<br />

geistige Behinderung hat, aber das müsse<br />

man erst abwarten, dazu will er nichts sagen.<br />

Ich fragte dann, was für eine Behinderung<br />

er denn meinte? Er sagte nur kurz:

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