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meinung 19./20. Oktober 2013 / Nr. 42<br />
Aus meiner Sicht ...<br />
gerda Röder<br />
Ein Tropfen weniger ins Meer<br />
Gerda Röder ist freie<br />
Journalistin. Von 1998<br />
bis 2004 war sie<br />
Chefredakteurin der<br />
Katholischen<br />
SonntagsZeitung.<br />
Da streiten sich nun die Gelehrten, wann es<br />
unserem Globus zu heiß wird. Mehr als 1000<br />
Seiten umfasst der fünfte Weltklimabericht.<br />
Über 800 Wissenschaftler haben daran mitgearbeitet.<br />
Viel Forscherfl eiß wird im 1988<br />
gegründeten Klimarat zusammengetragen.<br />
Aus aktuellen und historischen Beobachtungen<br />
des Klimas soll der künftige Verlauf der<br />
Temperatur erschlossen werden.<br />
Einigkeit besteht, dass der Meeresspiegel<br />
in den nächsten Jahrzehnten steigen wird,<br />
weil das Eis an den Polkappen schmilzt. Als<br />
Hauptursache gilt das Kohlendioxid, dessen<br />
Ausstoß seit Beginn der Industrialisierung<br />
ständig zunimmt. Aber um wie viel wird<br />
der Meeresspiegel steigen? 26 Zentimeter?<br />
82 Zentimeter? Das ist eine große Spanne in<br />
den Modellrechnungen. Die Klimaforscher<br />
sind sich aber in diesem Punkt einig: „Es ist<br />
extrem wahrscheinlich, dass der Mensch der<br />
Hauptverursacher für die Klimaerwärmung<br />
des 20. Jahrhunderts ist.“<br />
Für die einen sind diese Ergebnisse Grund<br />
zur Panik. Sie sehen in naher Zukunft große<br />
Teile des Lebensraums von Mensch und Tier<br />
in den Fluten versinken. Andere halten sich<br />
an die harmlos klingende Untergrenze, die<br />
Unsicherheit der Voraussagen, die voneinander<br />
abweichenden Berechnungen und bleiben<br />
sorglos.<br />
„Strom kommt sowieso ins Haus. Nutz das<br />
aus!“ So warben die Elektrizitätswerke in den<br />
50er Jahren des vorigen Jahrhunderts um vermehrte<br />
Stromabnahme im Haushalt. Inzwischen<br />
verbrauchen die Privathaushalte fast<br />
ebenso viel Energie wie die Industrie. Aber<br />
noch kann nicht ausreichend Energie gewonnen<br />
werden, ohne dass dabei Kohlendioxid<br />
entsteht. Nun ist Energiesparen angesagt. Das<br />
ist in vieler Hinsicht erstrebenswert, auch<br />
wenn ungewiss ist, ob dadurch ein Tropfen<br />
weniger Wasser ins Meer gelangt. Energie, die<br />
nicht gebraucht wird, muss nicht produziert<br />
werden. Und da kann jeder mitwirken. Fatal<br />
ist die Ausrede: Das bisschen Strom, das ich<br />
sparen kann, macht doch nichts aus. Verantwortlich<br />
für den Gesamtverbrauch sind alle<br />
– und das ist jeder und jede einzelne.<br />
Jürgen liminski<br />
Abtreibung auf der Tagesordnung<br />
Jürgen Liminski ist<br />
Publizist, Buchautor<br />
und Moderator beim<br />
Deutschlandfunk.<br />
Im Europäischen Parlament tobt derzeit hinter<br />
den Kulissen ein verbissener Kampf um<br />
Leben und Tod. Es geht um Abtreibung in allen<br />
EU-Ländern. Die Befürworter des Lebens<br />
haben mit einer europaweiten Bürgerpetition<br />
namens „Einer von uns – one of us“ bereits<br />
jetzt vor Ablauf der Frist im November einen<br />
unerwartet großen Erfolg erzielt, der die<br />
Befürworter eines Rechts auf Abtreibung<br />
aufgeschreckt hat. Diese Gegner des ungeborenen<br />
Lebens wollen mit einer Resolution den<br />
Erfolg der Bürgerpetition, die von mehr als<br />
1,2 Millionen EU-Bürgern in mehr als zehn<br />
Ländern unterschrieben wurde, neutralisieren<br />
und noch im Oktober durch die Hintertür<br />
das unbeschränkte Recht auf Abtreibung<br />
auf die Tagesordnung der Politik in Europa<br />
setzen.<br />
Konkret wollen die Befürworter der Abtreibung<br />
durch das EU-Parlament mittels<br />
eines Resolutionsentwurfs (A7-0306/2013)<br />
die Geldmittel der EU für Organisationen,<br />
die Abtreibungen durchführen oder fördern,<br />
nicht nur sichern, sondern erhöhen. Diese<br />
Gelder sind durch die Bürgerinitiative gefährdet.<br />
Denn sie zwingt die EU-Kommission,<br />
die Mittel einzufrieren oder umzuwidmen.<br />
Es geht um mindestens 144 Millionen<br />
Euro. Der Geldfl uss für die Kultur des Todes<br />
soll gestoppt werden. Für den demografisch<br />
ohnehin stark geschwächten, alternden Kontinent<br />
wäre dieser Stopp sehr belebend.<br />
Am 22. Oktober soll über die Resolution<br />
abgestimmt werden. Sie ist rechtlich zwar<br />
nicht bindend. Aber sie würde politisch der<br />
abtreibungswilligen EU-Kommission als<br />
Rechtfertigung dienen, den Willen der Bürger<br />
zu missachten und weiter das Geschäft des<br />
Todes zu betreiben. Sollte die Resolution allerdings<br />
keine Mehrheit finden oder auch erst auf<br />
die Tagesordnung des Parlaments kommen,<br />
wenn die Petition bereits eingereicht ist, also<br />
Ende November, dann würde die Wirkung<br />
verpuffen. Herr der Tagesordnung ist der Parlamentspräsident<br />
und deutsche SPD-Politiker<br />
Martin Schulz. Er ist für das Recht auf Abtreibung.<br />
Hier zeigt sich das wahre Gesicht<br />
der sich humanitär gebenden Sozialisten.<br />
evelyn Christel<br />
„Vatikan: Hort des Verbrechens?“<br />
Evelyn Christel ist<br />
Redakteurin unserer<br />
Zeitung.<br />
Es geht bei dieser gruseligen Schlagzeile nicht<br />
um amerikanische Kriminalliteratur. Auch<br />
die reißerischen Berichte mancher Magazine<br />
zu Kirchenthemen stehen nicht im Blickfeld<br />
dieses Kommentars, sondern ein ganz bescheidenes<br />
Thema: Statistik.<br />
Gern nährt sich die Leselandschaft aus<br />
Umfragen, Erhebungen, Zahlen und Daten.<br />
Daraus entstehen dann Meldungen wie:<br />
„Schokolade macht dünn“, „Die Bahn ist<br />
pünktlich“ oder „Genmais erzeugt Krebs“. Je<br />
alarmierender die Meldung, desto besser! Mag<br />
sein, dass wir aufgrund der Geschichte des<br />
vergangenen Jahrhunderts nervöse Leute sind<br />
und uns schnell aus der Ruhe bringen lassen.<br />
Aber es rentiert sich, näher hinzusehen.<br />
„Die Unstatistik des Monats“ heißt eine<br />
Initiative von drei Professoren, die diese Faxen<br />
dicke haben. Ein Psychologe, ein Ökonom<br />
und ein Statistiker greifen regelmäßig ein aktuelles<br />
Beispiel auf und entschärfen den Blödsinn<br />
von Fehlinterpretationen und Panikmache.<br />
Auf der Seite www.unstatistik.de wollen<br />
sie dazu beitragen, „mit Daten und Fakten<br />
vernünftig umzugehen, in Zahlen gefasste<br />
Abbilder der Wirklichkeit korrekt zu interpretieren<br />
und eine immer komplexere Welt und<br />
Umwelt sinnvoller zu beschreiben“.<br />
Wichtig ist der Unterschied zwischen Korrelation<br />
und Kausalität. Ersteres ist eine Beziehung<br />
zwischen Merkmalen, die eine Studie<br />
feststellen kann. Etwa: Je weniger Haare ein<br />
Mann auf dem Kopf hat, desto mehr Geld verdient<br />
er. Daraus folgt aber nicht, dass Männer<br />
durch Haarausfall ihr Einkommen erhöhen<br />
können. Vielmehr: Je älter Männer werden,<br />
desto höher steigen manche berufl ich auf. Zugleich<br />
ändert sich ihre Frisur altersbedingt.<br />
Und so erklärt sich die Überschrift dieses<br />
Kommentars: Jährlich kommen 18 Millionen<br />
Besucher in den Vatikan. Die Polizei<br />
verzeichnet die Zahl der Delikte aber nur<br />
pro Einwohner. Daher fielen im Jahr 2011<br />
auf 492 Vatikanbürger 640 Zivil- und<br />
226 Strafverfahren. Das wären jährlich 1,7<br />
Straftaten pro Kopf. Glücklicherweise kann<br />
das Auswärtige Amt Statistiken lesen und rät<br />
nicht von Romwallfahrten ab.