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der dank des Bischofs geht an viele

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fORTSeTzungSROmAn 19./20. Oktober 2013 / Nr. 42<br />

Hilde schien von<br />

einer Art Reisefieber gepackt<br />

zu sein. Aus ihrer 42Auch<br />

Schürze holte sie einen roten Lappen<br />

und riss ihn in vier Streifen.<br />

Zwei davon gab sie Ursula. „Hier,<br />

hefte das an dein Kleid. Es ist das<br />

Zeichen für die Wallfahrt und das<br />

Pilgergelübde, nicht umzukehren.“<br />

Ursula war fast feierlich zumute, als<br />

sie sich die roten Streifen überkreuz<br />

an ihr Kleid nähte.<br />

In dieser Nacht konnte sie kaum<br />

schlafen. Zu viele Gedanken<br />

schwirrten ihr im Kopf umher. Sie<br />

dachte an Jerusalem, wie es einst der<br />

Mönch den Bauernkindern geschildert<br />

hatte. Sie fragte sich, wie es<br />

jetzt wohl auf dem Hof des Bauern<br />

Matthes war.<br />

Dann kramte sie aus ihrer Tasche<br />

ihre beiden Figürchen. Der Bär war<br />

sie selber – und der kleine Engel?<br />

Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie<br />

küsste das Engelchen zärtlich. „Ja,<br />

meine kleine Ester, du bist jetzt bestimmt<br />

ein Engel. Bete für mich,<br />

bitte Gott um seinen Beistand für<br />

uns.“ Mit diesen Gedanken schlief<br />

sie schließlich ein.<br />

Regensburg<br />

7. Mai 1096<br />

Am nächsten Morgen war sie<br />

noch vor Hilde wach. Kaum hatte<br />

sie die Augen aufgeschlagen, war<br />

da schon der aufregende Gedanke:<br />

„Heute geht es los. Wir machen<br />

uns auf den Weg nach Jerusalem.“<br />

Jetzt konnte sie nichts mehr auf<br />

dem Lager halten.<br />

Sie stand auf, räumte ihre Sachen<br />

zusammen und legte sie gleich<br />

zu den anderen Dingen auf den<br />

Wagen. Als sie anschließend in die<br />

Fischerhütte kam, war Jakobs Frau<br />

gerade dabei, Brei zu bereiten. Ursula<br />

half ihr und setzte auch gleich<br />

einen Kräutersud an. Sie, Jakob<br />

und seine Frau löffelten bereits ihren<br />

Brei, als Hilde endlich auch erschien.<br />

Sie hatte anscheinend nicht<br />

so gut geschlafen. Wortkarg<br />

wünschte sie einen guten Morgen<br />

und machte sich dann über ihre<br />

Schale Brei her. Erst nach einigen<br />

Schlucken des warmen Kräuteraufgusses<br />

wurde sie lebendiger.<br />

„Jakob, sag, wo liegen die Baumstämme<br />

der Flößer?“ wollte sie wissen.<br />

„Ist es weit bis dahin?“<br />

„Nun, ihr werdet schon ein<br />

Stück flussab laufen müssen“, antwortete<br />

der Alte ihr. „Ich denke, es<br />

sind etwa zwei Stunden Weg, aber<br />

mit eurem Karren werdet ihr sicherlich<br />

länger brauchen. Ich werde<br />

euch aber begleiten und den<br />

Weg zeigen.“<br />

„Dann reicht es ja, wenn wir um<br />

die Mittagsstunde herum aufbrechen,<br />

oder? Ich möchte doch noch<br />

mal in die Stadt gehen und unsere<br />

Hilde macht den Flößern<br />

klar, dass sie den Männern<br />

ausschließlich als<br />

Köchinnen und Heilkundige<br />

zur Verfügung stehen<br />

würden. Zudem<br />

versprechen die beiden<br />

Frauen, eine angemessene<br />

Summe für die<br />

Überfahrt zu zahlen. Damit<br />

erklären sich die Flößer<br />

einverstanden. Schon am<br />

übernächsten Tag soll in aller<br />

Frühe aufgebrochen werden.<br />

Vorräte aufbessern. Etwas mehr an<br />

Körnern für Brei und haltbare<br />

Wurzeln können nicht schaden.“<br />

Jakob nickte, und so machte sich<br />

Hilde, gleich nachdem sie aufgegessen<br />

hatten, auf.<br />

„Willst du mit?“ fragte sie Ursula.<br />

„Nein, lass mich ruhig hier sitzen.<br />

Ich mag jetzt nicht durch die<br />

Gassen hasten“, antwortete sie der<br />

Freundin. Seit den schrecklichen<br />

Erlebnissen der Vortage hatte sie<br />

keine Lust mehr, sich in die Stadt<br />

zu begeben.<br />

„Wenn du möchtest, kannst du<br />

mich im Boot begleiten“, bot sich<br />

Jakob an. „Ich will heute morgen<br />

ein paar Stellnetze und Reusen<br />

kontrollieren.“<br />

Diese Idee fand Ursula gut, und<br />

sie willigte freudig ein. „Ja, gerne.<br />

Kannst du mir dann auch zeigen,<br />

wie man mit Schnüren fischt?“<br />

„Ja sicher, und wer weiß, vielleicht<br />

haben wir Glück und fangen<br />

einen dicken Fisch für eure Vorräte.“<br />

Jakob strahlte über das ganze<br />

Gesicht. Er und seine Frau hatten<br />

keine Kinder, und schon oft hatte<br />

er sich nicht nur Begleitung bei seiner<br />

Arbeit, sondern auch einen<br />

jungen Menschen gewünscht, der<br />

Interesse an der Fischerei zeigte.<br />

Als sie sich alle beim höchsten<br />

Stand der Sonne wieder in der<br />

Hütte trafen, hatte Hilde noch einen<br />

Sack Getreide, etwas Mehl und<br />

auch einige Zwiebeln und Wurzeln<br />

auf die Karre geladen und ihr Gefährt<br />

bereits aus der Scheune gezogen.<br />

Ursula und Jakob hatten nicht<br />

viel Glück gehabt. In den Netzen<br />

und Reusen waren nur einige kleine<br />

Fische und ein Aal gewesen, und<br />

mit den Schnüren hatten sie nur<br />

zwei eher zu kleine Flussbarsche<br />

gefangen.<br />

Foto: akg-images/<br />

Erich Lessing<br />

Sie aßen alle etwas Brei und dazu<br />

geräucherten Fisch. Dann verabschiedeten<br />

sich die beiden Freundinnen<br />

von Jakobs Frau.<br />

Wissend, dass Jakob niemals<br />

Geld von ihnen annehmen würde,<br />

drückte Hilde seiner Frau beim<br />

Abschied zwei Münzen mit einem<br />

Augenzwinkern in die Hand. Dann<br />

machten sie sich auf den Weg.<br />

Hilde und Ursula zogen den<br />

Karren hinter sich her, und Jakob<br />

half durch kräftiges Schieben, wenn<br />

es bergauf ging. Nicht lange, und<br />

sie waren durch eine Gasse am<br />

Rand der Stadt angekommen.<br />

Der Weg führte durch eine weite<br />

Lücke in der Stadtmauer hinaus<br />

zwischen die Felder, das Flussufer<br />

entlang. Als sie die bestellten Flächen<br />

hinter sich ließen, wurde der<br />

Weg sogleich schlechter. Selbst zu<br />

dritt hatten sie große Mühe, das<br />

Gefährt über Stock und Stein zu<br />

bewegen. Sie brauchten sehr viel<br />

länger, als Jakob gedacht hatte. Erst<br />

am späten Nachmittag konnten sie<br />

die große Menge an Baumstämmen<br />

im Wasser des Flusses entdecken.<br />

Am Ufer standen zwei Zelte, und<br />

dazwischen war eine Feuerstelle.<br />

Aufatmend, dass sie es gleich geschafft<br />

hätten, hielten sie auf das<br />

Lager der Flößer zu.<br />

Bei den Zelten waren drei Männer,<br />

die anderen hörte Ursula vom<br />

Fluss her, einander kurze Sätze zurufend.<br />

Als sie zwischen die Zelte<br />

traten, blickten die Männer nur<br />

kurz auf, beachteten sie dann aber<br />

nicht weiter. Nur einer grüßte Jakob:<br />

„He, Jakob, fängst du keine<br />

Fische mehr?“<br />

Der alte Fischer trat auf den<br />

Mann zu und gab ihm die Hand.<br />

Die kurze Rede der beiden konnte<br />

Ursula nicht verstehen. Doch<br />

von Jakob informiert, wandte sich<br />

der Flößer den beiden Frauen zu.<br />

„Schlagt da drüben euer Lager auf.“<br />

Er wies auf einen freien Platz neben<br />

einem der beiden Zelte. Ursula<br />

und Hilde zogen ihr Gefährt dort<br />

hin, holten ihre Plane und die<br />

Stangen herunter und spannten ihr<br />

Zelt auf. Dann warfen sie ihre<br />

Strohsäcke hinein. Den Rest ihrer<br />

Sachen ließen sie auf der Karre. Jakob<br />

kam zu ihnen. „So, ich muss<br />

mich sputen, wenn ich nicht in die<br />

Dunkelheit kommen will. Hilde,<br />

Ursula, geht mit Gott und lebt<br />

wohl“, sagte der alte Fischer und<br />

gab beiden die Hand. Dabei sah er<br />

ihnen in die Augen, und Ursula<br />

war, als wolle sich der alte Fischer<br />

ihr Gesicht nochmal einprägen, sicher,<br />

es nie mehr wiederzusehen.<br />

Bei diesem Gedanken spürte sie einen<br />

Kloß in ihrem Hals. Sie fühlte,<br />

wie ihr Herz schneller zu schlagen<br />

begann.<br />

Jakob ging, und Ursula stand<br />

mit Hilde neben den Zelten.<br />

Sie wussten nicht, was sie tun<br />

sollten, und sahen sich erst einmal<br />

um. Am Rande des Feuers reckten<br />

drei große, aufgespießte Fische ihre<br />

Köpfe in die Luft. Ihre Haut war<br />

bereits braun, Fett und Saft tropfte<br />

auf die Steine, die das Feuer umschlossen.<br />

Die Männer waren offensichtlich<br />

mit Packen beschäftigt<br />

und beachteten die beiden Frauen<br />

weiterhin nicht. Ursula ging hinunter<br />

zum Ufer des Flusses. Vor ihr<br />

breitete sich eine kaum überschaubare<br />

Menge Baumstämme aus, die<br />

im Wasser schwammen. Sie sah<br />

vier Männer, die sich flink auf diesen<br />

schwimmenden Stämmen bewegten.<br />

Sie sprangen darüber, als<br />

wäre es fester Boden unter ihren<br />

Füßen. Ursula sah ihnen zu, wie sie<br />

die Stämme am Rande mit Seilen<br />

verbanden und so alles Holz in einen<br />

Rahmen einschlossen. Hinter<br />

all den Stämmen nahe beim Lager<br />

hatten die Flößer eine Anzahl<br />

Stämme eng zusammengebunden.<br />

Am hinteren Ende und weiter vorne<br />

war jeweils mit einigen Brettern<br />

eine Plattform erstellt worden. Auf<br />

einer dieser Plattformen lagen Steine,<br />

wie für eine Feuerstelle. Ursula<br />

wunderte sich. Jetzt erst merkte sie,<br />

dass sie sich bisher keine Gedanken<br />

darüber gemacht hatte, wie sie auf<br />

dem Fluss reisen würden.<br />

DIE KREUZFAHRERIN<br />

Stefan Nowicki<br />

Gebunden, 384 S.<br />

Sankt Ulrich Verlag<br />

19,95 EUR<br />

Fortsetzung folgt

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