You also want an ePaper? Increase the reach of your titles
YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.
19./20. Oktober 2013 / Nr. 42 THemA deR WOCHe<br />
Afrika-Experte Martin Sturmer sieht<br />
den Schwarzen Kontinent im Aufwärtstrend.<br />
Sturmer es nennt. „,Ich kann‘s nicht<br />
mehr hören‘, ‚Afrika ist doch eh ein<br />
hoffnungsloser Fall‘ – das sind typische<br />
Kommentare“, sagt Sturmer.<br />
Um trotzdem Aufmerksamkeit zu<br />
wecken, greifen viele Medien und<br />
auch manche Hilfsorganisa tionen zu<br />
immer drastischeren Bildern, erhöhen<br />
Opferzahlen künstlich, liefern Sensationsmeldungen<br />
statt Hintergründe.<br />
Diese Strategie könne kurzfristig zu<br />
großer Solidarität und hohem Spendenaufkommen<br />
führen, schade aber<br />
langfristig, weiß missio-Sprecher Johannes<br />
Seibel. „Deswegen arbeiten<br />
wir nicht mit Bildern, die betroffen<br />
machen, sondern zeigen Fortschritte.<br />
Das möchten unsere Spender<br />
auch wissen: dass ihr Geld ankommt<br />
und etwas bewirkt.“ Das katholische<br />
Hilfswerk investiert daher in Ausbildung<br />
und arbeitet kontinuierlich mit<br />
den Ortskirchen zusammen.<br />
Ein ähnliches Konzept schlägt<br />
Martin Sturmer für die mediale Darstellung<br />
Afrikas vor: die Zusammenarbeit<br />
mit afrikanischen Journalisten.<br />
Ohnehin können sich immer weniger<br />
Medienhäuser einen Korrespondenten<br />
vor Ort leisten. Und selbst wenn:<br />
„Afrika besteht aus 54 Staaten, die<br />
Standorte der Auslandskorrespondenten<br />
konzentrieren sich aber auf<br />
die wenigen internationalen Medien-<br />
Bilder wie dieses von einem unterernährten<br />
Kleinkind haben viele Deutsche<br />
im Kopf, wenn sie an Afrika denken.<br />
zentren des Kontinents – Nairobi,<br />
Kairo, Kapstadt und Johannesburg.“<br />
Der Experte rechnet damit, dass sich<br />
der Trend der internationalen Zusammenarbeit<br />
allein schon aus ökonomischen<br />
Gründen durchsetzen<br />
wird. Internationale Medien wie die<br />
britische Zeitung „The Guardian“<br />
oder der arabische Nachrichtensender<br />
„Al Jazeera“ setzen schon jetzt auf<br />
die Kollegen vor Ort.<br />
Was für Afrika gilt, lässt sich auf<br />
andere Regionen übertragen: Afghanistan,<br />
Haiti, der Balkan – sie alle<br />
verschwinden schnell von den Bildschirmen,<br />
wenn eine andere Nachricht<br />
mehr Dramatik und Aufmerksamkeit<br />
verspricht. Durch dieses<br />
„Krisen-Hopping“ geht langfristiges<br />
Elend oftmals unter; positive Entwicklungen<br />
werden nahezu vollständig<br />
ignoriert.<br />
Sturmer plädiert deswegen für einen<br />
Perspektivwechsel. Es sei „Zeit,<br />
die Ohren zu öffnen“ für die Stimmen,<br />
die aus anderen Teilen der Welt<br />
immer lauter würden. Sonst bleibe<br />
alles so, wie es der schwedische Autor<br />
Henning Mankell treffend beschrieben<br />
hat: „Wenn wir uns am Bild der<br />
Massenmedien orientieren, lernen<br />
wir heute alles darüber, wie Afrikaner<br />
sterben, aber nichts darüber, wie<br />
sie leben.“ Paula Konersmann<br />
Mit seiner Afrika-Reise 2011 setzte Benedikt XVI. ein Zeichen der Hoffnung.<br />
Bischöfe fordern umdenken<br />
Nach dem zweiten Flüchtlingsunglück vor Lampedusa reißt<br />
die Kritik an der europäischen Asylpolitik nicht ab<br />
BERLIN/MÜNCHEN (epd) –<br />
Nach den Flüchtlingskatastrophen<br />
vor Lampedusa fordern Bischöfe<br />
und Politiker eine Wende in der<br />
EU-Flüchtlingspolitik. Er hoffe,<br />
dass Lampedusa ein entsprechender<br />
„Weckruf“ für die Politik war,<br />
sagte der Vorsitzende der katholischen<br />
Deutschen Bischofskonferenz,<br />
Erzbischof Robert Zollitsch.<br />
„Wir dürfen Europa nicht als Festung<br />
ausbauen, in die keiner mehr<br />
hinein darf“, betonte Zollitsch. Europa<br />
sei „angesichts der demografischen<br />
Entwicklung eher ein sterbender<br />
Kontinent“, der dringend auf<br />
Zuwanderung angewiesen sei.<br />
Auch der Bischof der Evangelischen<br />
Kirche Berlin-Brandenburgschlesische<br />
Oberlausitz, Markus<br />
Dröge, forderte eine neue Flüchtlingspolitik.<br />
„Die Verantwortung<br />
für die Aufnahme von Flüchtlingen<br />
innerhalb der EU muss neu geregelt<br />
und gerecht auf alle Länder verteilt<br />
werden. Denn die sogenannte Dublin-Verordnung<br />
belastet die Staaten<br />
an den Grenzen der EU überproportional“,<br />
sagte Dröge. Europa müsse<br />
gefahrenfreie Korridore für Schutzsuchende<br />
eröffnen, um kriminellen<br />
Schlepperorganisationen die Geschäftsgrundlage<br />
zu entziehen.<br />
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation<br />
„United“ wurden<br />
zwischen 1993 und Oktober 2012<br />
an den europäischen Grenzen 17 306<br />
tote Flüchtlinge gezählt. Hinzu<br />
kommt eine unbekannte Zahl der<br />
nicht registrierten Todesfälle.<br />
marx ruft zu Solidarität auf<br />
Der Münchner Kardinal Reinhard<br />
Marx rief zu Solidarität mit Flüchtlingen<br />
auf und kritisierte erneut<br />
die europäische Flüchtlingspolitik.<br />
„Hinter den Tragödien von Lampedusa<br />
steckt der Gedanke, möglichst<br />
zu verhindern, dass jemand<br />
europäischen Boden betritt“, sagte<br />
der Erzbischof. Auch wenn Europa<br />
nicht jeden aufnehmen könne, dürfe<br />
man niemanden an den Grenzen zu<br />
Tode kommen lassen, betonte Marx.<br />
„Die Flucht der Menschen wird immer<br />
schwieriger gemacht“, kritisierte<br />
auch Pater Dieter Müller vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst<br />
Deutschland<br />
die Situation. Die meisten Länder<br />
mit Außengrenzen seien weit stärker<br />
belastet als Deutschland. Dennoch<br />
sei Deutschland „Nummer 1 unter<br />
den blockierenden Staaten“.<br />
Thomas Oppermann, Erster Parlamentarischer<br />
Geschäftsführer der<br />
SPD-Bundestagsfraktion, erklärte<br />
in Berlin: „Die Zustände vor und<br />
auf Lampedusa sind eine Schande<br />
für Europa. Europa wird seinen eigenen<br />
Ansprüchen von Freiheit und<br />
Menschenrechten nicht gerecht.“<br />
Die unkontrollierte Einwanderung<br />
von Flüchtlingen müsse durch eine<br />
gemeinsame Einwanderungspolitik<br />
der EU ersetzt werden. „Es ist falsch,<br />
dass die Bundesregierung dies bislang<br />
verhindert hat.“<br />
Die Integrationsbeauftragte der<br />
Bundesregierung, Maria Böhmer<br />
(CDU), hat für Flüchtlinge auf<br />
Lampedusa eine menschenwürdige<br />
Aufnahme gefordert. Die Bedingungen<br />
seien menschenunwürdig und<br />
entsprächen nicht den europäischen<br />
Standards, sagte Böhmer. Die Regeln,<br />
die in Europa gelten, müssten<br />
eingehalten werden, betonte sie.<br />
Hunderte Tote<br />
Die Insel Lampedusa ist Jahr für<br />
Jahr das Ziel Tausender Bootsflüchtlinge<br />
aus Afrika. Flüchtlingsorganisationen<br />
beklagen eine schlechte<br />
Versorgung der Flüchtlinge. Bei<br />
einem erneuten schweren Bootsunglück<br />
südlich der Inseln Malta und<br />
Lampedusa sind kürzlich erneut<br />
Dutzende von Menschen ums Leben<br />
gekommen. Erst vor wenigen<br />
Wochen waren über 300 Menschen<br />
vor der Insel ertrunken.<br />
Hilfe aus Rom<br />
Franziskus spendet<br />
ein Spielezelt<br />
ROM (KNA) – Papst Franziskus hat<br />
1600 Telefonkarten für Flüchtlinge<br />
auf der Insel Lampedusa gespendet.<br />
Laut der vatikanischen Tageszeitung<br />
„Osservatore Romano“<br />
wurden die Karten vom päpstlichen<br />
Almosenmeister Erzbischof<br />
Konrad Krajewski auf der Insel<br />
verteilt. Sie sollen den Betroffenen<br />
helfen, den Kontakt mit ihren<br />
Verwandten in der Heimat zu<br />
halten. Zudem sei für die Kinder<br />
im Aufnahmelager mit päpstlichen<br />
Geldern ein Spielezelt angeschafft<br />
worden. Nach Angaben<br />
des „Osservatore“ legte Krajewski,<br />
den der Papst als persönlichen<br />
Berichterstatter nach Lampedusa<br />
entsandt hatte, nach seiner Rückkehr<br />
von der Insel dem Papst seinen<br />
Abschlussbericht vor. Franziskus<br />
hatte das erste Bootsunglück<br />
vor Lampedusa, bei dem mehr als<br />
300 Flüchtlinge starben, als eine<br />
„Schande“ bezeichnet, für die sich<br />
die ganze Welt schämen solle.