150 Jahre Stift Olsberg
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Karl Gerber (1931–1942)<br />
Die Regierung stellte sich die Frage einer Reorganisation oder Aufhebung der Anstalt.<br />
Man prüfte die Verlegung der Zöglinge in andere Anstalten. Die Umwandlung in eine<br />
«Bewahrungs- oder Zwangserziehungsanstalt» wurde wegen der Nähe zum Kurstädtchen<br />
Rheinfelden schliesslich ebenso verworfen wie die Umwandlung in eine Mädchenerziehungsanstalt.<br />
Die verschiedenen Kapitalfonds stellte man jetzt unter staatliche Aufsicht. Der Ausstattungsfonds<br />
war bereits unter staatlicher Aufsicht. Der Reisefond war eine Schenkung<br />
eines langjährigen Präsidenten der Aufsichtskommission. Die Reisekasse wurde durch<br />
die einträgliche Freizeitbeschäftigung der Zöglinge mit dem Verkauf von «Lischen» (Seegras)<br />
gefüllt, erschien aber bisher nie in der Betriebsrechnung. Reisefond und Reisekasse<br />
wurden zusammengelegt.<br />
Die Witwe des Vorgängers Carl Sommerhalder übernahm interimistisch die administrative<br />
Leitung der Anstalt. Die erzieherische Leitung hatte ein Mitglied der Aufsichtskommission<br />
inne. Ungeachtet der Diskussion um die Reorganisation wählte die Regierung<br />
Herrn Gerber als Hausvater. Nach sechs <strong>Jahre</strong>n verlor dieser seine Ehefrau. Nach<br />
erneuter Heirat konnte 1939 Hausvater Gerber wiedergewählt werden. «Herr Gerber<br />
selbst ist ein tadelloser, aufopfernder Hausvater. Leider ist er aber oft nachlässig in<br />
der Besorgung der Verwaltungsarbeiten. Trotzdem beantragt die Aufsichtskommission<br />
einstimmig die Wiederwahl des Vorstehers aus der Erwägung heraus, dass vor<br />
allem die pädagogischen Fähigkeiten für die Güte eines Anstaltsvorstehers entscheidend<br />
seien.»<br />
Herr Gerber erkrankte 1940 schwer. Der einzige Lehrer und die Hausmutter bewältigten<br />
alleine das Riesenpensum. Die Anstellung einer Aushilfslehrkraft verzögerte sich.<br />
Man erwog eine vorzeitige Pensionierung des Hausvaters, die aber aufgrund fehlender<br />
ärztlicher Unterlagen nicht erfolgen konnte.<br />
Frau Gerber hatte sich in der Zwischenzeit «… schwere sittliche Verfehlungen gegenüber<br />
Zöglingen der Anstalt zuschulden kommen lassen. … Inzwischen wurde Frau Gerber<br />
bereits in Untersuchungshaft verbracht, …. Wie sich aus den vorliegenden Akten<br />
ergibt, hatte der Hausvater Gerber, der Ehemann der Delinquentin, von den Verfehlungen<br />
Kenntnis, ohne dass er davon den Vorgesetzten – oder den Aufsichtsorganen<br />
Kenntnis gab.» Frau Gerber wurde wegen Verführung in sechs Fällen mit 2 1 ⁄2 <strong>Jahre</strong>n<br />
Zuchthaus und Einstellung in den bürgerlichen Ehren und Rechten während 5 <strong>Jahre</strong>n<br />
nach Verbüssung der Strafe verurteilt. Der Hausvater musste demissionieren.<br />
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