150 Jahre Stift Olsberg
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Dinge mehrdeutig sind. Es lässt sich jedoch nicht vorausberechnen, auf welche Seite der<br />
Vielstimmigkeit von Bedeutungen sich der Nachwuchs schlagen wird. Das markiert eine<br />
Grenze der Einflussnahme von Erwachsenen auf Kinder. Denn Eltern können nicht erwarten,<br />
dass ihre Kinder so werden wie sie selbst. Es wäre ebenfalls eine Illusion zu meinen,<br />
wenn man nur alles dran setzt, könne man auf direktem Wege erreichen, dass Kinder anders<br />
werden als man selbst. Bewusste Sinnbildung heisst, auch dieses zu realisieren und die Einsicht<br />
zu leben, dass man Menschen nicht verändern kann. Man kann nur sich selbst ändern.<br />
Heisst das, Erwachsene müssen alles hinnehmen, was Kinder als für sich persönlich<br />
bedeutsam betrachten?<br />
Zunächst bedeutet dies, dass nichts und niemand Kindern in den Prozess der persönlichen<br />
Sinnbildung hineinreden kann. Kinder bestimmen ihr Leben selbst und nehmen<br />
sich auch als Wesen wahr, die selbst etwas bewirken können. Anfangs sind die Mittel,<br />
über die sie verfügen, noch sehr beschränkt. Und doch wirken sie auf ihr Umfeld ein<br />
und sei es, dass sie als übererregbare «Schreikinder» auf sich aufmerksam machen. Mit<br />
ihrem Schreien steuern sie die Erwachsenen, um ihrer Erregung mächtig zu werden.<br />
Zu Lebensbeginn ist ein Kind schutzlos und muss von einem Erwachsenen „abgeschirmt“<br />
werden. Und es braucht das Gefühl wahrgenommen zu werden, um wachsen<br />
zu können. Die Erfahrungen, die es mit seinem Geschrei macht, bewertet es aber selbst.<br />
Wie Kinder das, was sie erfahren, bewerten, ist höchst unterschiedlich und es entzieht<br />
sich dem Zugriff von aussen. Das mag erklären, warum sie auf ähnliche Erfahrungen<br />
unterschiedlich reagieren. Man kann keinem Menschen vorschreiben, was er zu fühlen<br />
hat. Er selbst bestimmt, was er meint zu brauchen, weil er so und nicht anders fühlt. Für<br />
Erwachsene ist es deshalb nicht immer leicht zu erkennen, ob es einem Kind mit seinem<br />
Schreien um Abschirmung geht oder darum, Aufmerksamkeit zu bekommen oder<br />
um beides. Geschwisterkinder sind nicht in erster Linie unterschiedlich, weil sie unterschiedliche<br />
Gene haben. Auch wenn Eltern alles daran setzen, ihre Kinder gleich zu<br />
behandeln, werden diese das, was sie erfahren, unterschiedlich verarbeiten. All dies<br />
bedeutet nicht, dass Erwachsene alles hinnehmen müssen, was Kinder wollen, weil es<br />
ihnen persönlich wichtig ist. Aber diese Grenze von Erziehung kann zu Irritationen und<br />
die innere Dynamik von Entwicklung kann zu Konflikten führen.<br />
Aufwachsen und Erziehung sind also Prozesse, in denen Konflikte und Krisen keine<br />
«Betriebsunfälle» sind, sondern dazu gehören?<br />
Kinder wollen selbst Erfahrungen machen und diese selbst bewerten. Das meint nach<br />
Auffassung der KHS, Lernen durch Erfahrungen. Aber sie verhalten sich dabei nicht wider-<br />
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