150 Jahre Stift Olsberg
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finden. Das Hauptproblem sieht die KHS jedoch nicht darin, dass es so viele unterschiedliche<br />
Orientierungen zu Fragen der Erziehung gibt. Ihrer Auffassung nach ist die Erwartung,<br />
es könnte Eindeutigkeit und Einheitlichkeit wirklich geben, das eigentliche Problem.<br />
Im Unterschied zu früher verändern sich die Lebensumstände immer schneller und damit<br />
auch die für zuverlässig gehaltenen Wahrheiten. Traditionen lösen sich auf. Dies in erster<br />
Linie aber nicht deshalb, weil Menschen weniger Traditionsbewusstsein haben, sondern<br />
weil die Welt, in der wir leben, immer mehr Wissen produziert. Und das Wissen überlebt<br />
sich selbst schneller. Veränderungen müssen so zunehmend rascher von jedem Einzelnen<br />
verarbeitet werden. Doch auch traditionelle Werte waren stets Orientierungen, die nur<br />
für eine bestimmte Zeit Gültigkeit besassen. Insofern gab es nie für immer gültige Wahrheiten.<br />
Das Besondere an unserer heutigen Zeit liegt darin, dass dies offensichtlicher wird.<br />
Die Widersprüchlichkeit und Vieldeutigkeit wirft Eltern und Erzieher auf sich selbst<br />
zurück. Diejenigen, die das Aufwachsen von Kindern begleiten, haben heute das Problem,<br />
sich selbst Orientierungen schaffen zu müssen. So schwierig diese Situation auch<br />
ist, soviel Ratlosigkeit sie auch auslösen mag, sie macht etwas deutlich, was stets für<br />
Erziehung entscheidend war. Ob Erziehung auch wirksam wird, hängt vor allem davon<br />
ab, welchen Sinn Eltern und Kinder mit einem bestimmten Wissen für ihr Leben verbinden<br />
und wie bewusst sie das, was sie für sinnvoll halten, auch leben.<br />
Was bedeutet es, Sinnbildung bewusst zu leben?<br />
Das kann heissen, sich informieren, realisieren, dass es andere als die eigenen Auffassungen<br />
gibt, sich eine eigene begründete Meinung bilden und diese auch zu leben und<br />
vorzuleben versuchen. Es bedeutet, aus Erfahrungen zu lernen und sich zu verändern.<br />
Dazu gehört, dass Erwachsene wahrnehmen und ernst nehmen, dass auch Kinder sich<br />
ihren eigenen Reim auf das machen, was sie spüren und erfahren. Denn die Widersprüche<br />
unserer Zeit wirken nicht nur auf Kinder ein. Sie selbst bewerten diese Erfahrungen<br />
auch.<br />
Der Nachwuchs wird als Werbeträger für Süsses und Fastfood benutzt. Gleichzeitig fordern<br />
Politiker, Lehrer und Eltern gesunde Ernährung von Kindern. Oder: Eltern und Lehrer<br />
mühen sich, Heranwachsende zu gewaltfreiem sozialem Handeln zu erziehen. Gewalt -<br />
spiele sind jedoch im Internet auch für Kinder frei zugänglich. Ferner: Die neuen Medien<br />
eröffnen viele Möglichkeiten, Informationen zu erhalten oder sich global zu vernetzen.<br />
Ohne Schlüssel- und Weltwissen, wie diese Möglichkeiten genutzt werden können und<br />
ohne Anregung auch zu reflektieren, was man tut, erleben Heranwachsende, wie sie hilflos<br />
Marktinteressen ausgeliefert werden. Die Handy-Schuldenfalle ist nur ein Beispiel.<br />
Erwachsene können Kindern diese Widersprüche nicht aus dem Wege räumen. Sie können<br />
aber versuchen, sie sich selbst bewusst zu machen. Sie können sich selbst Fragen stellen<br />
und Heranwachsende anregen, darüber nachzudenken, dass und warum manche<br />
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