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Geschichte des Schiller-Gymnasiums Köln 1899 - 2010

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mey unterrichtete als Gastlehrer in der ersten Hälfte der 60-er Jahre Sport am <strong>Schiller</strong>-Gymnasium,<br />

ebenso ein Mr. Blaisdell Englisch. Die Amerika-Freundlichkeit und sogar Begeisterung für die als Vorbild<br />

und Schutzmacht gegen den Kommunismus empfundenen USA war bis tief in die sechziger Jahre<br />

außerordentlich groß. Diese Grundstimmung kippte seit Mitte der sechziger Jahre durch den Vietnam-Krieg<br />

und den neomarxistisch inspirierten Antiamerikanismus der sog. „68-er-Bewegung“.<br />

Andere Lehrer <strong>des</strong> <strong>Schiller</strong>-<strong>Gymnasiums</strong> hatten in südlichen Ländern gearbeitet. H. Kallrath hatte<br />

Jahre in Schuldienst in Argentinien verbracht, W. Beutler in Madrid. Nach der (Selbst-)Abschließung<br />

Deutschlands und den Kriegserfahrungen im Dritten Reich suchten junge Intellektuelle offensichtlich<br />

die Begegnung mit dem Ausland, bessere Fördermöglichkeiten und größere Weltläufigkeit.<br />

Eine Disziplinarkonferenz<br />

Das Schulklima war zu Beginn der sechziger Jahre in vielen Bereichen aus heutiger Sicht noch ungewohnt<br />

formalistisch. Ein Alltagsereignis im Schulleben soll das illustrieren. Was passiert heutzutage,<br />

wenn ein Klassenbuch verschwindet? Man fragt kurz nach und findet sich mit dem Verlust ab: „fott<br />

iss fott“, <strong>Köln</strong>er Volksweisheit.<br />

Damals - vor unendlich langer Zeit - war das alles noch ganz anders! Schüler und Lehrer wurden richtiggehend<br />

vernommen, man legte umfangreiche Aktenvorgänge an, man befragte Außenstehende,<br />

Lehrer fertigten Protokolle an, die Untersuchungsunterlagen wurden säuberlich geordnet und zwischen<br />

Leitz-Deckeln abgeheftet - all das endlich mit dem gleichen Ergebnis wie heute - es nutzte<br />

nichts, das Klassenbuch blieb verschwunden. Ein einziges Mal allerdings kam eines der verschwundenen<br />

Bücher in die Schule zurück: Ein aufmerksamer Bürger hatte es in <strong>Köln</strong>-Porz aus einem Gully<br />

gezogen, in den ein durch Eintragungen belasteter Schüler es gesteckt hatte. Dergleichen führte natürlich<br />

zu Disziplinarmaßnahmen.<br />

Als Beispiel für Ordnungsvorstellungen und Verfahrensabläufe der damaligen Zeit soll hier kurz eine<br />

Disziplinarkonferenz <strong>des</strong> Jahres 1969 skizziert werden. Die Schüler H. und L. der 11. Klasse waren<br />

während <strong>des</strong> Unterrichts zur Toilette entlassen worden. Auf dem Schulhof stand ein Rollstuhl, wohl<br />

von irgendwelchen Dreharbeiten. Daraufhin fuhren sie ca. eine Minute lang auf dem Rollstuhl über<br />

den Hof und stießen auch an eine Baracke. Frau Teichmann beklagte sich über die Unterrichtsstörung<br />

und es kam zur Klassenkonferenz mit zehn Lehrern, darunter der Schulleiter und zwei Vertrauensschülern.<br />

Die Konferenz dauerte fast 60 Minuten. Man stellte fest, dass der Schüler H. bereits einen<br />

Verweis erhalten hatte. Die Lehrer beklagten, dass die Schüler sich auch im Unterricht schlecht benähmen.<br />

Ein Kollege erklärt, H. habe durch dauern<strong>des</strong> Schwätzen, schauspielerische Einlagen und<br />

Zuspätkommen an Samstagen den Unterricht oft gestört. Herr Lewald erklärt, H. sei in ihn interessierenden<br />

Fächer bereit, eine positive Haltung zum Unterricht einzunehmen. Andere Kollegen sagen,<br />

dass der Schüler in Gesprächen einsichtig sei und sich phasenweise ordentlich oder gar als „Musterschüler“<br />

verhielte. Die Schülervertreter fragten vernünftigerweise, ob die Konferenz denn nun auf<br />

einen einzelnen Vorfall abziele oder auf eine Summe von Verfehlungen. Dann müssten die Fälle jedenfalls<br />

getrennt behandelt werden. Die Mehrzahl der Kollegen wollte aber über das Gesamtverhalten<br />

urteilen.<br />

Herr Baumert beantragte schließlich für H. einen erneuten Verweis mit Androhung der Entlassung.<br />

Die Konferenz beschloss daraufhin für H. einen erneuten Verweis; bei weiteren Verstößen gegen die<br />

Schulordnung drohe die Entlassung. „Der Schüler L. erhält eine nachdrückliche Verwarnung und zwei<br />

Stunden Arrest.“<br />

Heutzutage würde man es, auf den auslösenden Fall bezogen, wohl bei einer mündlichen Ermahnung<br />

belassen. Eine Konferenz nur wegen <strong>des</strong> auslösenden Vorfalls erscheint fast unvorstellbar.<br />

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