Geschichte des Schiller-Gymnasiums Köln 1899 - 2010
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Immer wieder findet man in den Abiturarbeiten Hinweise auf die mystische und irrationale Verklärung<br />
<strong>des</strong> Bodens; die Vorstellung eines „Volks ohne Raum“ (Hans Grimm) wird als permanente Bedrohung<br />
empfunden. Im Jahr 1936 lautete eine Abituraufgabe im Fach Deutsch (!): „Die Bedeutung<br />
<strong>des</strong> Besitzes eigener Kolonien im jetzigen Zeitpunkt“; hierzu schreibt ein Schüler:<br />
„Draußen in den Kolonialgebieten kommt der junge Mensch, besonders in den Kolonien mit<br />
großer Eingeborenenbevölkerung, schon frühzeitig in verantwortliche Stellungen hinein.<br />
Das gilt nicht nur für den geistigen, sondern auch für den Handarbeiter. Dort, wo mit Eingeborenen<br />
gearbeitet wird, kommt ein jeder Deutscher in eine solche verantwortliche Stellung.<br />
Er hat Farbige zur Arbeit anzuleiten oder bei dieser zu beaufsichtigen und wird damit<br />
für die Arbeit anderer verantwortlich. In den weiten Gebieten draußen ist der einzelne zudem<br />
meistens viel mehr auf sich selbst angewiesen als in der Heimat. Das Wirken in den Kolonien<br />
stählt den Willen, entwickelt den Charakter. ...<br />
Zwar sollen zuerst die Gebiete im mitteleuropäischen Raum besiedelt werden, besonders<br />
im kulturell gefährdeten Ostraum. Doch besteht darüber hinaus Bedarf an Siedlungsland in<br />
überseeischen Ländern.<br />
Im Laufe der letzten Jahrhunderte ist viel unersetzliches deutsches Blut in fremden Völkern<br />
aufgegangen. ... Kolonien sind und bleiben eine Charakterschule. Sie lassen den Menschen<br />
stärker werden, lassen ihn sich sieghaft behaupten. Kolonien ziehen stets die starken und<br />
stärksten Naturen an, dort draußen werden Kämpfernaturen gebildet, die ihre Tatkraft, ihren<br />
Charakter immer wieder unter neuen, anderen Umständen erproben können, denn da<br />
ist jeder auf sich selbst gestellt. Jeder Kolonialdeutsche stand früher in Gefahr! Sehen wir<br />
uns doch nur unsere großartige Kolonialgeschichte an, von wievielem Heldenmut kann sie<br />
erzählen! Kolonien sind stets die besten Gemeinschaftsschulen ... : Der eine ist nichts ohne<br />
den anderen!“<br />
Hier tritt der deutsche Herrenmensch klar hervor: In Osteuropa sind Kultur und Zivilisation bedroht<br />
und die Völker der Dritten Welt taugen bestenfalls als Arbeitssklaven oder zur „Charakterbildung der<br />
Weißen“!<br />
Wie in diesem Beispiel, so verlagerten sich überhaupt die Themen <strong>des</strong> Deutschunterrichts auf das<br />
„volkhafte“ Schrifttum; man las Ernst Jünger, Beumelburg, Dwinger, W. Flex, Ettighofer. Natürlich<br />
studierte man weiterhin die Klassiker, aber sie wurden oft in spezifisch nationalsozialistischer Weise<br />
uminterpretiert. So stellte man 1935 im Fach Deutsch folgende Abiturthemen: „Volk und <strong>Geschichte</strong><br />
in <strong>Schiller</strong>s „Kabale und Liebe“ oder „<strong>Schiller</strong>, Ibsen und das Mehrheitsproblem“. Wie die Arbeiten<br />
und Kommentare ausweisen, wurden Aussagen erwartet, die das bedingungslose Gemeinschaftsdenken<br />
und den mythischen Zusammenhalt Führer - Volk betonten. In ihrer Gesamttendenz zielen<br />
die Abiturthemen auf Führerkult, Bodenideologie und kriegerisch heldische Hingabe an das Volk; als<br />
Beleg dient hier die beigefügte Übersicht über die Abiturthemen vom Frühjahr 1939.<br />
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