Geschichte des Schiller-Gymnasiums Köln 1899 - 2010
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ern und Schülern, solche, die versuchten, sich dem ideologischen Druck und den entsprechenden<br />
Zwängen so weit wie möglich zu entziehen.<br />
Mit Beginn <strong>des</strong> Dritten Reiches änderte sich an der Struktur der Bildungsgänge wenig. Es kam aber<br />
sehr schnell zu einer Neudefinition der Unterrichtsinhalte. Nachdem die Gleichschaltungsmaßnahmen<br />
gegenüber den Schulen seit 1933 bereits erfolgreich gewesen waren, hatten die Nationalsozialisten<br />
bald die verfassungsmäßig garantierte Existenz der Länder und ihrer Regierungen aufgehoben;<br />
die Schulaufsicht der Länder wurde zwar erhalten, aber dem neuen „Reichsministerium für Wissenschaft,<br />
Erziehung und Volksbildung“ unterstellt (1.5.1934). In diesem Sinne wurde 1933/5 an vielen<br />
Schulen neue Anstaltslehrpläne entwickelt, die für einzelne Klassen und Fächer genaue Vorgaben<br />
enthielten und für die kommenden Jahre richtungweisend wurden.<br />
Jüdische Schüler wurden innerhalb weniger Jahre aus dem öffentlichen Schulsystem herausgedrängt;<br />
sie konnten ab der Novemberverfolgung 1938 nur noch private „Judenschulen“ besuchen, bis<br />
schließlich im Krieg die Judenvernichtung begann.<br />
Es kam den Nationalsozialisten nicht darauf an, die Qualität der Bildung zu verbessern; Schule wurde<br />
als ein Überbleibsel <strong>des</strong> „bürgerlichen Leistungssystems“ eher verachtet. Der Nationalsozialismus<br />
strebte vor allem die ideologische Beeinflussung und Festigung an; intellektuelle Fähigkeiten verloren<br />
an Bedeutung, was auch viele trostlose erhaltene Aufsätze und Abiturarbeiten zeigen. Statt <strong>des</strong>sen<br />
sollten körperliche Ertüchtigung, Kampfbereitschaft und ideologische Überzeugungen gestärkt werden;<br />
das glaubt man besser über Jugendorganisationen wie HJ, BdM, Gelän<strong>des</strong>piel, Arbeitsdienst,<br />
Lagerleben und Sport usw. erreichen zu können. Die Schule verlor also an Bedeutung: nicht so sehr<br />
Schule, sondern „Schulung“ war das Programm.<br />
Auf der Ebene der Schulleitung wurde die neue Richtung durch die Ablösung von Oberstudiendirektor<br />
Dr. Albert Maier manifestiert (1934). Maier gehörte dem katholischen Zentrum an und seine Gattin<br />
war jüdischer Abstammung. Das genügte, um ihn seines Amtes zu entheben. Sein Nachfolger<br />
wurde Dr. Leopold Schaeben (1934), der die Schule bis zu ihrer Zerstörung zehn Jahre später leitete;<br />
er war bereits seit dem Kaiserreich Mitglied <strong>des</strong> Kollegiums (1913 „wissenschaftlicher Hülfslehrer“)<br />
und zumin<strong>des</strong>t deutschnational eingestellt. Nach Aussagen von Ehemaligen war er ab 1933 ein<br />
„Hundertfünfzigprozentiger“; er trug nach Erinnerung der Schüler ein Parteiabzeichen.<br />
Genaueres über die Einstellung <strong>des</strong> Kollegiums in Erfahrung zu bringen, war schwer möglich, da bei<br />
einigen Besuchen – auch mit Schülern aus Leistungskursen <strong>Geschichte</strong> - entsprechende Unterlagen<br />
im Stadtarchiv aus Gründen <strong>des</strong> Datenschutzes nicht zugänglich gemacht wurden. Von Zeitzeugen<br />
wird berichtet, dass eine Reihe Lehrer nicht selten in SA-Uniformen zur Schule kamen; das Schulklima<br />
veränderte sich schnell. Schon die Themen der Abiturprüfungen von Ostern 1933 - nur einige Wochen<br />
nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten - weisen aus, dass sich viele Lehrer überaus<br />
willig auf die neuen Verhältnisse eingestellt hatten. Bei der Bücherverbrennung vom Mai 1933 mit<br />
der Ächtung von Autoren wie Brecht, Th. und H. Mann, Tucholsky usw. stand auch das <strong>Schiller</strong>-<br />
Gymnasium nicht abseits: ein schneller Erfolg der Ideologen an einer humanistischen Schule!<br />
Ehemalige Schüler berichten, „alle paar Monate“ seien die Klassen zur Vorführung von Tendenzfilmen<br />
in die Stadt zum Ufa-Palast geführt worden. Im Sinne der Einheit der Volksgemeinschaft wurden<br />
die Schülermützen, deren Farben die Zugehörigkeit zu bestimmten Klassenstufen und Schulen symbolisierten,<br />
als Ausdruck alten Klassendenkens und gymnasialer Besonderheit verboten.<br />
1936, 30 Jahre nach Bezug <strong>des</strong> eindrucksvollen Schulgebäu<strong>des</strong>, hielt Dr. Schaeben die Festrede, in<br />
der der Name Dr. Maiers wohl nicht mehr hervorgehoben wurde; man erfährt aber den Tenor der<br />
Rede und liest mit berechtigtem Erstaunen von „Schatten marxistischer Bestrebungen“ zur Zeit der<br />
Schulgründung und vom „gemeinsamen Werk der Erziehung im Geiste <strong>Schiller</strong>s und <strong>des</strong> Führers“<br />
(<strong>Köln</strong>ische Zeitung“ vom 30.4.1936). Bezeichnenderweise wird hier auch das Buntglasfenster im<br />
Treppenhaus mit den Namen der im Krieg gefallenen Schüler erwähnt – die Bereitschaft zum Heldentod<br />
für das Vaterland wird glorifiziert.<br />
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