?Initiative Berliner Sozialforum?. - Forschungsjournal Soziale ...
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Pulsschlag<br />
ge, wie die Gewerkschaften heute auch mit diesen<br />
Herausforderungen eines Epochenbruchs<br />
nach dem Ende des Fordismus umgehen können<br />
angesichts derer sie Gefahr laufen selbst im<br />
Kernbereich ihres arbeitspolitischen Handelns<br />
zunehmend handlungsunfähig zu werden<br />
Wir leben in Zeiten eines solchen Epochenbruchs<br />
(Scholz u.a. 2004; www.forum-neuepolitik-der-arbeit.de),<br />
in einer Zeit, in der – folgt<br />
man dem Bild, dass die einschlägigen wissenschaftlichen<br />
Beobachter ebenso wie die politischen<br />
Protagonisten der neoliberalen Revolution<br />
heute zeichnen – prägend sind (1) die Individualität<br />
der Einzelnen, als ‚Arbeitskraftunternehmer‘<br />
die sich von der Bevormundung durch<br />
den Staat ebenso wie durch gewerkschaftliche<br />
Bürokratien befreien wollen, (2) die unausweichliche<br />
Zurückdrängung der alten Institutionen<br />
der Arbeit, von denen der sozialen Sicherung<br />
über die der Mitbestimmung in der Wirtschaft<br />
bis hin zu den Gewerkschaften und (3)<br />
der Bedeutungsgewinn von neuen vernetzten<br />
Strukturen, in denen die einzelnen Vielen sich<br />
erst wirklich werden entfalten können, in denen<br />
sie gefordert und zu fördern sind.<br />
Sicherlich steckt hierin auch viel Ideologie.<br />
Die wird z.B. sofort dann sichtbar, wenn Gruppen<br />
dieser einzelnen Vielen nicht nur nach den<br />
vorgeblich allein obwaltenden Handlungskriterien<br />
eines homo oeconomicus agieren, sondern<br />
mit aller Kompetenz, die ihnen als modernen<br />
Wissensarbeitern im Zuge der neoliberalen Revolution<br />
ja tatsächlich zugewachsen ist, als neue<br />
individuelle zivilgesellschaftliche Subjekte (Wolf<br />
2001) damit beginnen, partiell außerhalb der alten<br />
institutionellen Strukturen arbeitspolitisch<br />
zu handeln (vgl. Martens 2004: 120ff). Dann<br />
wird nämlich immer wieder schnell der Ruf nach<br />
der Ordnungsfunktion von Betriebsräten oder<br />
von der angeblich schon überlebten Institution<br />
Gewerkschaft ertönen. Es ist nun sicherlich eine<br />
durchaus unbeantwortete Frage, wie viel und<br />
welcher Art institutionelle Sicherheiten diese<br />
neuen individuellen gesellschaftlichen Subjekte<br />
101<br />
tatsächlich benötigen und deshalb auf Dauer<br />
auch einfordern werden. Diese Frage ist spannend<br />
und kompliziert. Sie würde grundlagentheoretische<br />
Fragen der Soziologie berühren:<br />
von der Systemtheorie, die das Individuum als<br />
‚Unbestimmtheitsstelle‘ ihrer theoretischen Modelle<br />
bekanntlich ausspart (Baecker 2003) über<br />
spieltheoretische Konzepte eines erweiterten<br />
Rational Choice Ansatzes bis hin zu institutionentheoretischen<br />
Konzepten, die auf die philosophische<br />
Anthropologie H. Plessners oder A.<br />
Gehlens zurückverweisen. Ich werde diese Fragen<br />
hier selbstredend nicht vertiefen. Aber es<br />
geht ganz unabhängig davon natürlich um mehr<br />
als Ideologie.<br />
Es geht für die Gewerkschaften um die Frage<br />
der Bewältigung einer für sie dramatisch veränderten<br />
Situation. Angesichts des Epochenbruchs<br />
wird immer offensichtlicher, dass die<br />
alten Orientierungen nicht mehr tragen: Nicht<br />
nur wäre es in einer Lage, in der die alten Institutionen<br />
der Arbeit gleichsam flächendeckend<br />
erodieren, ein Euphemismus, noch von Rechtsfortschritt<br />
zu sprechen. Es scheint immer klarer,<br />
dass die alten institutionell befestigen ‚Bastionen’<br />
mit den bewährten Strategien und Handlungsmustern<br />
nicht mehr lange zu halten sind.<br />
Aus einer neoinstitutionalistischen Perspektive<br />
heraus betrachtet erscheint der Niedergang der<br />
deutschen Gewerkschaften unausweichlich<br />
(Hassel 2003).<br />
Die Metamorphosen der sozialen Frage (Castel<br />
2000) und der Arbeit (Martens u.a. 2001) im<br />
Zeichen der Herausbildung einer postindustriellen<br />
Arbeitsgesellschaft mit ihren neuen individuellen<br />
zivilgesellschaftlichen Subjekten und<br />
die Infragestellung überkommener wirtschaftsund<br />
sozialpolitischer Konzepte im Zeichen der<br />
Globalisierung erzwingen eine breite neue arbeitspolitische<br />
Debatte. Der entsprechende Sachverstand<br />
an der Organisationsspitze droht sonst<br />
seine Anschlussfähigkeit und Gestaltungspotenziale<br />
im Hinblick auf – systemtheoretisch<br />
gesprochen – immer dynamischere und turbu-