?Initiative Berliner Sozialforum?. - Forschungsjournal Soziale ...
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Literatur<br />
blik Deutschland. Übereinstimmungen gibt es<br />
hier bis hin zu den Bewegungsformationen und<br />
den Namen der Gruppen: Selbst ein Besuch des<br />
Schahs von Persien (in Wien im Januar 1969)<br />
zählt zu den Höhepunkten der 68er-Bewegung.<br />
Und dass der Kommunistische Bund (KB) ab<br />
Mitte der 1970er Jahre versuchte, sich an die<br />
Spitze der Anti-AKW-Bewegung zu stellen<br />
(110), ist ebenso wie die Medienpräsenz der<br />
‚Autonomen‘ in den 1980ern nicht gerade ein<br />
spezifisch österreichisches Phänomen.<br />
Studentische Linke im Hintertreffen<br />
Anders ist hingegen der schwächere Bezug der<br />
68er-Bewegung zur politischen Theorie wie zur<br />
Militanz (74). Ob dieses oder jenes der Grund<br />
für die weniger starken Folgewirkungen des<br />
‚Denkens von 68‘ in Österreich war, lässt Foltin<br />
allerdings offen. Die studentische Linke in<br />
Österreich hat bis in die 1990er nicht die Dominanz<br />
an den Universitäten entwickeln können,<br />
die sie in Deutschland erzielt hatte. Und auch<br />
die Partei der Grünen war zu keinem Zeitpunkt<br />
als ‚Anti-Parteien-Partei‘ konzipiert, sondern<br />
hatte den ,Bewegungsflügel‘ schon gestutzt, bevor<br />
er sich für die Partei interessierte. In den<br />
1970ern – in Deutschland dominiert durch maoistische<br />
‚K-Gruppen‘ – sei in Österreich der<br />
Trotzkismus „innerhalb der radikalen Linken<br />
immer stärker verankert“ (89) gewesen als in<br />
der BRD. Foltin vermutet, dass dies, ähnlich<br />
wie in Großbritannien, auf die damalige Offenheit<br />
der Sozialdemokratie zu ihren Rändern hin<br />
zurückzuführen ist. Das massive Auftreten von<br />
TrotzkistInnen beim Austrian Social Forum in<br />
den letzten Jahren mag davon ein Ausläufer sein.<br />
Auch die immer noch relativ präsente Frauenbewegung<br />
hat mit dem künstlerischen Feld<br />
durchaus andere Ursprünge als die Frauenbewegung<br />
in Deutschland. Und nicht zuletzt die<br />
Hinwendung zu ‚unterdrückten Völkern‘ ab<br />
Mitte der 1970er-Jahre habe sich anders gestaltet.<br />
Sie richtete sich in Österreich nicht allein<br />
auf andere Weltregionen, sondern fand jene un-<br />
131<br />
ter anderem in den gelebten Existenzen der slowenischen<br />
Minderheit im südlichen Bundesland<br />
Kärnten vor (107ff). Dass dieser Bewegungsfokus<br />
in gewisser Weise bis heute seine<br />
Relevanz nicht verloren hat, zeigt die von Jörg<br />
Haider geführte Landesregierung, die sich nach<br />
wie vor weigert, die verfassungsmäßig garantierten<br />
zweisprachigen Ortstafeln aufzustellen.<br />
Der Verlauf der Bewegungszyklen liest sich<br />
im Großen und Ganzen dennoch wie ein verkleinertes<br />
Spiegelbild jener in Deutschland, in<br />
dem nur die Anlässe der linken, ökologischen<br />
und autonomen Kämpfe andere Namen hatten.<br />
Abgesehen davon, dass ein solch zusammenfassender<br />
Überblick aus undogmatisch linksradikaler<br />
Perspektive für Deutschland noch aussteht,<br />
ist es gerade die Einbindung alternativer<br />
Landeskunde in internationale politische Entwicklungen<br />
und aktuelle Theorie, die das Buch<br />
unbedingt lesenswert macht.<br />
Proteste gegen die FPÖ<br />
Mit den Protesten gegen die Regierungsbeteiligung<br />
der rechtsextremen FPÖ im Jahr 2000<br />
gibt es in Österreich trotzdem Bewegungserfahrungen,<br />
die sich von der Situation in Deutschland<br />
gründlich unterscheiden. Foltin stellt sie<br />
einerseits in Zusammenhang mit der konservativen<br />
Wende in den 1980er-Jahren, als Haider<br />
die FPÖ übernahm und der Ex-Nazi Kurt Waldheim<br />
Präsident wurde. Die Präsidentschaft Waldheims<br />
(1986-1992) habe den österreichischen<br />
Antisemitismus reaktiviert, aber auch eine Gegenbewegung<br />
hervorgerufen und die erste Auseinandersetzung<br />
mit der Rolle der ÖsterreicherInnen<br />
im Nationalsozialismus ermöglicht<br />
(160f). Andererseits diskutiert Foltin die Bewegung<br />
gegen Schwarz-Blau im Kontext der<br />
zeitgleich erstarkenden globalen Protestbewegungen<br />
als Aufkommen ‚neuer Subjektivitäten‘<br />
(242ff). Sie wird dabei nicht nur – wie alle anderen<br />
Bewegungen auch – detailreich geschildert,<br />
sondern auch über ihren nationalen Rahmen<br />
hinaus als Teil eines weltweiten und viel-