?Initiative Berliner Sozialforum?. - Forschungsjournal Soziale ...
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76<br />
Gerwin Stöcken<br />
Zur strategischen Neuausrichtung der AWO in Deutschland<br />
1 Aktuelle Probleme der<br />
Arbeiterwohlfahrt (AWO)<br />
Um die AWO und ihre heutigen Probleme zu<br />
verstehen, ist es notwendig einen stichwortartigen<br />
Überblick über die Geschichte der AWO<br />
zu geben:<br />
• 1919 gegründet als Hauptausschuss für Arbeiterwohlfahrt<br />
in der SPD<br />
• Selbsthilfeorganisation der sozialdemokratischen<br />
Arbeiterbewegung<br />
• Hilfestellung für Menschen in Not<br />
• Initiatorin für neue Formen der sozialen Arbeit<br />
• Kämpferin für Rechtsansprüche auf staatliche<br />
Unterstützung statt karitativer Armenpflege<br />
• 1933 bis 1945 Verbot durch die Nationalsozialisten<br />
• nach 1947 wieder gegründet, an diese Tradition<br />
anknüpfend, aber als selbständiger<br />
Verein<br />
• unabhängig von SPD und Gewerkschaften<br />
aber eng mit den Idealen der sozialdemokratischen<br />
Arbeiterbewegung verbunden<br />
• Aufstieg zu einem großen Dienstleistungsunternehmen<br />
mit heute 150.000 Mitarbeitern<br />
und 450.000 Mitgliedern<br />
Der Mitgliederverband steckt in der Krise: Die<br />
AWO in Deutschland musste in den letzten Jahren<br />
einen Mitgliederrückgang hinnehmen – auf<br />
jetzt knapp 450.000 Mitglieder. Hinzu kommen<br />
ein hohes Durchschnittsalter und eine geringe<br />
Attraktivität für neue jüngere Mitglieder. Mitglied<br />
der AWO zu werden, ist häufig erst dann<br />
interessant, wenn auch persönliche Dienstleistungen<br />
der AWO in Anspruch genommen wer-<br />
<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 18, 2/2005<br />
den. Über diesen Mitgliederverlust verliert die<br />
AWO ihre Kampagnefähigkeit. Sie kann sich<br />
heute nicht mehr mit der Kraft der gesamten<br />
Mitgliedschaft zu Themen wie z.B. Agenda 2010<br />
und zu Hartz IV in die aktuelle sozialpolitische<br />
Diskussion einbringen, weil die Menschen, die<br />
sich bei der AWO organisieren, zu einem nicht<br />
unerheblichen Teil eher selbst Hilfe und Unterstützung<br />
durch die AWO erfahren wollen, als<br />
aktiv an der Gestaltung des Sozialstaats teilzunehmen.<br />
Dies soll nicht falsch verstanden werden:<br />
Die Aktivitäten sind von herausragender<br />
Bedeutung für die Betroffenen, können aber<br />
kaum tragende Säulen von Kampagnen sein.<br />
Daher treffen notwendige sozialpolitische <strong>Initiative</strong>n<br />
der AWO und Beiträge der Kreis-, Bezirks-<br />
und Landesvorstände ebenso wenig den<br />
Nerv der Basis wie Aktivitäten des Bundesvorstandes.<br />
Vor Ort sind ganz andere Themen von<br />
Bedeutung.Die AWO verzeichnet einen Verlust<br />
an sozialpolitischer Einflussnahme. Wenn der<br />
Präsident des ADAC den Bundeskanzler sprechen<br />
will, hat er 48 Stunden später einen Termin.<br />
Wenn der Vorstand der AWO den Bundeskanzler<br />
sprechen will, hat er selbst nach einer<br />
Legislaturperiode eines sozialdemokratischen<br />
Amtsinhabers noch keinen Termin.<br />
Ebenso stellt die AWO den Verlust traditioneller<br />
Partnerschaften fest. Noch in den 1960er<br />
und 1970er Jahren war klar: war man Mitglied<br />
der SPD dann war man auch Mitglied der Gewerkschaft<br />
und Mitglied der Arbeiterwohlfahrt.<br />
Diese Verbindung gilt heute überhaupt nicht<br />
mehr, vielleicht noch bei dem einen oder anderen<br />
Funktionär, bei denen der Dreiklang – SPD,<br />
Gewerkschaft, AWO – noch von Bedeutung<br />
ist. Außerdem könnte für die AWO gelten: wenn