?Initiative Berliner Sozialforum?. - Forschungsjournal Soziale ...
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66<br />
3.2 Umgang mit Widerständen<br />
Klassische Organisationsentwicklung und Strategieentwicklung<br />
gehören zusammen, sie sind<br />
zwei Seiten einer Medaille. Es geht immer auch<br />
darum, Lernprozesse zu organisieren. Dabei<br />
wird die eine oder andere Rückkopplungsschleife<br />
vermutlich unausweichlich sein. Doch selbst<br />
vermeintliche Roll backs gilt es ernst zu nehmen.<br />
Die sich darin äußernden Widerstände sind<br />
wichtige Signale für die Organisations- wie für<br />
die Strategieentwicklung.<br />
Gewerkschaften werden dafür bezahlt, dass<br />
sie heute und nicht erst morgen erfolgreiche Interessenvertretung<br />
machen und dies auch in<br />
Zeiten wie diesen, da Gewerkschaften unter<br />
Dauerbeschuss stehen. Diese Umfeldfaktoren<br />
erschweren die Hinwendung zu Neuem, von<br />
dem der DGB nicht wissen kann, ob es nachhaltigen<br />
Erfolg bringt.<br />
Die Tendenz des Systems besteht in derartigen<br />
Lagen darin, sich abzuschotten, die Stacheln<br />
auszufahren und sich zu verteidigen, sich<br />
also auf das Bewahren und Sichern des Erreichten<br />
zu fokussieren. Die Widerstände gegenüber<br />
einer Neuorientierung speisen sich aus den<br />
Quellen, die die Gewerkschaftsbewegung in der<br />
Vergangenheit erfolgreich gemacht hat. In der<br />
Abkehr von bisher geübter positiver Routine<br />
wird vor allem das Risikopotenzial gesehen. Das<br />
ist ein bekanntes und keineswegs allein für Gewerkschaften<br />
gültiges Theorem. Mit Machtpolitik<br />
lassen sich diese Widerstände nicht aus dem<br />
Weg räumen. Der einzig erfolgversprechende,<br />
gleichwohl kräftezehrende Ansatz ist, offensiv<br />
mit ihnen zu arbeiten.<br />
4 Entwicklung eines Strategie-Mix<br />
Strategieentwicklung im DGB, verstanden als<br />
Prozess der Neupositionierung, lässt sich unter<br />
den aktuellen Vorzeichen nur als Lernprozess<br />
verstehen. Es geht um ein mittel- und langfristiges<br />
Projekt, das gerne auch mal den einen oder<br />
anderen Umweg nimmt. Die bislang im DGB<br />
Christiane Zerfaß<br />
vorherrschende evolutionäre Strategiebildung ist<br />
in jedem Falle überfordert, wenn sie mehr als<br />
Teilstrategien liefern soll. Stimmige Gesamtstrategien<br />
und Antworten außerhalb der gewohnten<br />
Leitplanken sind von ihr nicht zu erwarten. Die<br />
dezentrale Strategiearbeit muss daher durch klar<br />
definierte, explizit benannte und breit kommunizierte<br />
zentrale Strategieprojekte ergänzt werden.<br />
Dieser Teil der strategischen Neuorientierung<br />
ist eine Herausforderung für die politische<br />
Führung des DGB und der Gewerkschaften.<br />
An inhaltlich lohnenden Themen wäre kein<br />
Mangel: Ein erfolgversprechender Ansatz für<br />
einen derartigen strategischen Schwerpunkt läge<br />
z.B. in einer stärkeren europäischen Ausrichtung<br />
der Politik des DGB und der Gewerkschaften<br />
inklusive der Entwicklung eines europäischen<br />
Sozialmodells als Alternative zur Allmacht<br />
der Märkte. Wo nationalstaatliche Regelungen<br />
im zusammenwachsenden Europa an<br />
ihre Grenzen stoßen, da spüren das auch nationalstaatlich<br />
ausgerichtete Organisationen wie<br />
Gewerkschaften. Soll Europa mehr als ein Wirtschaftsraum<br />
sein, müssen Gewerkschaften ihre<br />
Vision einer sozialen und demokratischen europäischen<br />
Gesellschaft konkretisieren und politisch<br />
wirksam machen. Dies sind Fragen, deren<br />
Antworten Leitbildcharakter haben.<br />
Auch die Intensivierung der Wertedebatte<br />
könnte zu einem strategischen Schwerpunkt werden.<br />
Was verstehen Gewerkschaften bei globalisierten<br />
Märkten unter Gerechtigkeit, was bedeutet<br />
Chancengleichheit in der Wissensgesellschaft?<br />
Wie definieren sie die Würde arbeitender Menschen<br />
in Zeiten andauernder Massenarbeitslosigkeit?<br />
Gewerkschaften müssen und können sich<br />
gemeinsame Erfolge organisieren, neue Bindeglieder<br />
schaffen, die Symbolkraft entfalten. Für<br />
diese Prozesse müssen neue Strukturen und effizientere<br />
Arbeitsweisen etabliert werden, u.a. um<br />
die oft zeitraubenden Abstimmungsprozesse zu<br />
beschleunigen. Kommen diese Prozesse nicht in<br />
Gang und akzeptieren Gewerkschaften die aufgedrängte<br />
Verteidigungsrolle, dann beschränken