?Initiative Berliner Sozialforum?. - Forschungsjournal Soziale ...
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Strategiebildung in Umbruchzeiten<br />
2.1 Grenzen der dezentralen<br />
Strategiebildung<br />
Mit diesem Muster lässt sich zwar – auf stabiler<br />
Basis und einem gesichertem gemeinsamen<br />
Wertekontext – gut und erfolgreich ebenso beteiligungsorientiert<br />
wie fachlich fundiert eine<br />
Konsensbildung befördern. Schwierig wird es<br />
allerdings, wenn die Rahmenbedingungen ins<br />
Wanken geraten. Dann droht aus der konsensualen<br />
Entwicklung von Teilstrategien eine Politik<br />
des kleinsten gemeinsamen Nenners zu werden.<br />
So sind die Grenzen dezentraler Strategiebildung<br />
erreicht, wenn<br />
1. der Evolutionsprozess zu viel Zeit benötigen<br />
würde – wie etwa in Krisenzeiten,<br />
2. sich die Rahmenbedingungen zu stark ändern<br />
– wie etwa durch die Ablösung nationalstaatlicher<br />
Regelungen durch die fortschreitende<br />
Europäisierung der Politik,<br />
3. das Selbstverständnis der Organisationen<br />
tangiert wird – so etwa, wenn der gemeinsame<br />
Wertekanon brüchig wird,<br />
4. für Stimmigkeit der Botschaften und Zusammenhalt<br />
der Organisation gesorgt werden<br />
soll. Konsens und Kohäsion sind in erster<br />
Linie für das jeweilige Subsystem von Bedeutung,<br />
das die Teilstrategien entwickelt.<br />
Der Fokus liegt auf der Fachlichkeit, da wird<br />
der nächstgrößere Kontext notwendigerweise<br />
ausgeblendet. Schwierig wird es also bei<br />
sehr komplexen, vernetzten Themen, die<br />
mehr Vogelperspektive verlangen, als dies<br />
der fachliche Rahmen zulässt bzw. zulassen<br />
kann.<br />
Kurzgefasst heißt dies, wenn die Fachlichkeit<br />
allein das Thema nicht mehr isoliert behandeln<br />
und fortentwickeln kann, ist das Warten auf evolutionäre<br />
Entwicklungen fahrlässig. 6<br />
Grundmodell II: Der ‚große Wurf‘<br />
In diesen Situationen, in der sich die dezentrale<br />
Strategieentwicklung in der Sackgasse befin-<br />
63<br />
det, erschallt sporadisch, dann aber um so lauter<br />
der Ruf nach dem ‚großen Wurf‘ – dem allumspannenden<br />
Masterplan, der alle strategischen<br />
Mosaiksteine in Windeseile in einen geordneten<br />
Zusammenhang zwingt. Aus diesem zweiten<br />
Grundmuster (nicht allein) gewerkschaftlicher<br />
Strategiebildung spricht auch der Wunsch<br />
nach grundlegender Orientierung – ein Wunsch,<br />
der in den erfolgreichen dezentralen Strategiebildungsprozessen<br />
pragmatisch und ohne<br />
Schmerzen ad acta gelegt ist. Dieses gegenläufige,<br />
in der Praxis seltenere Modell speist sich<br />
aus der Sehnsucht nach mehr Übersichtlichkeit,<br />
Reduktion der Komplexität – kurz: nach einem<br />
klaren Leitbild.<br />
Seine Grenzen findet dieses Modell im dezentralen<br />
Aufbau des DGB und seiner Gewerkschaften.<br />
Die Energie der Subsysteme und der<br />
Konflikt der großen zentralen Idee mit den pragmatisch<br />
entwickelten dezentralen Teilstrategien<br />
führt ebenso wie die Komplexität der Themen<br />
dazu, dass diese Ansätze im selben Maße, wie<br />
sie eingefordert werden, massive Widerstände<br />
auslösen.<br />
2.2 Strategieprozesse im DGB<br />
Für den Gesamtcharakter dieser Prozesse im<br />
DGB prägend<br />
1. sind tendenziell eher informelle und implizite<br />
Strategieentwicklungsprozesse (coalition<br />
of the willing and able)<br />
2. sind flexible, dezentrale Teilstrategieentwicklungen<br />
in den hoch autonomen Gliederungen<br />
des DGB (und tendenziell auch der Gewerkschaften),<br />
die von den Führungsgremien<br />
im DGB über Dachstrategien zu roten<br />
Fäden gebündelt werden sollen. Hierin liegt<br />
evolutionär betrachtet eine enorme Stärke.<br />
Als Grundmuster kompetenter Selbstorganisation<br />
wird die dezentrale Strategiebildung<br />
weiter gebraucht – auch wenn sie sicherlich<br />
wie so vieles optimiert werden kann.