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?Initiative Berliner Sozialforum?. - Forschungsjournal Soziale ...

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Auf der Suche nach der Gerechtigkeit<br />

Politikentwürfe zu den ‚Dritten Wegen‘ der Sozialdemokratie<br />

in anderen europäischen Ländern<br />

prägten. Zudem wurden das ‚<strong>Berliner</strong> Programm‘<br />

und sein Gestaltungsanspruch durch<br />

die deutsche Vereinigung förmlich überrollt. Eine<br />

ernsthafte Aufarbeitung dieser neuen Herausforderung,<br />

aber auch der sich verschärfenden<br />

Folgen der Globalisierung und Europäisierung<br />

fiel weitgehend den fortwährenden Wechseln<br />

an der Parteispitze und ihren Auswirkungen auf<br />

die innerparteiliche Stabilität und Diskussionsbereitschaft<br />

zum Opfer. Mit Willy Brandt, Hans-<br />

Jochen Vogel, Björn Engholm, dem kurzfristigen<br />

kommissarischen Vorsitzenden Johannes<br />

Rau, Rudolf Scharping und schließlich Oskar<br />

Lafontaine hatte die SPD in den 16 Oppositionsjahren<br />

zwischen 1982 und 1998 mehr Vorsitzende<br />

als in dem Jahrhundert davor.<br />

Der eigentliche Paradigmenwechsel der deutschen<br />

sozialdemokratischen Politik erfolgte<br />

nach dem Rücktritt Oskar Lafontaines vom Parteivorsitz<br />

ab dem Sommer 1999 und mit besonderer<br />

Zuspitzung durch die ‚Agenda 2010‘ im<br />

März 2003 durch Gerhard Schröder und Franz<br />

Müntefering aus der Regierungsposition heraus<br />

und gewissermaßen als programmatischer<br />

Putsch von oben. Die Agenda-Politik konnte<br />

sich dabei weder auf ein bekräftigendes Wählervotum<br />

stützen – sowohl 1998 wie auch 2002<br />

war die überwältigende Mehrheit der SPD-<br />

Wähler für eine Fortsetzung einer auf Gerechtigkeit<br />

und traditionelle Wohlfahrtsstaatlichkeit<br />

ausgerichtete Politik eingetreten 3 –, noch waren<br />

die Parteimitglieder in die tief greifende programmatische<br />

Umorientierung einbezogen. An<br />

die Stelle einer Programm- oder doch zumindest<br />

Richtungsdebatte, wie sie in den anderen Ländern<br />

stattgefunden und innerparteiliche Unterstützung<br />

des Kurswechsels befördert hatte, trat<br />

in Deutschland das Bemühen der sozialdemokratischen<br />

Parteispitze, den politischen Kurswechsel<br />

in den Rang einer objektivierten<br />

Zwangsläufigkeit zu erheben. Abwechselnd<br />

wurden vermeintlich unabweisbare Zwänge der<br />

Globalisierung, des demographischen Wandels<br />

oder der bedrohlichen Haushaltslage als Begründungen<br />

für einschneidende Veränderungen im<br />

gesellschaftspolitischen Bereich ins Spiel gebracht.<br />

Der nahe liegende Einwand, dass eine<br />

jede dieser ins Feld geführten Begründungen<br />

gleichwohl erhebliche Interpretations- und auch<br />

Reaktionsspielräume zulässt und damit sehr<br />

wohl Gegenstand politisch-programmatischer<br />

Diskurse sein sollte, ja, sein müsste, wurde von<br />

der Parteispitze abgeblockt.<br />

Diese Objektivierungs- und Immunisierungsstrategie<br />

sowohl des Bundeskanzlers als<br />

auch der Parteispitze insgesamt gegenüber den<br />

Ansätzen eines kritischen Diskurses im Umfeld<br />

der SPD erfuhr durch drei, die Agenda –<br />

Politik flankierende Entwicklungen zusätzliche<br />

Unterstützung 4 .<br />

Zum einen erweckte die von Gerhard Schröder<br />

voran getriebene Verlagerung der zentralen<br />

gesellschaftspolitischen Problemfelder in den<br />

Diskussions- und Entscheidungsraum von Expertenkommissionen<br />

den Eindruck, als seien die<br />

Schicksalsfragen der deutschen Gesellschaftspolitik<br />

in erster Linie sozialtechnologische Optimierungsprobleme,<br />

von denen die Nicht-Experten<br />

und bloß Betroffenen in ihrer Unkenntnis<br />

gefälligst die Finger zu lassen hätten. Zweifellos<br />

hat dieser Hang des Bundeskanzlers zum<br />

politischen Outsourcing sowohl delegitimierende<br />

Folgen für die Entwürfe der verschiedenen<br />

Sachverständigenkommissionen und als auch<br />

demoralisierende Folgen für die SPD selbst<br />

gehabt.<br />

Zum zweiten war und ist die Entwicklung<br />

und Durchsetzung der Agenda-Politik in ein<br />

mediales Meinungsklima eingelagert, das durch<br />

ein beispielloses Trommelfeuer gegen die Traditionen<br />

des bundesrepublikanischen Sozialstaates<br />

und seine Verdienste geprägt wird. Eine buntscheckige<br />

Interessenallianz mit größter Medienresonanz<br />

hat es sich seit dem Wahlsieg von<br />

Rot-Grün mit größtem publizistischen und Kapitaleinsatz<br />

ganz offensichtlich zur Aufgabe ge-<br />

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