?Initiative Berliner Sozialforum?. - Forschungsjournal Soziale ...
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102 <strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 18, 2/2005<br />
lentere Organisationsumwelten vollends zu verlieren.<br />
Es ist darüber hinaus nicht nur ein Allgemeinplatz<br />
moderner Organisationssoziologie,<br />
sondern auch im Lichte gewerkschaftlicher<br />
Erfahrungen aus den vergangenen 15 Jahren<br />
ziemlich unstrittig, dass die entscheidenden<br />
Ressourcen einer flexiblen Handlungsfähigkeit<br />
der Organisation in den operativen Einheiten<br />
liegen (vgl. Arlt 2003) und dort, unter<br />
anderem über geeignete Formen der Vernetzung,<br />
weiter entwickelt werden müssen (Wolf<br />
2001). Damit ist zusätzlich zu der Frage nach<br />
tragfähigen neuen Leitorientierungen auch die<br />
Frage aufgeworfen, wie Führung in einer dann<br />
augenscheinlich sehr tiefgreifend zu verändernden<br />
Organisation und Institution zu denken<br />
und zu organisieren ist.<br />
Mit den Dilemmata produktiv und auf<br />
neue Art umgehen<br />
Gegenwärtig ist zu beobachten, dass die alten<br />
Dilemmata nach wie vor wirksam sind. Der<br />
Anpassungsdruck auf die Gewerkschaften wird<br />
sich weiter verschärfen. Zugleich schwinden ihre<br />
Ressourcen zur Verteidigung alter institutioneller<br />
Bastionen. Allerdings wächst auch die Unzufriedenheit<br />
der Menschen mit der großen Politik.<br />
Zunehmend klarer erkennbar gibt es aber<br />
auch keinen einfachen Weg zurück in das fordistische<br />
Produktionsmodell aus der Zeit vor<br />
dem Epochenbruch. Und dass die Gewerkschaften<br />
ihrem Doppelcharakter zwischen sozialer<br />
Bewegung und Institution entgehen könnten,<br />
kann nur aus einem verkürzten neoinstitutionalistischen<br />
Blickwinkel heraus plausibel gemacht<br />
werden.<br />
Angesichts der Herausforderungen der neuen<br />
Zeit zeigen sich die Dilemmata gewerkschaftlicher<br />
Politik so z.B. darin, dass die einen unter<br />
den bundesdeutschen Gewerkschaften inzwischen<br />
zu scharfer, wenn auch weithin ohnmächtiger,<br />
öffentlicher Kritik an der Agenda 2010<br />
tendieren und verstärkt den Dialog mit neuen<br />
sozialen Bewegungen suchen, wie z.B. ver.di,<br />
IG Metall. Und IG Bau im Mai 2004 auf dem<br />
gemeinsam mit Attac organisierten ‚Perspektiven-Kongress‘<br />
in Berlin. Viele Gewerkschafter<br />
waren hier zugegen. Wie man erfahren konnte,<br />
waren aber auch viele skeptisch und zögerlich.<br />
Die Begründung der Gegenposition einer aus<br />
eigener Sicht deutlich sachlicheren und konstruktiveren<br />
Kritik – in den jeweiligen institutionellen<br />
Handlungskontexten – einer verhalteneren<br />
öffentlichen Distanzierung und des Verzichts<br />
auf gemeinsame Aktivitäten mit neuen<br />
sozialen Bewegungen konnte man etwas später<br />
in einem offenen Brief vom Vorsitzenden und<br />
stellvertretenden Vorsitzenden der IGBCE nachlesen.<br />
Der DGB-Vorsitzende muss nun sehen,<br />
wie er in einer absehbar weiter zugespitzten Situation<br />
‚den Laden weiter zusammenhält‘, um<br />
es einmal salopp zu formulieren.<br />
Was also ist zu tun? Die Argumentation, die<br />
ich abschließend vertreten möchte, geht dahin,<br />
den, zweifellos nicht ideologiefreien, Mainstream<br />
der wissenschaftlichen und politischen<br />
Modernisierungsdiskussion über Individualisierung<br />
und ‚Arbeitskraftunternehmertum‘, neue<br />
Netzwerke und die ‚Wissensgesellschaft‘, in der<br />
der mündige Bürger dabei ist, sich von bevormundenden<br />
Institutionen frei zu machen, produktiv<br />
zu nutzen. Dies ist aus meiner Sicht die<br />
einzige Möglichkeit, die sich für die Gewerkschaften<br />
bietet, eine möglicherweise wirklich tragfähige<br />
Balance zwischen sozialer Bewegung und<br />
Institution herzustellen. Dabei ginge es um eine<br />
Balance mit Hilfe von Argumenten, die auf der<br />
Höhe der Zeit sind. Dies hätte den großen Vorteil<br />
einer starken Ausgangsposition in unserer medial<br />
vermittelten Öffentlichkeit. Meine Argumentation<br />
läuft darauf hinaus, die allgemein für die<br />
Restrukturierung der Wirtschaft proklamierten<br />
Vorzüge vernetzter Strukturen offensiv auch für<br />
die Restrukturierung und zugleich Außendarstellung<br />
der Gewerkschaften zu nutzen.<br />
Die Gewerkschaften haben im vergangenen<br />
Jahrzehnt durchaus versucht entsprechende<br />
Strukturen bei sich selbst im Rahmen von Mo-