?Initiative Berliner Sozialforum?. - Forschungsjournal Soziale ...
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88<br />
3 Strategiebildung Kyoto-Protokolls Mitte März 2005 den Ölhan-<br />
Kampagnenstrategien von Greenpeace sind das<br />
Ergebnis ausführlicher interner Diskussionsprozesse.<br />
Die Entscheidungen über diese Strategien<br />
verlaufen demokratisch, aber nicht basisdemokratisch:<br />
Greenpeace ist nicht in Landesverbänden<br />
organisiert, die mehr oder weniger Mitspracherechte<br />
an den Entscheidungen des Hauses<br />
hätten. Die rund 540.000 deutschen Förderer<br />
sind nicht direkt in den Entscheidungsprozess<br />
über Kampagnen eingebunden: dies wäre weder<br />
praktikabel noch wäre damit die Arbeitsweise<br />
von Greenpeace möglich, die aus flexiblen,<br />
schlagkräftigen und international abgestimmten<br />
Kampagnen besteht. Diese Entscheidungsstrukturen<br />
werden von den Greenpeace-Förderern so<br />
übrigens auch immer schon akzeptiert.<br />
Innerhalb der Organisation bedeutet die Diskussion<br />
über Kampagnenstrategien einen erheblichen<br />
Abstimmungsbedarf nicht nur national,<br />
sondern auch mit den internationalen Gremien.<br />
Neben nationalen Diskussions- und Entscheidungsprozessen<br />
– im deutschen Büro arbeiten<br />
rund 200 Personen – finden jährliche regelmäßige<br />
Treffen der Kampagnendirektoren, der<br />
Fachexperten (Campaigner) und der Geschäftsführungen<br />
statt, die Schwerpunkte der Jahresplanung<br />
sowie mittel- und langfristige Strategieausrichtungen<br />
diskutieren und beschließen.<br />
Im Festhalten an der einen Grundstrategie<br />
steckt natürlich auch ein Moment von Strategieblockade:<br />
was nicht oder nur schwer mit direkter<br />
Aktion zu verbinden ist, scheint nicht ‚wirklich‘,<br />
jedenfalls nicht in derselben Intensität, zu<br />
Greenpeace zu passen. Dies erschwert der Organisation<br />
auf eine nicht immer bewusst reflektierte<br />
Weise die Beschäftigung mit komplexen<br />
Themen, etwa der Frage nach dem Zusammenhang<br />
von Umweltzerstörung und internationalen<br />
Finanzmärkten. Doch faktisch lässt sich<br />
nahezu jedes ökologische Problem auf eine Ebene<br />
konkreter Protestaktionen ‚herunterbrechen‘.<br />
Als Greenpeacer am Tag des Inkrafttretens des<br />
del an der Londoner Börse kurzzeitig zum Erliegen<br />
brachten, wurden sie von aufgebrachten<br />
Brokern schwer verprügelt – aber sie hatten sich<br />
mit den klassischen Mitteln einem komplexen,<br />
schwer visualisierbaren Thema genähert und<br />
erreicht, was sie wollten. ‚Direkte Aktion‘ beinhaltet<br />
eine fast unerschöpfliche Fülle von kreativen<br />
Möglichkeiten.<br />
4 Neue Herausforderungen<br />
Stefan Krug<br />
Die klassische Aktionsstrategie funktioniert gut,<br />
wo ‚klare Verhältnisse‘ herrschen: Goldminen,<br />
die Flüsse in Rumänien mit Chemikalien verseuchen,<br />
Atommüll, der im Meer versenkt wird,<br />
Regenwald im Amazonas, der abgeholzt wird.<br />
Als Umweltorganisation westlicher Prägung ist<br />
Greenpeace mit seinen spendenstarken Büros<br />
in Westeuropa am stärksten vertreten. Mit dem<br />
Ende der qualmenden Schornsteine und der stinkenden<br />
Flüsse galten dort die ‚klassischen’<br />
Umweltprobleme weitgehend als gelöst und<br />
sind im umweltpolitischen Diskurs von globalen,<br />
aus europäischer Warte ‚unsichtbaren‘<br />
Umweltproblemen – Klimawandel, Ressourcenverbrauch<br />
etc. – abgelöst worden.<br />
Für Greenpeace wie für andere Umwelt-<br />
NGOs stellt sich seit langem die strategische<br />
Frage, wie Unterstützung und politischer Druck<br />
für Umweltschutz in Ländern generiert werden<br />
kann, die die ökologischen und sozialen Folgen<br />
ihres Lebensstils nicht oder nicht ausreichend<br />
selbst erfahren und vor Augen haben bzw. haben<br />
wollen. Erwärmung der Erdatmosphäre,<br />
globale Verbreitung von Dauergiften aus diffusen<br />
Quellen, steigender Ressourcenverbrauch,<br />
gentechnische Manipulation der Agrarproduktion<br />
– wie sollen diese Probleme problematisiert<br />
und visualisiert werden? Wie bekämpft man diffuse<br />
Gegner, die in einem globalen Geflecht<br />
von Unternehmen und Märkten verschwinden?<br />
Wie adressiert man den Verbraucher selbst und<br />
seine nicht nachhaltigen Lebensstile als wesent-