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?Initiative Berliner Sozialforum?. - Forschungsjournal Soziale ...

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6<br />

Sogleich kamen Spekulationen über mögliche<br />

Hintergründe und Absichten der unerwarteten<br />

Kritik Münteferings auf. Während zunächst<br />

etwa Vertreter des Arbeitnehmerflügels der SPD<br />

die programmatische Rede des Vorsitzenden bitter<br />

als ‚grotesk‘ abtaten, werteten andere Kommentatoren<br />

Münteferings Rede im Willy-Brandt-<br />

Haus als Versuch, mit einer traditionellen sozialdemokratischen<br />

Intervention in letzter Minute<br />

das drohende Unheil bei der nordrhein-westfälischen<br />

Landtagswahl abzuwenden. Eine dritte<br />

Interpretation schließlich sah in der Kapitalismuskritik<br />

des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden<br />

vor allem eine Gegenposition zu der<br />

Grundsatzrede des Bundespräsidenten auf dem<br />

Arbeitgeberforum ‚Wirtschaft und Gesellschaft‘<br />

in Berlin vom 15.März 2005, in der Horst Köhler<br />

zu einer Fortsetzung, ja Beschleunigung des<br />

Reformkurses aufgerufen hatte und sich dabei<br />

wegen des wie gewohnt überaus wirtschaftsfreundlichen<br />

Duktus seiner Rede harsche Kritik<br />

aus dem Gewerkschaftslager, aber auch von<br />

vereinzelten sozialdemokratischen Vertretern<br />

eingehandelt hatte. Wie auch immer die politischen<br />

Beweggründe hinter Münteferings Rede<br />

beschaffen gewesen sein mögen, er intonierte<br />

jedenfalls an exponierter Stelle und zu einem<br />

exponierten Zeitpunkt genau die Kernelemente<br />

eines traditionellen sozialdemokratischen Politikverständnisses,<br />

die man in den vergangenen<br />

Jahren in Reden an der Parteispitze kaum noch<br />

vernommen hatte. Man kommt nach der Rede<br />

des Parteivorsitzenden nicht umhin festzustellen,<br />

dass die SPD angesichts ihrer niederschmetternden<br />

Wahlbilanz und im Blick auf ihre zukünftige<br />

Rolle im deutschen Parteiensystem nun<br />

offensichtlich von der Notwendigkeit einer<br />

grundsätzlichen programmatischen Standortbestimmung<br />

eingeholt wird.<br />

2<br />

Diese Notwendigkeit einer nachholenden Standortbestimmung<br />

geht auf den eigentümlichen<br />

Gerd Mielke<br />

Verlauf der politischen Entwicklung gerade der<br />

deutschen SPD im Vergleich zu anderen europäischen<br />

Sozialdemokratien zurück 2 . In zahlreichen<br />

anderen europäischen sozialdemokratischen<br />

Parteien waren Ende der 1980er, Anfang<br />

der 1990er Jahre lange und tief greifende programmatische<br />

Auseinandersetzungen einem<br />

dann auch praktisch-politischen Neuansatz vorgelagert.<br />

Man nutzte längere Oppositionsphasen<br />

zu dieser Neubestimmung und war dadurch<br />

imstande, die große Mehrheit der jeweiligen<br />

Parteimitglieder in die programmatischen<br />

Schwenks bei der Transformation der europäischen<br />

Sozialdemokratie zu integrieren. Dabei<br />

spielte das Bemühen, die neuen Wege der Sozialdemokratie<br />

etwa in Skandinavien, den Niederlanden<br />

oder England auf bereits vorhandene<br />

Traditionen zu beziehen und auch neuartige politische<br />

Instrumente auf ihre Kompatibilität mit<br />

der politischen Kultur zu überprüfen, eine bedeutsame<br />

Rolle. Nicht zuletzt standen am Ende<br />

der jeweiligen Neuorientierungen den innerparteilich<br />

siegreichen Protagonisten der neuen ‚Dritten<br />

Wege‘ die zurück gedrängten vormaligen<br />

Eliten gewissermaßen als ‚Gegeneliten im Wartestand‘<br />

und als verbleibende Identifikationsfiguren<br />

der eher reformskeptischen Kreise in den<br />

Parteien gegenüber. Vor allem jedoch waren die<br />

anderen europäischen Sozialdemokratien nach<br />

ihren programmatischen Transformationen mit<br />

ihren neuen Politikangeboten in Wahlen erfolgreich<br />

gewesen; die programmatische Neubesinnung<br />

hatte sich auch politisch gelohnt. Keiner<br />

dieser Begleitumstände trifft bislang auf die<br />

Umorientierung der deutschen Sozialdemokratie<br />

zu.<br />

Die langen Jahre der sozialdemokratischen<br />

Opposition in der Bundesrepublik erbrachten<br />

zwar ebenfalls mit dem ‚<strong>Berliner</strong> Programm‘<br />

von 1989 eine programmatische Erneuerung.<br />

Sie reflektierte jedoch wesentlich stärker ökologische<br />

Aspekte und neue Formen der gesellschaftlichen<br />

Teilhabe als die wachstums- und<br />

arbeitsmarktrelevanten Problembereiche, die die

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